Essen. Wichtiges Duell: RWE kann letzte Zweifel beseitigen, SV Meppen will die letzte Chance nutzen – und so die verrückte Saison doch positiv beenden?
Die Ems ist ein ruhiges Flüsschen. Von Ostwestfalen schlängelt sie sich nach Nordwesten, durch flaches Land, schöne Natur, beschauliche Örtchen. Sie fließt auch durch Meppen, dreht dort ein Extra-Schleifchen, es gibt halt viel zu erleben dieser Tage in der Kreisstadt. Der SV Meppen spielt derzeit seine sechste Drittliga-Saison und es wäre eine gnadenlose Untertreibung, wenn man diese turbulent nennt.
Der Saisonstart war noch gut. Sieben Punkte aus vier Spielen, das sah doch vielversprechend aus. Es folgte ein Einbruch sondergleichen, 17 sieglose Partien in Folge. Von August bis Februar klappte kaum etwas beim SVM. Trainer Stefan Krämer durfte trotzdem bleiben, ehe der erlösende Sieg gegen 1860 München gelang. Drei Spiele später war Krämer dann doch Geschichte.
Rot-Weiss Essens Gegner SV Meppen erlebt eine Saison zum Vergessen
Im Umfeld brodelte es, die Unzufriedenheit: riesengroß. Die Kritik richtete sich vor allem gegen Sportvorstand Heiner Beckmann und Geschäftsführer Ronald Maul. Die zauberten schließlich am 7. März einen neuen Trainer herbei, mit dessen Unterschrift man im Wettbüro eine Menge Geld hätte machen können: Ernst Middendorp. Niemand konnte mit dessen Verpflichtung rechnen.
Der 64-jährige Haudegen, zur Blütezeit „Power-Ernst“ genannt, trainierte zuletzt 2009 in Deutschland, und zwar Rot-Weiss Essen. „Wir sind überzeugt, dass Ernst Middendorp uns in der jetzigen Situation mit seiner enormen Erfahrung direkt helfen kann“, erklärte Sportvorstand Beckmann.
Nach seiner Zeit bei RWE zog es Middendorp zunächst nach Zypern, dann nach Thailand, Afrika. 13 Klubs coachte er zwischen 2009 und dem Engagement beim SV Meppen, für den er sein Amt beim südafrikanischen Erstligisten Swallows FC aufgab.
Schlucken mussten die Meppener Fans ob der Verpflichtung. Die aufgebrachten Gemüter konnten erst beruhigt werden, als wenige Tage nach dem Middendorp-Coup Thilo Leugers als Sportlicher Leiter vorgestellt wurde. Der „Local Hero“ sollte bis Sommer Strukturen schaffen, die perspektivisch zu einer Neubesetzung des Sportlichen Leiters führen sollten. Leugers warf aber schon nach fünf Wochen genervt hin.
Meppen gewinnt zweimal – geht doch noch was?
Auf dem Platz wurde es nicht besser, die Mannschaft: Tabellenletzter. Chaotische Zustände an allen Ecken und Enden. Längst hatten sich die Anhänger, manch einer ertrug das Schauspiel nur mit Galgenhumor, mit der Regionalliga angefreundet. Bis zum vergangenen Wochenende. Plötzlich kramten sie ihre Taschenrechner heraus.
Lesen Sie hier: So lief das Hinspiel zwischen RWE und dem SV Meppen.
Der abgeschlagene SVM lebt noch, hat an den jüngsten zwei Spieltagen die Topteams 1. FC Saarbrücken (1:0) und Wehen-Wiesbaden (2:1) geschlagen. Die Meppener haben den letzten Platz verlassen, sie dürfen wieder leise hoffen. Als „Mysterium“ umschrieb Mittelfeldroutinier Willi Evseev die neue Stärke.
Diese liegt wohl auch darin, dass es sich in aussichtsloser Lage befreiter aufspielen lässt. Ein bisschen Glück war auch dabei, das Siegtor gegen Saarbrücken fiel in der Nachspielzeit, beim Siegtor gegen Wehen stand Marvin Pourié im passiven Abseits und versperrte dem Torhüter die Sicht.
Interessiert niemanden, klar. Fünf Punkte beträgt der Rückstand auf den rettenden sechzehnten Tabellenplatz nur noch. Vier Partien stehen aus – das Heimspiel an diesem Samstag gegen RWE ist ein Endspiel, das diesen Namen ausnahmsweise wirklich verdient hat (14 Uhr/Hänsch-Arena/Magentasport).
Der Klassenerhalt wäre ein Wunder für den SV Meppen
So gut es zuletzt gegen die Teams von oben klappte, so schlecht lief es aber gegen die Konkurrenten im Abstiegskampf. Von den heutigen Kellerkindern schlug der SVM lediglich den FSV Zwickau – am zweiten Spieltag war das.
- Rot-Weiss Essen: Dabrowski über „das größte Manko“.
- Spielabbruch in Zwickau: Drei Punkte für Rot-Weiss Essen.
- RWE: Götze ist wieder fit und visiert den Dreier in Meppen an.
Es dreht daher auch kein Blau-Weißer durch, der Klassenerhalt wäre natürlich ein Wunder. Aber der Fußball hat ja schon viele dieser wundersamen Geschichten geschrieben, zumal beim SV Meppen. Zwölf Jahre hielt sich der Traditionsklub zwischen 1987 und 1998 in der zweiten Bundesliga.
Zu Beginn der Zweitliga-Jahre bestand das Team zum Teil aus Halbprofis. Sie haben es allen gezeigt, sich die Gummistiefel nicht ausziehen lassen, wie gegnerische Fans höhnisch forderten. In der Runde 1994/95 spielte Meppen gar um den Bundesliga-Aufstieg mit. Der SVM war sympathisch und cool, bevor dieser Begriff in Deutschland die Runde machte.
Und so dürfte in Toni Schumachers legendärem Bonmot auch ein gewisser Respekt gesteckt haben: „Ich fahr doch nicht nach Meppen!“ Das sagte der Torhüter-Grande, als er 1988 mit Schalke in die zweite Bundesliga abgestiegen war. Zu diesem Zeitpunkt trainierte Ernst Middendorp Arminia Bielefeld, aber diese Geschichte soll ein ander Mal erzählt werden.