Essen. . Im 60. Jahr nach dem größten Triumph der Vereinsgeschichte steht Rot-Weiss Essen schon wieder vor der Zerreißprobe. Sponsoren und die sportlich Verantwortlichen sind sich fremd.
Rot-Weiss Essen befindet sich noch immer im Jahr des „Rahnsinns“. In wenigen Wochen jährt sich zum 60. Mal der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. Und von damals, es war das Jahr 1955, weht die Aussage eines Transparentes herüber, das traurige Aktualität besitzt: „Glaubt nicht an Spuk und böse Geister, Rot-Weiss Essen wird Deutscher Meister.“ Vom zweiten Teil ist RWE momentan Lichtjahre entfernt, der erste wird gerade von höchster Stelle ins Gegenteil verkehrt.
Einer für alle, alle für einen
Atemberaubend, welche Entwicklung der Klub, der aus Emotionen in Reinkultur besteht, zur Zeit wieder nimmt. Ist es wirklich erst vier Jahre her, dass Fans mit Vorstand und Trainerteam vor dem Stadion ein Kühles aus der stadtbekannten Hausbrauerei zischten? Einer für alle, alle für einen, der Schulterschluss, der nach der Insolvenz den gesamten Verein ergriff, war in Fußball-Deutschland vielleicht einzigartig. Man hatte eine Philosophie, einen Weg – und man ging ihn gemeinsam.
Und heute? Die Stimmung ist nicht nur auf den Rängen explosiv. In den diversen Foren überschlagen sich die Freiwilligen, die die „beiden Norddeutschen“ lieber heute als morgen sicher zur A2-Auffahrt geleiten wollen. Von den besonderen Fans in den VIP-Räumen, von denjenigen, die jedes Jahr mit ihrem Sponsoring den Verein am Leben halten, hörte man vergangenen Freitag nach der Derby-Schmach Sätze wie diesen: „40 Jahre unterstütze ich nun diesen Verein, bleibt der Trainer, komme ich in der nächsten Saison nicht wieder.“ Da bekommt das Wort „Straßenfeger“, was die Älteren unter uns noch aus der Zeit der Durbridge-Krimis kennen, eine ganz andere Bedeutung.
Sponsoren nicht mitgenommen
Sie fühlen sich bei RWE längst nicht mehr mitgenommen. Und das Schlimmste: Sie können ihren Frust nicht richtig adressieren. Auch nach der Pleite gegen Kray war vom Trainer wie vom Sportvorstand nicht die Spur zu sehen. „Dienst am Kunden?“ Fehlanzeige.
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Nur einer: Michael Welling musste sich den Fragen stellen. Der kann immer nur die Schultern zucken und darauf verweisen, dass das Sportliche nicht (mehr) in seinen Verantwortungsbereich fällt. Der Prof verliert mehr und mehr die Lust am eingeschlagenen Weg, der anfangs so professionell anmutete. Insider befürchten mittlerweile, ihr „Doc1“ könnte zum Saisonende die persönlichen Konsequenzen ziehen.
Viele sehen das Schreckenssezanario: Das Licht am Ende des Tunnels ist nur ein entgegen kommender Zug.
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Dabei gibt es diese Lichtblicke noch: Die U 19 in der A-Junioren-Niederrheinliga macht richtig Laune und zeigt, wie moderner Fußball à la RWE auch aussehen kann. Das Trainerteam um Jürgen Lucas macht einen tollen Job – nur schade, dass es nicht alle mitbekommen. Beim Spiel gegen RWO, in dem es um eine Art Vorentscheidung im Kampf um den Aufstieg zur A-Jugend-Bundesliga ging, war die komplette Oberhausener Sportführung (Trainer, Manager) anwesend. Und von RWE? Kein Fascher, kein Harttgen, sondern die üblichen Verdächtigen: Welling, Teammanager Damian Jamro und – immerhin – Torwarttrainer Manfred Behrendt. Der nahm natürlich besonders Torhüter Moritz Nicolas unter die Lupe, solange er noch Gelegenheit dazu hat. Der gerade 17-Jährige, der auch in diesem Spitzenspiel eine Bärenruhe ausstrahlte, hat längst die Gier der Großen der Branche geweckt. Wie zu hören ist, muss nur noch die Tinte unterm Vertrag mit der Gladbacher Borussia trocken werden.
Wieder ein Talent weniger, nach Bonmann nun Nicolas – alle ausgebildet vom vorzüglichen Torwarttrainer Gregor Pogorzelcyk, der nur kopfschüttelnd sich eines Kommentars enthält, weil er nichts sagen darf. Er selbst wurde Anfang der Saison von der Ersten zurück in die Jugend geschickt. Aber es sind noch andere Talente da: Alpay Cin, der wuselige Mittelfeldspieler, der überall auf dem Feld zu finden ist. Oder Kempes Waldemar Tekiela, ein Schlitzohr wie einst Manni Burgsmüller, mit unorthodoxen Bewegungen, dadurch vor dem Tor brandgefährlich. Oder der ungemein athletische Außenverteidiger Heymann Boh-Traore. Undund.
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Welchen Weg werden sie nehmen nach der Jugend, jetzt, wo die U23 nicht mehr exisitiert? Werden sie das gleiche Schicksal erleiden wie die einst hoch gerühmten Kai Nakowitsch oder Lucas Arenz? Die spielen auf dem Papier zumindest eine eminent wichtige Rolle: Als „U23-Alibis“ auf dem Spielberichtsbogen.
Alles Rahnsinn – oder was?