Essen. Nach der bitteren Derby-Niederlage gegen Essen-Kray versucht man bei RWE zurück in die Erfolgsspur zu finden. Im Interview erklärt RWE-Sportvorstand Uwe Harttgen, was es dem Regionalligisten so schwer macht: Man will mittelfristig etwas aufbauen, muss zugleich aber sofort gute Ergebnisse liefern.

Herr Harttgen, Sie kamen am Freitag direkt aus dem Urlaub zum Derby, war da die Erholung ganz schnell wieder verflogen?

Uwe Harttgen: Ich hatte schon gehofft, dass das einen anderen Ausgang nimmt. Da war der Urlaub natürlich schnell wieder vergessen.

Sind Sie in der jetzigen Situation noch mehr als Psychologe gefragt? Wie können Sie der Mannschaft helfen?

Harttgen: Immer, wenn es nicht so läuft, wird nach dem Psychologen gefragt. Dabei gehört das doch zu meinem täglichen Austausch mit den Spielern. Nein, besondere Maßnahmen sind nicht notwendig. Fakt ist, dass es ein Spiel war, in dem alle gemerkt haben, dass es so nicht geht. Die Durchschlagskraft nach vorne und die Empfänglichkeit für Gegentore ist das, was bei uns noch nicht passt. Es ist nicht so, wie wir uns das vorstellen, wie sich alle das vorstellen. Die Hoffnung, die zwischenzeitlich da war nach dem 1:1 und 2:2, hielt nur kurz, es gab immer wieder einen neuen Rückschlag.

Wir haben den sechsten Spieltag und es gab schon wieder die ersten „Wir haben die Schnauze voll“-Gesänge. Einige haben sogar versucht, die Kabine zu stürmen. Haben Sie solch heftige Reaktionen vor ihrem Engagement hier einkalkuliert?

Harttgen: Ich hab mich ja schon damit auseinandergesetzt. Jeder, der ins Stadion geht, darf seine Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen, es ist unsere Aufgabe, dass es so selten wie möglich vorkommt. Wenn man bedenkt, was dann noch passiert ist, das muss ich ja wohl nicht ausformulieren, das ist für den Verein sicherlich nicht hilfreich, wenn man an die Weiterentwicklung beispielsweise im Sponsoring denkt.

Die Erwartungshaltung ist hier etwas kompliziert

Keiner rechnet fest mit dem Aufstieg, aber alle haben Angst vor der großen Langeweile in dieser Saison.

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Harttgen: Die Enttäuschungen aus den vergangenen Jahren stecken immer noch drin, verbunden mit der Hoffnung, dass es anders wird. Man muss bedenken, dass wir auch ein sehr schweres Auftaktprogramm haben. Wir haben in den Spielen davor Moral bewiesen, dafür wurden wir vor einigen Tagen auch noch gelobt. Fakt ist, wir haben noch immer nicht die gefestigte Einheit, sodass wir in jedem Spiel auch alles abrufen könnten.

Sie haben vor der Saison gesagt, es seien Spieler ausgewählt worden, die dem Druck stand halten. Das sah gegen Kray nicht so aus.

Harttgen: Ich glaube nicht, dass es eine spezielle RWE-Situation war. Es war die klassische „David gegen Goliath“-Konstellation. Und da muss man im Spiel die Geduld aufbringen, um gegen solche Mannschaften erfolgreich zu sein und auch mal eine Schüppe drauflegen. Ich will nicht alles in Frage stellen, aber in drei Spielen zehn Gegentore zu kassieren, das ist einfach zu viel. Die Erwartungshaltung ist hier etwas kompliziert: Einerseits wollen wir hier mittelfristig etwas aufbauen, andererseits müssen wir auch kurzfristig Resultate bringen, diesen Spagat versuchen wir gerade hinzubekommen.

Einfache Ballverluste und unnötige Foulspiele setzen unter Druck

Einer der jüngsten Kritikpunkte der Fans ist, dass ein Spielsystem vermisst wird. Wofür steht diese RWE-Mannschaft?

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Harttgen: Wir wollen schon versuchen, aktiv zu sein im Spiel, um unsere Stärken in der Offensive auszuspielen. Aber wenn wir dann offensiv agieren, müssen wir auch die Balance für die Defensive finden. Alle spüren doch, dass die Mannschaft etwas kann, dass Spieler dabei sind, die Qualität mitbringen. Aber wir müssen auch die Feinheiten hinbekommen, dass auch diese Automatismen funktionieren. Wenn wir abgewartet hätten gegen Kray, dann hätte das doch auch keiner verstanden.

Die Kritik fokussiert sich momentan auf den Torhüter und auf die Innenverteidigung. Zurecht?

Harttgen: Die Probleme beginnen doch schon viel weiter vorne, da sind einfache Ballverluste, unnötige Foulspiele, die es dem Gegner leicht machen, uns unter Druck zu setzen. Da müssen wir noch enger, kompakter und geschickter agieren und die Mannschaftsteile sich noch mehr unterstützen.

Gefühlt hat der Kader ganz viele Sechser, ein paar, die die Acht spielen können, aber keinen Zehner. Ein Versäumnis?

Harttgen: Wir haben drei oder vier offensive Spieler, dazu noch zwei offensive Mittelfeldspieler, diese Variabilität müssen wir nutzen, dass diese Spieler während einer Partie noch mehr im Wechsel sind, da müssen wir noch etwas mutiger agieren.

RWE will mit Partnerverein Essener Spieler in Essen halten 

Als es zum Saisonende darum ging, die U23 vom Spielbetrieb abzumelden, hieß es, man wolle zeitnah einen Kooperationsverein präsentieren. Seitdem ist es still um dieses Thema geworden.

Harttgen: Aus den bekannten Gründen: Außergewöhnliche Umstände beim ETB Schwarz-Weiß haben dazu geführt, dass es nicht dazu kam. Es ging uns um eine inhaltliche Kooperation, um die Idee, Spieler aus Essen in Essen zu halten. Das war eine besondere Idee, die von beiden Seiten auch getragen wurde, Das ist auch nach wie vor unser Ziel, jemanden hierfür zu finden. Doch dazu braucht man auch einen verlässlichen Partner.

Nun kommt am Freitag mit der U23 von Borussia Mönchengladbach eine spielstarke Mannschaft, die in der Vergangenheit nicht gerade zu den Lieblingsgegnern gezählt hat. Was erwarten Sie da von Ihrem Team?

Harttgen: Ich möchte eine Reaktion sehen, dass die Mannschaft mir zeigt, dass sie etwas gutmachen will. Ich möchte ein Team auf dem Platz erleben, das mutig auftritt, das die Aufgabe entschlossen angeht, den Gegner zu bekämpfen und so auch Akzente setzen kann. Wir wissen aber auch um die Spielstärke der Gladbacher, darum, dass es keine einfache Aufgabe wird.

Sie sind jetzt gut ein halbes Jahr hier im Ruhrgebiet, haben Sie sich inzwischen eigentlich eingelebt?

Harttgen: Ich wohne jetzt in Rüttenscheid, alles sehr nett, das Parken ist natürlich ein großes Problem, (lachend) wenn einer einen Stellplatz zur Verfügung hat - bitte melden!