Essen. Essener Regionalligist feiert Sieg im ersten Testspiel gegen Bocholt und verabschiedet zwei „Legenden“. Traditionsklub erlebt bewegenden Abend.

Die Vorbereitung bei Rot-Weiss Essen läuft, der erste öffentliche Auftritt war mit dem 2:0 (0:0) gegen den ambitionierten Oberligisten 1. FC Bocholt erfolgreich. Auf dem Papier war es nur das erste von sieben Testspielen im Rahmen der Vorbereitung. Aber dieser Abend an der Hafenstraße hatte weitaus mehr zu bieten als nur Fußball. Jeder spürte an diesem Tag, was diesen Traditionsklub auch noch eigen ist: Gefühl, ganz viel Gefühl

Normalerweise hätte man diese Partie absagen können. Die Wetterfrösche irrten nicht, es goss wie aus Eimern, die Spieler patschten zum Teil über den Rasen - kein wirkliches Vergnügen. Dennoch kamen zum Aufgalopp stolze 2500 Zuschauer ins Stadion. Zu einem Testspiel gegen einen klassentieferen Gegner! Allein das ist bemerkenswert. Und hätte die Sonne gelacht, es wären noch mehr geworden.

Rot-Weiss Essen endlich wieder vor größerer Kulisse

Die Fans kämpften sich tapfer durch die Regenfäden und niemand regte sich über das Scheißwetter auf. Endlich wieder ins Stadion. „Heute war es das erste Mal für die meisten von uns, dass sie wieder vor Fans gespielt haben“, sagte RWE-Trainer Christian Neidhart, der es wie alle anderen genoss und mit Blick auf die Neuzugänge sagte: „Das ist ganz gut, dass sie jetzt wissen, was an der Hafenstraße so passiert.“

Zugegeben, es war ja kein gewöhnliches Testspiel, sondern mehr ein „Endspiel“, was spätestens in der Schlussphase und danach deutlich wurde. Das gut aufgelegte Publikum war beseelt vom Abschied der „Legenden“ Kevin Grund und Marcel Platzek. „Ein super Rahmen für die beiden, und mit dem Tor zum Schluss - perfekt für Platzo“, schwärmte selbst Neidhart.

Drehbuch am Ende mit einer besonderen Pointe

Nach dem späten und sehenswerten Treffer von David Sauerland (87.) hatte das Drehbuch noch ein außerordentliche Pointe vorgesehen. Grund und Platzek waren wie geplant bei Bocholt kurz vor Schluss ausgewechselt worden und durften noch einmal für ihren geliebten Ex-Klub ran, dem sie ein Jahrzehnt lang gedient hatten. Und plötzlich fällt Platzek tatsächlich der Ball im Strafraum vor die Füße, so dass er nur noch einzuschieben brauchte zum 2:0 (90.). Unglaublich, fast kitschig schön.

„Den ganzen Tag wusste ich schon, das kann emotional werden und das wurde es dann auch“, erzählte der Torschütze. „Es war ein guter Kick und hat Spaß gemacht. Wir haben auch ein gutes Spiel gemacht“, so der Stürmer, der nun Bocholt meinte. „Dann landet der Ball vor meinen Füßen, das war natürlich geil“, schilderte Platzek und legte grinsend nach: „Ob mein Trainer das jetzt so toll findet…..?“.

Mannschaften stehen Spalier für die Protagonisten

Nach Schlusspfiff wurde es richtig emotional. „Der Abschied von den Jungs, von den Fans, das war schon einmalig und unbeschreiblich“, fand Platzek. Gänsehaut-Momente. Alle Spieler warteten und schauten geduldig vor dem Kabinentunnel zu, bildeten schließlich ein Spalier für die Protagonisten, die sich anschließend bei jedem einzelnen Essener bedankten. Und als die gesamte RWE-Mannschaft am Ende zu den Fans ging, forderte Grund seine neuen Kollegen auf, einfach mitzukommen. So ist er, der „Kev“.

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„Ich hätte nicht gedacht, dass ich so emotional werde mit Tränen und so“, sagte Kevin Grund, der sichtlich schlucken musste. „Ich hatte gedacht, mit den paar Wochen nach der Entscheidung hätte sich das ein bisschen gelegt. Aber daran sieht man einfach, dass es für mich keinen anderen Verein gibt, auch wenn ich bei Bocholt bin, worauf ich sehr stolz bin. Das ist auch eine super Truppe und es macht dort richtig Spaß.“ Seine Frau habe ihn einen Tag vor dem Spiel gefragt, wie er sich fühle.

„Kriege ich schon hin, habe ich geantwortet.“ Doch als Platzek und Grund mit ihrem Nachwuchs von den Fans gefeiert wurden, war’s dann doch zu viel. „Dann kam alles wieder hoch. Ein unfassbarer Abend.“

Ungewohnte Probleme für Kevin Grund

Und wie sieht es aus in der Gäste-Kabine? „Durch Corona kenne ich die ja ein bisschen. Aber ohne Witz, ich hatte ein paar Probleme, als ich mit dem Bus gekommen bin. Ich bin oben rein ins Stadion, den Weg kannte ich gar nicht, da musste ich den Jungs hinterhergehen. Komisches Gefühl.“

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Mit mehr Abstand beurteilte Trainer Christian Neidhart den Abend. „Ich hatte jetzt nicht die Erwartungen, dass nach anderthalb Wochen gleich alles super funktioniert, vor allem Dingen stecken den Jungs auch die ersten harten Trainingstage in den Knochen. Ich denke, in den ersten 60 Minuten war es ein normales Testspiel, und wenn du dann durchwechselst, ist klar, dass kein Spielfluss mehr zustande kommt.“ Gestört hat es keinen.

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