Gelsenkirchen. . Vier Mal wurde Gerald Asamoah in seinen elf Jahren beim FC Schalke 04 Zweiter der Tabelle. Und nie Meister, obwohl er 2001 und 2007 ganz nah dran war.
Wenn man die Bilder mit den geröteten Augen und den glasigen Blicken sieht, kommen einem heute noch die Tränen. Ebbe Sand und Marco van Hoogdalem, Tomasz Hajto und Huub Stevens: Man hat sie alle noch vor Augen, wie sie an diesem Tag mit ihren Tränen auf der Tribüne des Parkstadions stehen. Auch Gerald Asamoah, zu diesem Zeitpunkt Schalkes Jüngster, ist dabei. Er ist traurig, aber das lässt er sich nicht anmerken. „Ich habe an diesem Tag nicht geweint”, verrät er heute, 14 Jahre später. „Erst in den Tagen danach, als ich gemerkt habe, was wirklich passiert ist, sind mir zu Hause die Tränen gekommen.”
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Der 19. Mai 2001: Der Tag, der den FC Schalke 04 mit all seinem Leben, seiner Leidenschaft, seinen Emotionen aber auch seiner Enttäuschung vielleicht am besten symbolisiert. Manchmal unvollendet. Aber auf ewig unvergessen.
Asamoah hatte das Bier schon in der Hand
Wir sitzen im Schalker, der gemütlichen Kneipe auf dem Vereinsgelände, die einst Charly Neumann eröffnet hat. Gerald Asamoah erzählt noch einmal, wie er es damals erlebt hat, als Schalke an diesem 19. Mai 2001 die Meisterschale aus den Händen gerissen wurde. Wie Schalke nach dem 5:3-Sieg gegen Unterhaching schon gefeiert hat, weil Rolf Fuhrmann, der Fernsehreporter, ein falsches Signal gegeben hatte. Wie dann die Bilder aus Hamburg kamen, wo das Spiel gegen die Bayern noch gar nicht vorbei war. „Ich hatte die Bierpulle in der Kabine schon in der Hand”, sagt „Asa”. Pause. „Und dann fällt das Tor.”
Es war für Schalke ein Gefühl, als müsste man bei seiner eigenen Hinrichtung zuschauen. Asamoah nennt keinen Namen. Nicht den des Schiedsrichters und nicht den des Torschützen. Aber es war grausam.
Vier Mal mit Schalke auf Platz zwei
Nur eine Woche später holte Schalke dann durch einen 2:0-Sieg gegen Union Berlin den DFB-Pokal. Für viele war’s ein Trost, der ein wenig über das große Unglück zuvor hinweg geholfen hat. Für Gerald Asamoah, den Lebensfrohen, war Berlin „ein geiler Moment”. Es war einer von zwei Titeln, die er in elf Jahren mit Schalke gewonnen hat: DFB-Pokalsieger 2001 und DFB-Pokalsieger 2002 (durch ein 4:2 im Finale gegen Bayer Leverkusen). Nur der Traum von der Meisterschaft, der blieb unerfüllt.
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Die 2000er-Jahre waren das Jahrzehnt, in denen Königsblau so oft wie nie zuvor Deutscher Vize-Meister geworden ist – und immer war Asamoah dabei. Insgesamt viermal landete Schalke auf Platz zwei: 2001 (hinter Bayern), 2005 (hinter Bayern), 2007 (hinter Stuttgart) und 2010 (hinter Bayern). „2001 war es am emotionalsten”, sagt Asamoah. Aber auch die drei anderen Vize-Meisterschaften sind unvergessen.
Heynkes machte Asamoah wieder fit
2005 war das Jahr des listigen Ralf Rangnick, der kurz nach Saisonbeginn 2004/2005 den unglücklichen Jupp Heynckes als Trainer abgelöst hatte. Heynckes blieb auf Schalke insgesamt zwar unverstanden, aber er hatte Asamoah wieder in Top-Form gebracht. „Ich habe Heynckes viel zu verdanken”, betont „Asa” und erzählt, wie er im Trainingslager beim Essen manchmal leidvoll auf die Teller der Kollegen geguckt hat: Die durften Steak essen – er selbst bekam nur Salat serviert, „denn ich musste ein paar Kilo abnehmen”. Doch als Heynckes nach einem Jahr gehen musste, übernahm Rangnick eine topfitte Mannschaft, aus der er mit seiner eigenen Art den Erfolg herauskitzelte.
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Legendär, wie Rangnick im März 2005 schon vor dem Heimspiel gegen Bayern sagte: „Ich habe keine Angst vor dem Spiel gegen Bayern – ich habe nur Angst vor der Woche nach unserem Sieg gegen Bayern.” Dass Schalke die Bayern schlagen würde, war ihm schon vorher klar – und was folgen sollte, offensichtlich auch: Schalke stürzte als Tabellenführer übel ab und kam am Ende mit 14 Punkten Rückstand auf Platz zwei. Die zweite Vize-Meisterschaft für Gerald Asamoah – eine echte Titel-Chance hatte Schalke aber nicht.
„Wenn wir da Meister werden, gehe ich zu Fuß nach Hause”
Ganz anders 2007, als sogar die Feierlichkeiten schon vorbereitet waren, weil Schalke zwischendurch so einen riesigen Vorsprung hatte. Damals schien alles zu passen – sogar der Spielplan, denn Schalke musste am vorletzten Spieltag beim Erzrivalen Dortmund antreten, was Gerald Asamoah zu dem Spruch veranlasste: „Wenn wir da Meister werden, gehe ich zu Fuß nach Hause.” Doch Schalke hatte seine Nerven nicht im Griff und stürzte durch eine 0:2-Niederlage vom Tabellengipfel, nachdem zuvor schon das kleine Derby in Bochum verloren gegangen war. „2007 waren wir einfach nicht clever genug”, sagt Gerald Asamoah heute. Mit dem Spott über seinen Spruch musste er lange leben. „Aber ich war damals total überzeugt, dass wir Meister werden, weil wir einfach dran waren.” Seine dritte Vize-Meisterschaft – ein verschenkter Titel.
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Dass Schalke 2010 dann nochmal auf Platz zwei landete, war nicht ansatzweise so dramatisch. Es war das erste Jahr unter Felix Magath, und für Asamoah das letzte bei den Schalker Profis – nach der Saison wurde er vom Allmächtigen aussortiert. „Magath hat dafür gesorgt, dass eine Mannschaft auf dem Platz stand, die fit war”, erklärt Asamoah nüchtern: „Wir haben keinen berauschenden Fußball gespielt – Bayern war in diesem Jahr besser.”
Sonst nur Zeugwart Enrico Heil
Viermal Vize, aber nie Meister: In der Schalker Geschichte gibt es keinen anderen Fußballer, der das so erlebt hat – aus dem Umfeld der Mannschaft fällt Asamoah nur noch Zeugwart Enrico Heil ein, der über die ganze Strecke dabei war. Im „Schalker”, der Kneipe am Vereinsgelände, hängen Bilder an den Wänden, die an die Erfolge in 111 Schalker Jahren erinnern. Nachdenklich sagt Asamoah: „Viermal war ich Vize-Meister. Und 2001 und 2007 hatten wir wirklich ‘ne echte Chance, dieses Ding zu holen.”
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Elf Jahre, von 1999 bis 2010, hat Gerald Asamoah für Schalkes Profis gespielt – jetzt ist er Repräsentant seines Vereins, in fünf Wochen steigt sein Abschiedsspiel. Ob er irgendetwas lieber anders gemacht hätte in dieser Zeit, wollen wir zum Abschluss wissen. Gerald Asamoah lacht so herzlich, wie es kaum ein Zweiter kann: „Ich hätte Mathias Schober damals nicht nach Hamburg gehen lassen. Dann wäre 2001 beim HSV ein anderer Torwart im Tor gewesen…”
Und man müsste heute vielleicht nicht mehr an die Tränen von Ebbe Sand denken...