Dortmund. Unmittelbar vor dem Auftakt der EM macht die BVB-Spitze den Bundestrainer erneut auf die Qualitäten seiner Vereinsspieler aufmerksam. Trotzdem wird wohl kein einziger Dortmunder in Löws Startelf sein. Der macht klar: Den schwarzgelben Spielern fehlt die internationale Erfahrung.
Hans-Joachim Watzke hatte schon Anfang März ein wenig genörgelt, dass nur ein Spieler von Borussia Dortmund im Länderspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Frankreich auf dem Platz stand. Das war damals Mats Hummels, der in Bremen beim 1:2 durchspielte. Der BVB-Geschäftsführer stellte die Frage, warum nicht mehr Profis vom deutschen Meister Berücksichtigung bei Bundestrainer Joachim Löw finden.
Nun deutet sich an, dass im EM-Auftaktspiel Deutschlands gegen Portugal am kommenden Samstag in Lwiw (20.45 Uhr) kein einziger Spieler vom Deutschen Meister und Pokalsieger in der Anfangself stehen wird. Hummels ist in der Innenverteidigung offenbar nur dritte Wahl - hinter Holger Badstuber, dem Gewinner eines Vize-Triples, und Per Mertesacker, der wegen einer Verletzung und einer Operation seit Februar für den FC Arsenal kein Pflichtspiel mehr bestritten hat. Offenbar Grund genug für Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc am Tag nach der vorzeitigen Vertragsverlängerung mit dem 23-jährigen Hummels bis 2017 dessen Status zu betonen. "Mats ist für mich der beste deutsche Innenverteidiger", sagte Zorc im Interview mit dem Fachmagazin "Kicker".
Kritik an Spielweise von Hummels
Hummels hatte beim 3:5 in Basel gegen die Schweiz einen schwachen Tag und wurde beim 2:0 gegen Israel in Leipzig nicht eingesetzt. Ob eine Reaktion auf das Debakel in der Schweiz war, bleibt dahingestellt. Per Mertesacker spielte gegen Israel neben Holger Badstuber durch. Auf Fragen danach reagierte Löw mit dem Hinweis, dass Hummels viele Spiele bestritten hatte und Mertesacker eben nicht.
Tatsache ist, dass Hummels seine unbestrittenen Fähigkeiten, die er im Verein Woche um Woche gezeigt hat, in der Nationalmannschaft noch nicht präsentierten konnte. Löw will angesichts der EM-Gruppe mit Portugal, den Niederlanden und Dänemark auf Experimente verzichten und auf bewährte Kräfte setzen. Mertesackers 81 Einsätze und die Erfahrung bei großen Turnieren hält er für wichtiger als Hummels überzeugende Bundesliga-Saison. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa hatte Löw sehr deutlich betont, dass er für die Nationalmannschaft die internationale Erfahrung der Bayern-Spieler bevorzuge: Die Dortmunder Spieler seien international noch nicht ganz so erprobt wie die Bayern. Lahm, Schweinsteiger, Müller und einige andere hätten schon bei der WM und auch in der Champions League eine gute Rolle gespielt. Götze, Schmelzer, Gündogan dagegen müssten international noch einen Sprung machen. Die EM habe das höchste Level. Man spiele nicht gegen nicht gegen Hoffenheim oder Nürnberg, sondern gegen die Top Ten der Welt.
Vielleicht ist Hummels auch schlicht zu selbstbewusst
Das Argument der größeren Länderspielerfahrung dürfte für BVB-Trainer Jürgen Klopp keine Relevanz besitzen. Der Fußball-Lehrer wählte das Mittel der Überhöhung, und stellt damit indirekt die Frage, warum Löw nicht zu gleichen Erkenntnissen kommt. "Mats ist überragend spielintelligent, was defensive Zweikämpfe und das Schließen von Räumen angeht. Ich kenne keinen auf dem Kontinent, der das so gut macht wie er", erklärte der Meistercoach im "Kicker".
Dass Hummels ein intelligenter Spieler ist, weiß auch Löw. Der BVB-Verteidiger ist aber auch ein kritischer Mensch, der in der Öffentlichkeit klar Stellung bezieht. So merkte er noch vor der Generalprobe an, dass die deutsche Startformation bereits auf sechs oder sieben Positionen stehe. Hummels selbst hat die Lage klar erkannt. Bereits vor drei Wochen sagte er, Badstuber sei bei Löw in der Abwehrmitte gesetzt, er müsse sich mit Mertesacker um den zweiten Platz streiten. Bayern München besitzt innerhalb des DFB-Teams den größten Block mit acht Spielern, von denen wohl mindestens sechs erste Wahl sind. Hummels fügte zur Situation an: "Ich glaube, dass einige andere Spieler ein höheres Standing haben." Vielleicht war er zu keck. Das ausgeprägte Selbstbewusstsein des Dortmunders, so heißt es, gefällt Löw nicht immer.