Essen/Berlin. Es ist eine besondere Geschichte. Kevin Behrens klopft mit Union Berlin ans Tor zur Königsklasse, bei Rot-Weiss Essen wurde er nicht glücklich.

Kevin Behrens (32) war sauer. Unmittelbar nachdem der Stürmer von Union Berlin am vergangenen Wochenende im Bundesligaspiel bei Borussia Dortmund das 1:1 erzielt hatte, wurde er von seinem Trainer Urs Fischer ausgewechselt. Enttäuscht setzte sich Behrens auf die Bank und gestikulierte. Gefallen hatte ihm die Entscheidung nicht, das war zu sehen. Nach der 1:2-Niederlage im Topspiel beim BVB gab er das auch zu: „Klar ärgert mich meine Auswechslung“, sagte er.

Kevin Behrens wurde bei Rot-Weiss Essen suspendiert

Behrens ist dafür bekannt, dass er häufig das ausspricht, was er denkt. Ein Spieler, wie sie immer seltener werden, einer mit Ecken und Kanten. Zu Beginn seiner Karriere brachte ihm das auch Probleme ein. In der Saison 2015/16 spielte der gebürtige Bremer für Rot-Weiss Essen in der Regionalliga. Nach wenigen Monaten wurde sein Vertrag beim Revierklub aufgelöst. Sportlich konnte er zwar phasenweise überzeugen, doch er geriet mit den Vereinsverantwortlichen aneinander. Den damaligen RWE-Trainer Jan Siewert soll er in der Kabine mit nicht zitierfähigen Worten beschimpft haben. In Essen erlebte Behrens ein Fiasko. Der Tiefpunkt einer ungewöhnlichen Laufbahn, die anschließend mächtig Fahrt aufnehmen sollte.

Bei Rot-Weiss Essen erlebte Kevin Behrens keine erfreuliche Zeit.
Bei Rot-Weiss Essen erlebte Kevin Behrens keine erfreuliche Zeit. © WAZ | Michael Gohl

Heute ist Kevin Behrens ein wichtiger Bestandteil des Fußball-Bundesligisten Union Berlin. Vor dem Heimspiel am Sonntag (17.30 Uhr, DAZN) gegen den VfL Bochum steht der Klub aus Köpenick auf Platz drei und hat gute Chancen, in der kommenden Saison in der Champions League zu spielen.

Sieben Saisontore für Kevin Behrens

Die Hoffnungen der Berliner liegen dabei vor allem auf Behrens. Denn der 32-Jährige ist in der Form seines Lebens. In den letzten drei Ligaspielen hat er getroffen, insgesamt steht der Angreifer nun bei sieben Saisontoren. Fünf davon erzielte er nach der WM-Pause. Im Februar wurde sein Vertrag um eine weitere Saison verlängert. „Mit seiner körperlichen Robustheit und Kopfballstärke hilft er uns sehr“, sagte Unions Geschäftsführer Oliver Ruhnert damals über seinen aktuell gefährlichsten Stürmer, der derzeit das Formtief seines Kollegen Sheraldo Becker kompensiert.

Behrens war eine klassische Verpflichtung des früheren Schalkers Ruhnert, der einige Spieler holte, die ihr volles Potenzial erst bei Union unter Trainer Urs Fischer ausschöpfen konnten. Einen normalen Weg zum Bundesliga-Profi nahm Behrens freilich nicht. Seinen Anfang im Seniorenbereich machte er 2010 in der Bremenliga – für die dritte Mannschaft von Werder Bremen. Es folgten mehrere Stationen in der vierten Liga, ehe Behrens im Alter von 27 Jahren in die 2. Bundesliga wechselte.

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2021 steckte der hünenhafte Angreifer (1,92 Meter) mit dem SV Sandhausen dort noch im Abstiegskampf. Nun klopft er in seiner zweiten Saison in der Hauptstadt mit Union ans Tor zur Königsklasse. Sein Erfolgsrezept: „Nie aufgeben, immer dran arbeiten, immer was tun für sich auch körperlich vor und nach dem Training, immer dran glauben. Und dann die Chance nutzen, wenn man sie bekommt“, sagt Behrens.

Wehmut bei Rot-Weiss Essen

In Essen wird der steile Aufstieg des einst gescheiterten Stürmers mit Interesse und einer großen Portion Wehmut verfolgt. Viele Fans fragen sich, warum es bei RWE nicht geklappt hat. „Das lässt sich nur schwer erklären“, sagte Essens Vorstandsvorsitzender Marcus Uhlig vor einigen Wochen im Gespräch mit dieser Redaktion. „Natürlich wäre es eine Nummer, wenn Kevin Behrens über Jahre bei Rot-Weiss Essen geblieben wäre und jetzt noch für uns spielen würde. Aber manchmal ist das so im Fußball, in einer Karriere. Das ist kein exklusives RWE-Problem.“

Sportliche Gründe waren es nicht. Behrens gab später in einem Interview zu, dass er sich im Ruhrgebiet „einfach nicht wohl gefühlt“ habe. Er habe noch etwas erreichen wollen in seinem Leben. Und schließlich kam „ein bisschen Glück dazu“, dass Union Berlin ihn genommen hat – mit allen Ecken und Kanten.