Essen. Auch nach über zehn Jahren fiebert Tomasz Hajto noch mit Schalke mit. Ein Interview über königsblaue Stärken und Schwächen - und mögliche Neuzugänge.
Tomasz Hajto war am 14. November beim Abschiedsspiel von Gerald Asamoah wieder einmal in seiner geliebten Arena auf Schalke. Der 43-jährige Pole, der zwischen 2000 und 2004 für die Königsblauen spielte, macht keinen Hehl daraus, dass sein Herz immer noch für Blau und Weiß schlägt. Obwohl er mittlerweile wieder in Polen lebt, verfolgt er Schalkes Weg auf Schritt und Tritt. Unter anderem ist "Gianni", der Fußballlehrer ist, aktuell auf Trainer-Jobsuche. Wir sprachen mit Hajto über die aktuelle Lage auf Schalke.
Tomasz Hajto, wie war für Sie die Rückkehr in die Arena?
Tomasz Hajto: Ich hatte Gänsehaut. Es war einfach wunderschön. Die Leute haben mich so empfangen, als ob ich wieder nach Hause zurückgekehrt wäre. Das macht einen stolz, wenn man so gute Spuren bei einem Verein hinterlassen hat. Ich lebe das Motto: "Einmal Schalker, immer Schalker." Ich leide auch aus Polen, wo ich viele Spiele sehe, da ich Experte beim polnischen Sender Eurosport 2 für die Bundesliga bin, mit Schalke mit.
Aktuell läuft es ja nicht so gut für die Mannschaft von Trainer Andre Breitenreiter. Wo liegen Ihrer Meinung nach die Gründe?
Hajto: Ja, leider. Und mit Leverkusen, Hannover, Augsburg und Hoffenheim haben die Schalker noch schwere Spiele vor sich. Denn für die meisten dieser Mannschaften geht es um wertvolle Punkte gegen den Abstieg - außer Leverkusen natürlich. Da muss man schon sehr aufpassen. In der Bundesliga ist nach unten hin alles sehr eng. Ich will jetzt nicht behaupten, dass Schalke noch in Abstiegsnöte geraten wird, aber es muss sich in der Winterpause auf jeden Fall etwas tun.
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An welchen Stellschrauben muss denn Ihrer Meinung nach gedreht werden?
Hajto: Zuerst muss die Personalie Horst Heldt geklärt werden. Es muss jemanden geben, der das hunderprozentige Vertrauen für die Personalentscheidungen im Winter erhält. Ich habe das Gefühl, dass Heldt dieses nicht mehr besitzt. Solange die Personalie nicht geklärt ist, wird es Unruhe auf Schalke geben.
Wenn Sie Trainer oder Manager auf Schalke wären, was würden Sie am Kader ändern?
Hajto: Die Mannschaft ist zu jung, zu unerfahren. Da fehlt ein Sechser, der Erfahrung, Ruhe ausstrahlt, einer wie es früher Jiri Nemec war. Zudem sehe ich in der Abwehr Schwächen. Zum Beispiel auf der Rechtsverteidiger-Position. In der Abwehr braucht man ein paar Zentimeter und Kilogramm. Da sind alles zu brave Schwiegersohn-Traumtypen dabei. Da fehlen mir echte Typen wie Marcelo Bordon, Mladen Krstajic, Tomasz Waldoch oder Hajto (lacht). Wenn Benedikt Höwedes ausfällt, dann brennt die Schalker Defensive lichterloh. Ein Joel Matip kann ein Spiel nicht aufbauen. Ich habe das Gefühl, dass er immer einen tödlichen Pass, im negativen Sinne, produzieren könnte.
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Sie kennen den polnischen Markt sehr gut. Gibt es aktuell Spieler aus Ihrem Heimatland, die die polnische Tradition von Waldoch und Hajto bei S04 erfolgreich fortsetzen könnten?
Hajto: Es gibt aktuell in Polen, aber auch in Tschechien sehr gute Spieler. Radoslav Latal, der aktuell mit deutlichem Vorsprung als Trainer von Piast Gleiwitz auf Platz eins der polnischen Liga liegt, oder Nemec haben ja auch ihre Spuren in Gelsenkirchen hinterlassen. Aus polnischer Sicht würde ich Schalke zu einer Verpflichtung von Kamil Glik oder Michal Pazdan raten. Glik ist Kapitän beim AC Turin und einer der besten Innenverteidiger der Serie A. Pazdan ist mittlerweile Abwehrchef bei Legia Warschau. Beide bilden gemeinsam die Innenverteidigung der polnischen Nationalmannschaft, die ja seit zehn Spielen ungeschlagen ist. Zudem gibt es bei Terek Grozny einen Linksverteidiger namens Maciej Rybus, der ebenfalls Nationalspieler ist. Bei seinem aktuellen Klub Terek Grozny in Russland ist er nicht glücklich. Schalke macht das gut und setzt auf die eigene Jugend, da werden Spieler wie Leroy Sane, Felix Platte, Fabia Reese oder May Meyer groß - alles super Jungs. Aber ab uns zu braucht man auch externes Blut, vielleicht auch aus dem Ausland. Spieler, die die Mentalität des Ruhrgebietes verkörpern. Das machen wir Polen beispielsweise.
Wo wird Schalke am Ende der Saison landen?
Hajto: Das ist jetzt schwer zu sagen. Ich hoffe, dass Schalke am Ende unter den ersten Sechs sein wird. Das wird aber schwer. Wenn man im Winter die richtigen Schlüsse zieht und sich gut, sprich intelligent verstärkt, dann ist einiges möglich. Im Europapokal sowieso. Schalke ist eine Pokalmannschaft und ich würde mich sehr freuen, wenn die S04-Fans in dieser Saison noch einige Reisen durch Europa machen könnten. Ich fiebere auf jeden Fall weiter mit Schalke mit und drücke dem Klub beide Daumen.