Düsseldorf. Fortuna-Vorstandschef Dirk Kall blickt auf ein turbulentes Jahr zurück und spricht über den langen Weg des Vereins zu einem etablierten Erstligisten.
Seit Februar ist Dirk Kall der neue starke Mann bei der Fortuna. Der 47-Jährige löste an der Vorstandsspitze Peter Frymuth ab. Im Interview blickte Kall auf ein turbulentes Jahr zurück und sprach über seinen ehrgeizigen Plan, die Fortuna in den kommenden fünf Jahren in der ersten Bundesliga zu etablieren.
Herr Kall, konnten Sie die Weihnachtsfeiertage nutzen, um von der Fortuna einmal abzuschalten?
Dirk Kall: Ich habe am 23. Dezember noch bis zum späten Nachmittag mit Paul Jäger und Helmut Schulte gesprochen. An Heiligabend war aber, abgesehen von ein paar Mails und Telefonaten, Zeit für die Familie, auch wenn Fortuna in privaten Gesprächen auch da ein Thema war.
Sie sind jetzt seit elf Monaten Vorstandsvorsitzender. Haben sich denn inzwischen die anfänglich kritischen Stimmen gelegt?
Kall: Es gab am Anfang sicherlich nicht nur Fürsprecher, schließlich ist es ja auch ein ungewöhnlicher Wechsel, wenn man vom Aufsichtsratsvorsitzenden zur Vorstandsspitze bestellt wird. Ich bin auf die Leute zugegangen und habe ihnen meine Pläne und die der Fortuna erklärt. Es wurde zugehört und ich konnte die Leute von unserem eingeschlagenen Weg überzeugen. Ich erwarte keinen großen Vertrauensvorschuss, man soll mich ausschließlich an meiner Arbeit messen. Ich fühle mich jederzeit voll respektiert, aber ich bin immer selbstkritisch genug, um mich und meine Arbeit ständig zu hinterfragen. Ich habe schon als Aufsichtsratsvorsitzender gezeigt, dass ich ein Teamplayer bin. Wir bestimmen die Geschicke des Vereins mit Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam, ich gehe dabei gerne voran.
Können Sie rückblickend auf das Jahr 2014 ein positives Fazit ziehen?
Kall: Zunächst einmal kann ich sagen, dass ich mit dem Jahr sehr zufrieden bin, da wir die meisten Ziele, die wir uns vorgenommen haben, erreichen konnten. Es gibt ein paar Dinge, da sind wir nicht so weit gekommen, wie es geplant war. Man muss dabei aber auch berücksichtigen, dass es sehr unruhig war im Verein. Mit dem Trio Allofs/Werner/Frymuth sind drei Vorstände ausgeschieden. Helmut Schulte kam neu hinzu und ich bin vom Aufsichtsrat in den Vorstand gewechselt. Zudem ist unser neuer Cheftrainer Lorenz-Günther Köstner schon nach drei Monaten erkrankt, sodass erneut Oliver Reck interimsmäßig übernehmen musste. Unser oberstes Ziel war es zu Beginn des Jahres, innere und sportliche Stabilität zu erlangen und Ruhe in den Verein zu bekommen sowie die Basis für die weitere Entwicklung der Fortuna zu legen. Mein Einstand im Vorstand war somit nicht einfach, aber ich liebe generell Situationen, in denen es kribbelig ist und Verantwortung gefragt ist.
Kribbelig war es aus sportlicher Sicht auch gleich zu Saisonbeginn. Es dauerte einige Wochen, bis die Fortuna in Fahrt kam.
Kall: Wir sind sicherlich schwer in die Saison gekommen. Es war aber vorher klar, dass wir keine Mannschaft haben, die auf dem ersten Platz durchmarschieren wird. Wichtig ist es, dass wenn es spielerisch mal nicht läuft, Eigenschaften wie Engagement und Laufbereitschaft vorhanden sind, so wie zuletzt gegen Berlin. Der 1:0-Sieg war glücklich, aber letztendlich auch verdient und erarbeitet.
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Man hat Ihnen nach dem Schlusspfiff angemerkt, dass Sie 90 Minuten lang mitgelitten haben.
Kall: Wenn ich nach so einem Spiel in Ruhe nach Hause fahren und einschlafen würde, dann würde ich den falschen Job machen. Beim Siegtreffer bin ich vor Freude auf Helmut Schulte gestürzt und habe seine Rippen in Mitleidenschaft gezogen. Man kann diesen Job nicht machen, wenn man nicht wie ein Fan mitfiebert.
Ihre Euphorie nach den ersten drei sieglosen Punktspielen der Saison und dem Pokal-Aus dürfte sich indes in Grenzen gehalten haben.
Kall: Einen guten Funktionär zeichnet sicher aus, dass er nicht gleich nach der zweiten Niederlage schon den Trainer in Frage stellt und von seiner Linie abweicht, sondern ruhig und besonnen bleibt. Man darf sich den Blick auf die Dinge nicht verzerren lassen. Nach der Niederlage gegen Karlsruhe habe ich Fragen an Helmut Schulte und Oliver Reck gestellt: Was sind die Gründe, und was tun wir, um aus dieser Situation herauszukommen?
Wie lautete die Antwort?
Kall: Die bleibt intern. Aber danach haben wir in Aue und Nürnberg gleich zweimal gewonnen, auch wenn das natürlich nicht das Ergebnis einer rationalen Analyse war. So einfach lässt sich der Fußball leider nicht planen.
Welche Rolle trauen Sie ihrer Mannschaft in den restlichen 15 Spielen zu?
Kall: Wir bleiben bei unserem Saisonziel, dass wir im oberen Drittel mitspielen wollen. Wie weit oben das dann sein wird, werden wir sehen. Eine Saison ist schließlich lang und momentan sind alle Mannschaften noch sehr eng beieinander. Am Ende entscheidet sich erst, wer aufsteigt. Wir haben als Tabellensechster nur zwei Punkte Rückstand auf einen Aufstiegsplatz, das ist eine gute Ausgangssituation. Es gibt aber rund acht Teams, die da oben ein Wort mitreden können. Wir werden im Januar die Grundlage dafür legen, um in der restlichen Rückrunde konsequent zu punkten.
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Ihr großes Ziel ist es, die Fortuna innerhalb von fünf Jahren zu einem etablierten Erstligisten zu formen. Wie kommen Sie voran?
Kall: Wir sind auf einem guten Weg. Allerdings ist der Weg, der noch vor uns liegt, deutlich länger als der, den wir schon gegangen sind. Man muss uns Zeit und Vertrauen geben. Wir haben einen klaren Plan, eine klare Strategie, alle in Aufsichtsrat und Vorstand gehen diesen Weg mit. Wir leben davon, dass wir eine Menge Potenzial haben, aber eben nicht den großen Geldgeber im Hintergrund, der uns mal eben zwei neue Spieler finanziert, wenn es mal nicht läuft. Das ist auch in Ordnung so, denn wir sind und bleiben ein Verein und keine Kapitalgesellschaft, wo ein Investor zwar reichlich Geld mitbringt, dafür dann aber auch das Sagen übernimmt. Da gehe ich lieber den längeren, aber nachhaltigen Weg, den Fortuna-Weg.
Wie sehen die nächsten Schritte auf diesem Weg aus?
Kall: Unabhängig vom sportlichen Erfolg wollen wir im neuen Jahr die Finanzierung für den Ausbau des Nachwuchsleistungszentrums in Flingern auf die Beine stellen, damit 2016 mit dem Bau begonnen werden kann. Um unser großes Ziel zu erreichen, müssen wir in die erste Mannschaft, den Nachwuchs und in die Strukturen investieren. Natürlich sind wir getrieben vom kurzfristigen Erfolg, aber wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass das schief gehen kann, wenn man es nicht gründlich macht. Das darf uns nie wieder passieren. Wir suchen den Dialog mit Fans, Sponsoren und der Öffentlichkeit, damit die Leute verstehen, dass unser Konzept Hand und Fuß hat und damit man Verständnis dafür aufbringt, dass wir etwas später, dafür aber umso reifere Früchte ernten werden. Wir haben die verdammte Verpflichtung, diesen Verein in eine positive Zukunft zu führen, aber nachhaltig!