Essen. Schon wieder kassieren die Rot-Weißen beim 1:1 gegen Münster ein spätes Gegentor. Dennoch zeigt der Gastgeber vor rund 10000 Zuschauern eine starke Leistung.
Auf der Anzeigetafel im Georg-Melches-Stadion verharrt die Uhr bei „90:07”. Doch noch rollt der Ball. Nachspielzeit! Oh Mann, drei Minuten können verdammt lang sein. Die Fans sehnen sich nach dem Schlusspfiff. Schließlich führen die Rot-Weißen mit 1:0. Verdient, ohne Zweifel. Doch Münster ist in der letzten halben Stunden stärker geworden. Viele Zuschauer auf der Haupttribüne hält es in der Schlussphase nicht mehr auf den Sitzen. „Abpfeifen”, fordern sie vehement.
Vergeblich.
Plötzlich zappelt der Ball doch noch im Essener Netz. Die Gäste in Grün jubeln ausgelassen über ihr spätes Glück. Rot-Weiß indes ist fertig, völlig fertig. Konsterniert und fassungslos. Weil sie so hart gearbeitet hatten, wie wohl noch in keinem Spiel zuvor in dieser Saison. Und sich nun trotzdem mit einem kargen Lohn zufrieden geben mussten.
Diese Gegentore in der Schlussphase kennen sie an der Hafenstraße seit Jahren. Mittlerweile ist es ja schon fast ein Trauma. Immer wieder diese Rückschläge in den letzten Minuten. Das Personal wurde inzwischen mehrmals gewechselt, doch diese „Last-Minute-Tore”, sie sind geblieben. Das Glück spielt natürlich immer eine Rolle, der Zufall nicht minder. Aber diese unkalkulierbaren Faktoren sind selten die alleinige Ursache. Das war auch gegen Münster so.
„In der Endphase hat die Mannschaft nicht mehr genau gewusst, was sie machen sollte”, räumte RWE-Trainer Uwe Erkenbrecher ein. RWE hatte die Kontrolle verloren und reagierte nur noch. Dieses unsichere Zaudern, dieses Zögerliche wurde der Mannschaft zum Verhängnis.
Münster drosch den Ball einfach nach vorn. RWE-Abwehrmann Sebastian Zinke ließ den Ball am eigenen Strafraumeck fahrlässig auftupfen, anstatt die Situation energisch zu klären. Sogleich wurde er von zwei Grünen bedrängt, die dadurch noch einen Eckball für sich erzwangen. „Es war ein schwieriger Ball”, versuchte Zinke später zu erklären. „Ich versuche noch den Körper dazwischen zu bekommen und den Ball wegzuschießen. Das hätte man besser machen können”, gestand Zinke, der anschließend wie ein armer Sünder im VIP-Zelt saß.
Doch er allein war sicher nicht verantwortlich für den Ausgleich, der dann ziemlich kurios zustande kam. Der Ball flog von der Ecke mitten in die Vollversammlung im RWE-Strafraum. Der aufgerückte Preußen-Torwart David Buchholz versuchte es mit einem Fallrückzieher. Dann zog Marvin Bakalorz ab. Und traf den eingewechselten Wojciech Pollok, der nur den Fuß hinzuhalten brauchte.„Wenn der gegnerische Torwart mit aufrückt, ist immer Chaos im Strafraum”, stellte RWE-Kapitän Denny Herzig fest. Die zuvor so konzentrierte und kompromisslose Essener Abwehr, die sich kaum eine Blöße gab, verlor in dieser letzten Szene völlig die Übersicht.
Eine Stunde lang hatte der Gastgeber den Widersacher mächtig unter Druck gesetzt, hatte den Gästen auf den Füßen gestanden und die meisten Zweikämpfe mit robuster Entschlossenheit für sich entschieden. Die gegnerische Spielkultur wurde im Keim erstickt. Und das 1:0 durch Sascha Mölders, der geschickt von Mike Wunderlich mit der Hacke bedient wurde, war eine logische Konsequenz.
RWE hätte die Partie danach entscheiden müssen. Pech, dass Mölders nur die Unterkante der Latte traf (71.), Unvermögen, dass Dirk Heinzmann den Abpraller aus zehn Metern rund zwei Meter über das leere Tor köpfte. Wunderlichs Freistoß (80.) fischte SC-Keeper Buchholz heraus. Zu diesem Zeitpunkt aber hatte das Zittern bei Rot-Weiß längst begonnen.
Trainerstimmen:
Roger Schmidt (Münster): Wir sind sehr glücklich, dass wir einen Punkt gerettet haben. Wir können mit dem Unentschieden leben. Erst recht, wenn der Ausgleich so spät fällt. In der ersten Halbzeit war es ein verteiltes Spiel mit Chancen auf beiden Seiten. Mit unser fußballerischen Leistung war ich da nicht zufrieden. Wir haben uns dann aber nach dem 0:1 befreit und um den Punkt gekämpft. Und ihn uns auch letztlich verdient.
Ralf Aussem (RWE): Wenn man in der 93. Minute den Ausgleich kassiert, ist das immer ärgerlich. Ich weiß auch nicht, warum drei Minuten nachgespielt wurden. Aber wir dürfen es jetzt nicht auf den Schiri schieben. Wir hatten die Chance, den Sack zuzumachen. Wir waren vor dem Ausgleich im Ballbesitz, verursachen dann einen unnötigen Eckball. Mit ein bisschen mehr Cleverness schlägt man den Ball da einfach über die Tribüne.
Rot-Weiß - Preußen Münster 1:1 (0:0)
RWE: Himmelmann – Broniszewski, Herzig, Zinke, Bührer – Neumayr (72. Schnier), Wunderlich, Neubauer, Lemke – Heinzmann (77. Caspers), Mölders (87. Stachnik).
Schiedsrichter: Felix Zwayer (Berlin). Zuschauer: 10 022.
Tore: 1:0 Mölders (48.), 1:1 Pollok (90.+3).