Leipzig. Der 3:1-Sieg bei RB Leipzig sorgt auf Schalke für neue Euphorie. Viele Mosaiksteine passen. Trainer David Wagner lobt seine Mannschaft.

Amine Harit wirkte, als hätte er gerade einen Halbmarathon hinter sich gebracht. „Ich bin müde, das Spiel war sehr anstrengend. Es war unglaublich, wenn man sieht, wie jeder bei uns gerannt ist“, meinte Schalkes Mittelfeldantreiber nach dem 3:1 (2:0)-Sieg bei RB Leipzig. Harit nahm sogar den Begriff „Top-Team“ in den Mund. Seine Begründung: „Wenn du zum Tabellenführer fährst und dort 3:1 gewinnst, dann bist du eine große Mannschaft.“ Schalke 04 hat seine geduckte Haltung, die mit jedem Rückschlag in der desaströsen Vorsaison immer schlimmer wurde, abgelegt.

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Der neue Trainer David Wagner hat dem Bundesliga-Team einen neuen Anstrich und eine neue Handschrift verpasst. Vor zehn Monaten freuten sich die Königsblauen in ihrer damals angeschlagenen Verfassung über einen taktisch errungenen 0:0-Teilerfolg in Leipzig. Ex-Manager Christian Heidel und der ehemalige Trainer Domenico Tedesco konnten die Kritik an der destruktiven Spielweise im Spätherbst 2018 nicht nachvollziehen.

Das neue Schalke mauert nicht, es reißt mit. Und es gewinnt Spiele. Amine Harit hatte entscheidenden Anteil am vierten Erfolg in Serie. Den Elfmeter zum zwischenzeitlichen 2:0 holte der dribbelstarke Marokkaner nicht nur selbst heraus, sondern er verwandelte ihn auch sicher (43.). Das zwischenzeitliche 3:0 durch den wie entfesselt aufspielenden Rabbi Matondo (58.), der den Ball mit dem Außenrist ins lange Eck streichelte, bereitete Harit vor. Nur beim Schalker Führungstor durch Salif Sané, der aus kurzer Distanz einen einstudierten Eckball verwertete (29.), war Harit ausnahmsweise nicht beteiligt.

Nagelsmann lobt Schalker Standards

RB-Trainer Julian Nagelsmann fand die Torentstehung beeindruckend. „Die Standardsituation war weltklasse“, meinte Nagelsmann. Die Ecke von Bastian Oczipka wurde von Omar Mascarell an den zweiten Pfosten verlängert. Dort konnte Sané mühelos einköpfen. Nicht nur diese Variante ging auf, sondern auch der gesamte Plan. „Es war keine ganz doofe Idee, Leipzig mit einer Raute zu bespielen, wo Harit auf der Zehn und Matondo als zweiter Stürmer agieren“, fasste Trainer David Wagner zusammen.

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Die aufopferungsvolle Schalker Spielweise trägt zudem Früchte. Weston McKennie, Rabbi Matondo & Co. spulten über 124 Kilometer Team-Laufleistung ab, was David Wagner nicht nur begeistert, sondern auch zu ungewöhnlichen Wort-Konstruktionen greifen lässt. „In den letzten fünf Minuten hatten meine Spieler Laktat in den Augen. Das sind Laktat-Junkies.“ Vielleicht sollte sich Wagner diesen Begriff schützen lassen. Der 47-Jährige stellt fest: „Da kannst du als Trainer stolz sein, wenn die Jungs alles rauspressen. Das war das, was wir vor dem Spiel von uns erwartet haben.“

Mutmaßungen für Wagner zu schnell

Wagner kann allerdings genau einordnen, dass der Auswärts-Dreier nicht nur wegen perfekt umgesetzter taktischer Kniffe, Cleverness und hohem Pensum seines Personals zustande kam. „Wir hatten auch glückliche Momente im Spiel, die Begegnung hätte in beide Richtungen gehen können“, so Wagner. Beim Stand von 0:0 traf Leipzigs Marcel Sabitzer die Lattenunterkante (15.). Und dann gab es da noch die Doppel-Rettungstat von Torwart Alexander Nübel, der erst gegen Emil Forsberg und dann gegen Sabitzer zur Stelle war (16.). „Alex Nübel hat uns im Spiel gehalten“, meinte Profi-Koordinator Sascha Riether. Dass Nübel kurz vor Schluss patzte und einen Forsberg-Schuss zum einzigen Leipziger Tor über die Fäuste flutschen ließ (83.) – geschenkt. Nübel, der von den mitgereisten Schalke-Fans trotz des Patzers gefeiert wurde, stellte fest: „Es war ein geiles Gefühl, in Leipzig zu gewinnen.“

Die Mutmaßungen, ob Schalke nach der bestandenen Leipzig-Prüfung ein Kandidat für die Rückkehr ins internationale Geschäft sein könnte, gehen Trainer David Wagner etwas zu schnell. Der Ex-Huddersfielder will noch einige Wochen abwarten. Sportvorstand Jochen Schneider rät ebenfalls dazu, den Erwartungsbogen nicht zu überspannen. „Wir sind auf dem richtigen Weg, aber es sind auch erst sechs Spieltage vorbei. Wir können das richtig einordnen. Ohne Alex Nübel hätte es 1:0 gegen uns gestanden.“

Mit einer gewissen Zufriedenheit registriert Schneider, dass der eingeleitete Neustart schon ziemlich früh in der Spielzeit 2019/2020 Früchte trägt. „Die Art und Weise, wie wir in Leipzig aufgetreten sind, war beeindruckend“, analysierte der 49-Jährige. Schneider: „Das war eine Leistung, auf die man stolz sein kann.“ Solche Sätze waren vor wenigen Monaten auf Schalke noch undenkbar.