Essen. Menschenaufläufe vor den Stadien könnten zu Abbrüchen von Geisterspielen führen. Was plant die Polizei? Wie denken die Fans? Die Antworten.
Am Donnerstag dürfte die Entscheidung fallen, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der Länder berät: Wird die Bundesliga-Saison mit Geisterspielen am 9. oder 16. Mai fortgesetzt oder nicht? NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte der Welt: „Geisterspiele sind vertretbar.“ Die Sportminister der Länder wollen dem Bundeskanzleramt bis Dienstagabend einen Beschluss vorlegen. Doch es gibt Unwägbarkeiten. Eine große Befürchtung ist, dass sich Fans vor den Stadien versammeln, wie in Mönchengladbach im März während des Spiels gegen Köln (2:1). Ist das wieder möglich? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Sind weitere Fan-Ansammlungen bei Geisterspielen zu erwarten?
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Die Aussagen der Polizei und einiger Politiker sowie die der Fan-Bündnisse, zu denen auch Ultra-Gruppen gehören, unterscheiden sich. „Wir haben die Sorge, dass rechte Hooligans dies umwidmen zu Demos gegen Geisterspiele und Kommerz und sich dann auf die Versammlungsfreiheit berufen“, sagt Reul. Polizeigewerkschafter Jörg Radek erklärte der FAS: „Die Stadien werden zu einem potenziellen Ziel von Fans.“ Befürchtungen, die das Bündnis „Unsere Kurve“ nicht verstehen kann. „Ich bin mir sicher, dass sich die aktiven Fußballszenen an die Auflagen halten. Sie haben sich immer durch gesellschaftliche Verantwortung ausgezeichnet“, sagte Helen Breit, Sprecherin der Gemeinschaft. Das „Bündnis Südtribüne“ aus Dortmund hatte schon vor dem abgesagten Derby gegen Schalke am 14. März angekündigt, nicht zum Stadion zu kommen. Sollten sich mehr als zwei Personen vor einem Stadion treffen, wird es teuer: 200 Euro Bußgeld für jeden.
Wer ist für die Sicherheit in und um die Stadien zuständig?
Alles, was im Stadion passiert, liegt in der Zuständigkeit der Klubs – Ausnahme sind Straftaten. Da diese bei einem Geisterspiel nicht zu erwarten sind, befinden sich laut des Konzepts der Deutschen Fußball-Liga (DFL) nur vier Polizisten im Stadion, eingeplant sind zudem 14 Ordner. Außerhalb des Stadions ist das anders. 50 Ordner stellen allein die Klubs bereit, um Ansammlungen zu unterbinden. Dazu kommen Polizisten. Die polizeilichen Einsätze werden nicht von den lokalen Behörden, sondern vom Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW (LZPD) koordiniert.
Wie weit ist die Planung der Polizei und der Politik in NRW?
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Die Vorbereitung der Polizei auf Geisterspiele läuft ähnlich wie bei regulären Bundesligaspielen, erklärte Jan Schabacker vom LZPD gegenüber dieser Zeitung. Denn im Vorfeld einer jeden Begegnung stellen die Beamten eine ausführliche Lagebeurteilung zu sicherheitsrelevanten Gefahren an. „Nun gibt es das Virus als Sonderbedingung“, erklärt er. Das LZPD konzentriert sich aber nicht nur auf die Stadien und mögliche Demonstrationen. „Es gibt eine dritte Gruppe, die sonst in Kneipen und Gaststätten geguckt hat. Wenn wir Pech haben, treffen sich diese Fans vielleicht auf den Plätzen in den Innenstädten“, sagt Reul. Das LZPD entwickelt für die Städte deshalb „Raumschutzkonzepte“ – und es hofft auf die Unterstützung der Klubs. „Sie müssen an ihre Fans appellieren, Ansammlungen zu meiden“, sagt Schabacker und ergänzt: „Bei der Schutzverordnung geht es nicht darum, Fußballfans zu ärgern. Jede Menschenansammlung ist ein Risiko.“ Findet auch Reul, der sagt: „Am besten wäre es, wenn die Leute sich die Spiele zu Hause im Fernsehen angucken würden.“
Was droht den Klubs, sollten sich doch Fans treffen?
Das hat DFL-Chef Christian Seifert verdeutlicht: Es könnte zu Abbrüchen kommen, die Spiele würden für den Gegner gewertet, dessen Fangruppen nicht beteiligt waren.
Wie ist die Meinung der aktiven Fanszene?
Unabhängig von den Aufrufen, sich bei Geisterspielen an die Auflagen zu halten: Alle Gruppen, die sich bisher geäußert haben, sind strikt gegen Geisterspiele. Das Dortmunder „Bündnis Südtribüne“ zum Beispiel schrieb: „Wir maßen uns nicht an, zu entscheiden, ab wann der Ball wieder rollen darf. In einer Situation, in der sich der Fußball auf diese Weise so dermaßen vom Rest der Gesellschaft entkoppeln würde, darf es jedoch nicht passieren.“
Was sagen die Städte?
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Die Städte Gelsenkirchen und Dortmund, die jeweils einen Bundesligaverein beheimaten, sind zum Thema Geisterspiele im ständigen Austausch mit den Behörden. „Wir sind in Gesprächen mit dem Krisenstab“, bestätigte ein Sprecher der Gelsenkirchener Verwaltung gegenüber dieser Zeitung. Welche Konzepte allerdings ausgearbeitet werden, wollten beide Revierstädte auf Nachfrage nicht weiter ausführen. Erst wenn Bundesligaspiele vor leeren Rängen offiziell terminiert sind, werde über die konkrete Umsetzung der Maßnahmen gesprochen, heißt es.
Was müssen die Vereine bis zum Restart rund um die Stadien noch erledigen?
Das ist unterschiedlich. Borussia Dortmund muss nach Informationen dieser Zeitung den Kabinentrakt und die Ersatzbänke umrüsten, damit die Abstandsregeln eingehalten werden können. Die Veltins-Arena in Gelsenkirchen muss nach unseren Recherchen nicht groß modifiziert werden. Offiziell äußerte sich Schalke auf unsere Nachfrage nicht.