Essen. Wieder einmal schafft es die Mannschaft beim 1:1 in Schalke nicht, einen Vorsprung auszubauen. Trainer Fascher rätselt nach den Gründen. Erste Fans rufen bereits “Fascher raus“. Die Standortbestimmung soll nach dem neunten Spieltag erfolgen.

Als Marc Fascher am Sonnabend erwachte, empfing ihn der Tag schon mit Blitz und Donner. Kein gutes Omen für den Derbytag, der endlich, endlich den Umschwung bringen sollte. Gerade noch rechtzeitig vor dem Treffen am Dienstag gegen den Branchenprimus. Denn wie hatte der RWE-Coach Anfang der Saison vermutet? „Am neunten Spieltag, nach der Partie gegen Viktoria Köln, wissen wir spätestens, wo wir stehen.”

Nun, nach dem erneut dürftigen 1:1 gegen Schalker „Milchbubis”, die bislang in dieser Saison keinen wirklichen Gegner abgeben, braucht es diese Standortbestimmung nicht mehr: RWE ist tristes Mittelmaß, abzulesen an der Tabelle, die Kölner als Maß aller Dinge nur noch verschwindend am sportlichen Horizont erkennbar.

Da hätte ein Derbysieg vieles glattgebügelt. Und er war greifbar in Wanne-Eickel. Ausgerechnet ein waschechter Rot-Weiße, der die sportliche Rivalität zu Blau-Weiß schon mit der Muttermilch aufgesogen hat, stellte die Weichen auf Sieg: Als Kai Nakowitsch in der 21. Minute nach einer Ecke von Tobias Steffen den Ball von der Brust abtropfen ließ und sie an Profi-Torhüter Timon Wellenreuther vorbei zur Führung in die Maschen hämmerte, war sie da, die gewünschte Steilvorlage zur Wende. RWE drückte, spielte durch die Rückkehr von Sven Kreyer im Sturm noch dominanter nach vorne, nichts schien diesen Tag zu trüben. Schalke-Trainer Jürgen Luginger musste später, in der Analyse von Halbzeit eins, anerkennen: „Rot-Weiss war in den Zweikämpfen einfach besser, hat uns da ein bisschen den Schneid abgekauft.” Alles lief scheinbar bestens. Und dennoch musste der eigentlich auserkorene kleine Derbyheld Kai Nakowitsch später das frustrierte Fazit ziehen: „Uns gelingt es einfach nicht, das entscheidende 2:0 nachzulegen, das war Dienstag in Rellinghausen das gleiche. Dann wäre doch Ruhe gewesen.”

Essener neigen zur Teilzeitarbeit

Warum, weshalb? Darüber herrschte hinterher allgemeines Schulterzucken. Diese Essener Mannschaft taugt offensichtlich nur zur Teilzeitarbeit. Als nämlich Schalkes junger Innenverteidiger Moritz Fritz nach einer Ecke in der 76. Minute völlig ungehindert per Kopfball das vollendete, was sich während der ganzen zweiten Halbzeit zwangsläufig angedeutet hatte, begann nämlich wieder eine andere rot-weiße Arbeitsphase: „Auf einmal ging es wieder, als wenn der Kopf sagt: Muss wieder loslegen, muss weiter gehen, da waren wir wieder aktiv”, analysierte später Marc Fascher dieses nun schon oft beobachtete Saison-Phänomen. Doch das der Mannschaft auszutreiben, scheint die Königs-Disziplin.

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Zumal der Trainer mit seinen Auswechselungen Signale setzt, die bei der zahlenden Kundschaft nicht gerade Begeisterungsstürme auslöst. Wieder ging der offensiv ausgerichtete Tobias Steffen, dem auch in Halbzeit zwei in mancher Szene noch etwas Verrücktes zuzutrauen war, wieder kam mit Tim Hermes ein gelernter Außenverteidiger, auch wenn er auf der linken Seite vor Patrick Huckle rückte. Draußen blieb erneut einer wie Kevin Grund, der noch unter der Woche im wenig ruhmreichen Pokalspiel in der Schlussphase mit gekonnter Vorarbeit den Totalschaden haarscharf vermieden hatte. Was, fragen sich die Fans, muss der eigentlich verbrochen haben?

„Fascher-Raus“-Rufe

So war die Sache für den mitgereisten Anhang am bitteren Ende wieder klar: Wenn die Einzelkönner mit den anerkannt klangvollen Namen als Orchester nur wild durcheinander tröten, muss es am Dirigenten liegen. Als Schiedsrichter Jörn Schäfer, der die Partie sehr anti-autoritär geleitet hatte, abpfiff, waren sie nicht mehr zu überhören, die „Fascher-Raus”-Rufe. Auch Sportvorstand Uwe Harttgen hatte sie auf der Tribüne vernommen. Der stellte dem Trainer daraufhin folgendes Zwischenzeugnis aus: „Totaler Ehrgeiz, totales Engagement – alles ist gut.”

Dienstag gegen Viktoria Köln wird eine andere Antwort notwendig sein, um die Fanseele zu beruhigen – nicht nur von der Mannschaft.