Essen. Felix Götze hat mit Rot-Weiss Essen Platz drei erobert. Im Interview spricht der 25-Jährige über die RWE-Fans und zieht Vergleiche.
Felix Götze (25) macht einen sehr gelösten Eindruck, als wir ihn in einer der Logen im Stadion an der Hafenstraße zum Interview treffen. Rot-Weiss Essen hat nach dreitägiger Pause wieder das Training aufgenommen. Aktuell fällt es Götze und seinen Kollegen nicht schwer, zur Arbeit zu erscheinen. Denn RWE ist das Team der Stunde in der 3. Liga. Fünf Siege in Folge haben den Essenern den Relegationsplatz beschert. „Es läuft“, sagt ein strahlender Götze zu Beginn des Gesprächs. Der frühere Bundesligaspieler fühlt sich wohl in Essen. Die Gründe dafür erläutert er sehr ausführlich. Ein Interview über die überraschend positive Entwicklung von Rot-Weiss Essen, die sportliche Zukunft und die RWE-Fans, die er mit den Anhängern seines Ex-Klubs 1. FC Kaiserslautern vergleicht.
Felix Götze, vor der Saison hieß es von Ihrer Seite, dass Sie sich im Mittelfeld am wohlsten fühlen, jetzt sind Sie in der RWE-Abwehrzentrale aber unverzichtbar geworden. Ist das der Fluch der guten Tat?
Felix Götze: Im Sommertrainingslager habe ich tatsächlich gesagt, dass ich mich auf der Acht am wohlsten fühle. Aber aktuell fühle ich mich auch hinten wohl. Es ist nicht so, dass ich ungern im Abwehrzentrum spiele. Ich habe in der Jugend sehr häufig als Innenverteidiger gespielt. Deshalb bin ich für diese Position ganz gut geschult und es macht mir aktuell auch einfach Spaß. Wenn man gewinnt, ist es natürlich immer so.
Felix Götze über RWE-Entwicklung: „Ich bin sehr überzeugt“
Lassen Sie uns zunächst über das für Sie Erfreuliche reden: Rot-Weiss Essen hat einen Lauf. Fünf Siege in Folge sind eine echte Ansage. Was macht RWE aktuell so stark?
Das Quäntchen Spielglück spielt auch eine Rolle. Wir haben drei Spiele in der 90. Minute gewonnen (Münster, Duisburg, Bielefeld, Anm. d. Red.). Wenn man ein Spitzenteam sein will, muss man auch solche Spiele gewinnen. Ich bin sehr überzeugt von dem, was wir gerade machen. Es macht aktuell Spaß, uns zuzugucken, weil wir sehr viel spielerisch lösen. Ich bin da ein Riesenfreund von. Mir macht das viel Spaß, so muss das für mich aussehen. Wir spielen das gut, etwas Risiko ist dabei, aber nicht zu viel. Wir machen gerade wenig Fehler.
Zu Beginn der Saison war das nicht der Fall. Fühlt sich die Mannschaft bestätigt, die spielerische Linie durchgezogen zu haben?
Man kann es so oder so sehen. Es kann durchaus passieren, dass in den nächsten Spielen mal ein Ball durchrutscht. Ich bin gegen Bielefeld ausgerutscht, da hätten wir ein Tor kassieren können. Da ist etwas Risiko dabei, aber man muss ein Fußballspiel auf lange Sicht sehen, dann setzt sich meistens das Fußballerische durch. Das hat man in den letzten Jahren in der 3. Liga mit Magdeburg und Elversberg gesehen, die einen guten Ball gespielt haben und damit auch erfolgreich waren. Bei langen Bällen nach vorne ist viel Glück nötig. Gegen Waldhof Mannheim haben wir unser Spiel durchgezogen, waren sehr geduldig und konnten uns in der 2. Halbzeit belohnen. Wir haben gerade eine gewisse Selbstverständlichkeit. Jeder ist aktuell überzeugt. Das hilft enorm weiter.
Das sah vor einigen Wochen nicht danach aus. Nach den Klatschen gegen Unterhaching und Verl drohte die Stimmung zu kippen. Was ist danach passiert? Ist die Mannschaft enger zusammengerückt?
Das auf jeden Fall. Nach dem 0:4 in Unterhaching war eigentlich schon zu erwarten, dass zuhause umgedacht werden muss. Das hat dann nicht geklappt. Gegen Verl konnte ich nur zuschauen. Wir sind vorne mit einigen Leuten angelaufen, standen aber mit der Kette zu weit hinter der Mittellinie. Dann wird es schwer, wenn man dem Gegner die Räume gibt. Wir haben aktuell in der Defensive eine gute Geschlossenheit. Jetzt stehen wir sehr kompakt, laufen zusammen an. Oder wir lassen uns geschlossen fallen. Wenn man in dieser Liga defensiv gut steht, sind das schon 60, 70 Prozent.
Felix Götze: Gab keinen Bruch bei Rot-Weiss Essen
Nach dem Verl-Spiel gab es die Trennung von Kapitän Felix Bastians. Wie hat sich das Team danach entwickelt? Wer hat neben Nachfolger Vinko Sapina die Führungsrollen übernommen?
Vinko macht einen super Job. Wir als Mannschaftsrat versuchen auch voranzugehen. Ich denke, dass es jeder geschafft hat, etwas Verantwortung zu übernehmen. Ich verstehe mich hier mit jedem. Das Team ist intakt. Es ist nicht so, als wäre es zu einem Bruch gekommen.
Sehen Sie sich auch in der Pflicht, nicht nur durch Leistung auf dem Platz zu führen?
Ja. Auf meiner derzeitigen Position ist es umso wichtiger, viel zu reden. Durch Kommunikation kann man sehr viele Situationen auf dem Platz noch besser lösen. Das ist ein wichtiger Faktor und ich möchte auf jeden Fall mehr Verantwortung übernehmen, das macht mir auch Spaß. Mit guter Leistung macht man das zum Teil auch.
+++ Rot-Weiss Essen hat auch beim Personal einen positiven Lauf +++
Die Fans schauen aktuell mit großer Freude auf die Tabelle. Platz drei nach 15 Spielen ist eine Hausnummer. Hat die Mannschaft das Potential, um bis zum Ende oben mitzumischen?
Ich bin von unserer Qualität definitiv überzeugt. Es tut uns gut, dass wir aktuell eine gestandene Elf auf dem Platz haben, die eingespielt ist. Es wird aber nicht einfach. Die nächsten Gegner sind Ingolstadt, Sandhausen und 1860 München. Das sind alles richtig gute Teams, die in der Tabelle höher stehen könnten. Es kommen einige Bretter auf uns zu.
Gegen Ingolstadt hat Rot-Weiss Essen in der letzten Saison in beiden Spielen in der Schlussphase den Sieg verschenkt. In dieser Saison gewinnt RWE die Spiele in der Nachspielzeit. Ist ein Lernprozess eingetreten?
Man sieht es immer wieder bei den guten Mannschaften in verschiedenen Ligen. Wenn du oben mitspielen willst, musst du auch auf diese Weise deine Punkte holen und nicht abgeben. Gegen Regensburg haben wir zum Beispiel richtig gut gespielt, trotzdem hat der Gegner einen Punkt mitgenommen. Deshalb sind die auch oben. Das sind kleine Sachen, die am Ende entscheidend sein können.
Sie persönlich spielen eine richtig gute Saison. Das bleibt auch anderen Vereinen nicht verborgen. Im Sommer läuft Ihr Vertrag in Essen aus. Möchten Sie bleiben? Von welchen Faktoren machen Sie das abhängig?
Ich bin jetzt 25 und bin erstmals in meiner Karriere komplett stabil, ohne Verletzungsprobleme. Ich fühle mich richtig gut. Am Tag nach den Spielen geht es mir super. Das genieße ich gerade. Umso schöner ist es, dass aktuell auch die Ergebnisse stimmen. Wenn wir es schaffen, unser Potential weiter abzurufen, können wir weiter oben mitspielen. Ich genieße den Moment.
+++ Rot-Weiss Essen: Felix Götze macht den RWE-Fans Hoffnung +++
Trotzdem machen Sie sich Gedanken über Ihre sportliche Zukunft, oder?
Das schon, aber es ist für konkrete Gespräche noch etwas zu früh. Wir wollen uns Anfang des nächsten Jahres zusammensetzen, das haben wir so besprochen. Bis dahin haben wir das beiseitegeschoben. Ich fühle mich wohl, stehe hier immer auf dem Platz. Ich kann vorangehen, das mache ich auch gerne. Wir haben uns im Sommer super verstärkt. Geiles Stadion, tolle Fans, ich bin in der Heimat: Es sprechen schon sehr viele Punkte für Essen. Aber wie gesagt, wir haben noch etwas Zeit.
Sie sind ein Kind des Ruhrgebiets, wurden in Dortmund groß, spielen jetzt in Essen. Wie wichtig ist Ihnen der Pott?
Ich bin in Dortmund geboren, irgendwie ist das in mir drin. Ich bin darauf auch stolz. Viele Jahre war ich auch weg. In Kaiserslautern war ich erstmals allein, ohne Familie. Ich hatte dann eine schwere Zeit, als ich plötzlich nicht mehr gespielt habe. Das lief nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Deshalb war es umso schöner, wieder hier zu sein. Ich wohne in Dortmund, bin mit meinem besten Kumpel in einer WG, meine halbe Familie ist hier. Meine Leistung ist aktuell gut. Ich glaube, dass das auch ein wichtiger Grund ist. Ich bin persönlich so, mir tut das gut. Ich genieße das jetzt.
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Auch für Trainer Christoph Dabrowski läuft es aktuell gut. Das war vor allem zum Ende der letzten Saison ganz anders. Die Kritik an seiner Person war enorm. Wie hat die Mannschaft diese schwere Phase wahrgenommen?
Es war auf jeden Fall nicht einfach. Ich habe großen Respekt davor, dass er das alles so gut durchgezogen hat. Das könnte nicht jeder. Dazu braucht man einen starken Charakter, die Rufe waren nicht zu überhören. Ich freue mich für ihn, dass es nun besser läuft. Man braucht in der Liga auch individuelle Qualität, um Siege einzufahren und so zu spielen, wie wir das möchten. Das hat uns in der letzten Saison vielleicht etwas gefehlt.
Ihr neuer Co-Trainer Paul Freier wird sehr häufig gelobt. Was hat er in diese Mannschaft reingebracht? Spielt es eine Rolle, dass man einen Ex-Nationalspieler vor sich hat?
Ich mag ihn wirklich gerne. Es war vom ersten Tag an so, als würde ich ihn schon ewig kennen. Er bringt eine gewisse Lockerheit mit rein, ist immer locker drauf, hat gute Sprüche. Er ist rundum ein guter Typ. Natürlich weiß man auch, was er als Spieler erreicht hat. Wenn er dir was sagt, nimmt man das schon anders wahr.
Lassen Sie uns über die RWE-Fans reden. Sie haben schon beide Extreme erlebt: aktuell die Euphorie, in der letzten Saison phasenweise die scharfe Kritik. Wie kommen Sie damit klar?
Einfach ist es auf jeden Fall nicht. Es ist häufig hopp oder top. Aber die Fans können eine große Wucht entwickeln. Normalerweise blende ich im Spiel alles aus und höre die Fans deshalb nicht. Bei einem der letzten Heimspiele, gegen den 1. FC Saarbrücken, ist es mir im Spiel richtig aufgefallen. Das war richtig geil. Wenn wir unten Gas geben, belohnen uns die Fans mit toller Stimmung.
Felix Götze hofft auf Stadionausbau bei Rot-Weiss Essen
Sie haben in Sachen Fans schon einiges erlebt, unter anderem am legendären Betzenberg in Kaiserslautern. Was zeichnet die Fans von Rot-Weiss Essen aus?
Der Betzenberg ist ein riesiges Stadion, da passen noch viel mehr Leute rein. Aber der Stadionausbau kommt in Essen hoffentlich. Wenn die Ecken zu sind und 26 bis 28.000 Leute an der Hafenstraße sind, brennt das hier umso mehr. Mir fällt es jetzt schon im Spiel auf. Es ist kaum vorstellbar, wie die Stimmung dann sein wird.