Tourrettes. Nach der schwachen Abwehrleistung im Testspiel gegen die Schweiz zweifelt Mats Hummels von Borussia Dortmund an einem sicheren Platz in der deutschen Innenverteidigung. Ohnehin korrigierte ihn Löw zuletzt häufig im Training. Verliert der BVB-Spieler seinen Platz an die Bayern?

Es sind schon ein paar Tage vergangen, seit der Dortmunder Mats Hummels dem Schalker Trainer Huub Stevens seine Reverenz erwiesen hat. Zwischenzeitlich ist viel passiert, und selbst dieser spektakuläre Schritt auf dem Weg zu einer besseren Verständigung unter den Volksgemeinschaften des Ruhrgebietes wäre wohl schon in Vergessenheit geraten, wenn die Nationalmannschaft den eigenen Untergang in der EM-Testpartie gegen die Schweizer Auswahl nicht ausgerechnet mit einer 3:5-Niederlage besiegelt hätte. 3:5! Dabei hatte Hummels bei seiner Huldigung den Satz zitiert, der Stevens die Unsterblichkeit sichert: „Die Null muss stehen, das ist immer das Wichtigste.“

In Basel liegt die Null noch immer am Boden, hingestreckt von unter anderem Hummels, dem Mann, der gemeinsam mit dem Kollegen Per Mertesacker für die Bollwerkbildung in der zentralen Verteidigung zuständig war. Der Bundestrainer äußerte anschließend zwar einige entlastende Worte, indem er für sein Ensemble in voller Stärke festhielt: „Die gesamte Defensivleistung war natürlich nicht berauschend.“ Doch Joachim Löw hatte auch schon Anzeichen von Unmut erkennen lassen, als die Begegnung nicht einmal eine Viertelstunde alt war und der erste Gegentreffer noch gar nicht gefallen.

Der Auslöser seines Unmutes: Hummels zirkelt den Ball mit dem Außenrist elegant und weit in den Lauf des vorstürmenden Marcel Schmelzer. Schmelzer, ebenfalls Dortmunder, aber erreicht diesen Ball nicht. Und der Bundestrainer ist: angefressen.

Für Hummels ist ein Platz schon fest an Bayerns Badstuber vergeben

Über Mats Hummels und seine von reichlich Talent inspirierte und in Diensten des BVB weiter geformte Spielweise wird aktuell diskutiert. Im Training in Südfrankreich wurde er immer wieder von Löw korrigiert. Anders agieren in der Kette. Von hinten heraus ohne den langen Ball aufbauen. Die Kommandos während der Übungsspielchen auf dem Rasen von Tourettes erteilte Mertesacker. Der Arsenal-Akteur, der nach Verletzung seit Februar keine Pflichtpartie absolviert hat, zeigte sich nach dem Mini-Debakel von Basel jedoch bereits froh darüber, dass er „schmerzfrei“ über die Zeit gekommen war. Und beides zusammengenommen - des Bundestrainers Fremdelns mit Hummels’ Spielinterpretation und Mertesackers Praxis-Defizite - führt direkt zu den Bayern.

Hummels glaubt ohnehin, dass ein Posten schon vergeben wurde. Der Posten links in der Innenverteidigung. An Holger Badstuber, dessen Qualitäten Löw seit zwei Jahren preist. Münchens Abwehrorganisator ist erst Samstag angereist und kann sich allein deshalb schon mit seinen sieben Kameraden vom Triple-Zweiten zu den Gewinnern zählen. An der Attacke gegen die Null waren sie schließlich nicht beteiligt. Dortmunds Meister und Pokalsieger dagegen haben mitgemacht. Und neben den beiden Fehlerproduzenten Mats und Merte präsentierte sich Schmelle Schmelzer nervös wie beim Debütantenball.

Schlechte Höwedes-Leistung in Basel bietet Chance für Boateng

Überlegungen, Philipp Lahm seine Nationalelf-Stammrolle zu nehmen und ihn zu Gunsten des BVB-Linken auf die rechte Verteidigungsflanke zu verschieben, dürften damit weit in den Hintergrund gerückt sein. Und weil auch der Schalker Benedikt Höwedes, Lahm-Ersatz gegen die Eidgenossen, beim Verteidigen der Bastion nicht sonderlich erfolgreich war, hat das einen weiteren Vorteil für einen Bayern zur Folge.

Jerome Boateng kann seine Baseball-Kappe nun als Bewerber für zwei Posten aussichtsreich in den Ring werfen. Wird der Bundestrainer nicht mehr warm mit der Spielweise von Hummels, kann Wunschkandidat Mertesacker die erwünschte Leistung nicht erbringen: Boateng würde der Platz neben Badstuber zufallen. Wird Kapitän Lahm parallel dazu nicht nach rechts ausweichen, dahin, wo er beim Verein tätig ist: Boateng müsste sogar geklont werden.

Ottmar Hitzfeld allerdings, der der Trainer der Schweiz, hat den Fokus auf ein grundlegenderes Problem gerichtet. Die deutsche Mannschaft, so gab er an, sei zu offensiv ausgerichtet, zu wenig vorsichtig, zu wenig darauf Bedacht gewesen, den Stand der Null nicht zu gefährden. Bevor Löw sich auch nur geringfügig abwendet von seiner Vision vom druckvollen Angriffsspiel, bevor dieser Bundestrainer wieder ein wenig mehr Reaktion statt Aktion in seine Agenda aufnimmt, wird eher anderes geschehen. Stevens-Huldiger Hummels übt so lange, „dass ich vielleicht gar nicht mehr auf die Idee komme, die Bälle lang zu spielen“.