Essen. . Beim BVB geschätzt, in der Nationalmannschaft reserviert behandelt: Der Innenverteidiger scheint nur der dritte Mann hinter Holger Badstuber und Per Mertesacker zu sein. Ein ähnliches Problem besteht für Mario Gomez.

Nach der letzten Testpartie der deutschen Nationalmannschaft vor der Europameisterschaft hat Mats Hummels genau die Sachlichkeit an den Tag gelegt, die der Bundestrainer sich von ihm wünscht. In Leipzig, nach dem 2:0-Erfolg gegen Israel, schlenderte der Dortmunder an den ihren Ermittlungstätigkeiten nachgehenden Journalisten vorbei und merkte lediglich an, dass er nicht gespielt und deshalb zum Spiel auch nichts zu sagen habe.

Ein Lob gab es dafür vom Bundestrainer allein deshalb schon nicht, weil der sich zeitgleich selbst mit Fragen nach dem Befinden seiner Auswahl konfrontiert sah. Ein Lob hätte es aber wohl auch nicht gegeben, wenn Joachim Löw das Schweigen von Hummels vernommen hätte.

Auch in einem Schweigen, in der Verweigerung einer ausführlichen Stellungnahme, können ja Botschaften versteckt sein. Und die Botschaft, die der Innenverteidiger in schlichtes, in schmuckloses Papier gewickelt hatte, war eindeutig. Zurückhaltend interpretiert: Ich wäre schon ganz gern dabei gewesen. Warum Hummels bei der körperlosen Auseinandersetzung mit den lieben Gästen nicht mitmachen durfte, hat der Bundestrainer allerdings – sehr sachlich – begründet. „Hummels“, erklärte er, „hatte viele Spiele, Per Mertesacker nicht.“ Schlussfolgerung: Der lange verletzte Per Mertesacker benötigte die Spielpraxis, der Meister und Pokalsieger Hummels konnte darauf verzichten.

Löw erkennt Defizite in Hummels' Spielweise

Den Eindruck, dass sich der Bundesfußballlehrer derzeit an einem Schüler abarbeitet, den er zwar für begabt, aber auch für nur schwer formbar hält, wurde damit natürlich nicht von der Tafel gewischt. Löw erkennt Defizite in der Spielweise von Hummels. Er bevorzugt schnelle und einfache Lösungen. Er möchte, dass von hinten heraus zumindest fast immer mit kurzen Bällen operiert wird, nicht mit genialischen oder genialen weiten Pässen. Er beharrt darauf, dass nicht der selbstbewusste 23-Jährige im Kommandostand den Ton anzugeben habe, sondern der von ihm Auserwählte. Holger Badstuber also, der in seiner Sachlichkeit auf dem Rasen ebenso wie Mertesacker kaum zu übertreffende Bayer. Und Hummels weiß doch, dass Mertesacker noch nicht auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit sein kann und er einen wichtigen, einen immensen Beitrag zum überragenden Erfolg des BVB beigetragen hat.

Und müsste denn nicht auch in der Nationalelf die Macht des Faktischen wirken und der Merte als weniger tauglich eingestuft werden? Und überhaupt: Kann denn falsch sein, was seinen Schwarzgelben eine solche Riesenernte einbrachte?

Schaden die Stammplatz-Duelle der Stimmung im Team?

Dieses kleine Problem, dieses fachliche und zwischenmenschliche Problem, diesen Positionskampf abseits des Rasens, hat Löw am Montag auch mitgenommen auf die Reise nach Polen. Und in der Summe ergeben kleine Probleme eben eine Menge Gepäck. Hummels ist nicht einsam im elitären Kreis. Es sind andere Dortmunder mitgeflogen, die allesamt ebenfalls gewogen und für die Übernahme von Aufgaben in der ersten, der bedeutenden Elf zu leicht befunden wurden. Wird es zu Fraktionsbildungen kommen? Wird es zu dem kommen, was sich in der Vergangenheit als so schädlich für die Stimmung und damit so schädlich für die Leistungsfähigkeit von deutschen Mannschaften erwiesen hat?

Andere Probleme sind konkreter. Bei Bastian Schweinsteiger ist es ungewiss, ob er trotz jüngst malader Wade schon bei der ersten EM-Begegnung, schon beim Spiel gegen Portugal am 9. Juni einsetzbar sein wird. Bei Miroslav Klose ist nicht klar, ob er nach langer Verletzungspause bereits wieder den Zenit seiner Möglichkeiten erreicht hat.

Auch Mario Gomez hängt wohl hinter Klose fest

Wieder andere Probleme bewegen sich im abstrakteren Raum, der schwierigen Lehrer-Schüler-Beziehung ganz ähnlich. Wird etwa ein Mario Gomez still halten, falls sich der Bundestrainer dauerhaft für den Wahl-Römer Miroslav Klose entscheidet? Sind nicht doch noch irgendwie alle Bayern nach ihren Zweier-Zeugnissen auf nationalen und internationalen Schulen deprimiert? Führt Löws neue Fußballvision nicht zu passsicherer und an Ballbesitz reicher bayerischer Zähflüssigkeit und Ineffizienz? Wäre ein Mehr an Hurra, an Überfall im WM- und BVB-Stil mit neuen, mit jugendlich frischen, mit jugendlich spritzigen Akteuren wie Marco Reus oder Andre Schürrle vielleicht verheißungsvoller?

Antworten darauf hat unter anderem Mats Hummels nicht. Noch nicht.