Augsburg. Lange sah es nach einem ungefährdeten Erfolg von Borussia Dortmund aus, man führte 3:0 beim FC Augsburg, ehe man sich mit einem 3:2 begnügen musste. Verantwortlich für die gute Offensivleistung zeichnete vor allem einer, der eben erst aus längerer Verletzungspause zurückgekehrt ist.

Wir nicht hinsah, sondern nur zuhörte, bekam den Eindruck, dass da ein ziemlich schlecht gelaunter junger Mann vor den Journalisten stand und über den 3:2-Sieg von Borussia Dortmund beim FC Augsburg sprach - bei dem der BVB einen 3:0-Vorsprung fast noch verspielt hätte. "Wir haben schon die ganze zweite Halbzeit nicht mehr den Fußball aus der ersten Halbzeit gezeigt", sagte er. "Wir waren zu passiv, wir haben nicht mehr unser Spiel gespielt, nicht mehr hinten heraus. Das darf einer Mannschaft wie Borussia Dortmund einfach nicht passieren, auch im Hinblick auf die Champions League."

Wer allerdings hinsah, stellte fest, dass der junge Mann diese Sätze mit einem Lächeln sprach und dazu auffällige Ähnlichkeit mit dem besten Mann auf dem Platz hatte - was damit zu tun haben dürfte, dass es Marco Reus war, der da zu den Journalisten sprach. Und der hatte, abgesehen von den späten Gegentoren, allen Grund zufrieden zu sein mit seinem Freitagabend.

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Denn Reus, der erneut im offensiven Mittelfeld agierte, war der auffälligste BVB-Spieler gewesen - und das im ersten dritten Pflichtspiel nach seiner dreimonatigen Verletzungspause wegen eines knöchernen Bandausrisses. Nach blitzsauberem Doppelpass mit Kevin Großkreutz erzielte er frei vor dem Tor das 1:0 (11.), per Ecke bereitete er das 2:0 durch Sokratis vor (15.) und auch das 3:0 durch Adrian Ramos folgte - wenngleich über Umwege - einem Reus-Eckball (78.). Zudem war der 25-Jährige ständig unterwegs, holte sich auch weit hinten die Bälle ab, verteilte sie mit Übersicht und bereitete einige weitere Torchancen vor. Bei seiner Auswechslung in der 86. Minute wurde er von den mitgereisten BVB-Fans nicht nur mit Applaus, sondern auch dem Lied "Dortmunder Jungs" verabschiedet - eine Ehre, die sonst nur Kevin Großkreutz zuteil wird.

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"Ich brauche Spiele"

Zwar gelang ihm längst nicht alles, einige Fehlpässe und schöpferische Pausen waren dabei - aber der Nationalspieler präsentierte sich deutlich stärker als bei der 0:2-Niederlage gegen Leverkusen, als ihm die Bindung zum Spiel komplett gefehlt hatte. Und so gab es dieses Mal die Note 1,5 statt der 4,5 vor Wochenfrist. "Mir war klar, dass ich nach meiner Verletzung nicht bei 100 Prozent bin, dass ich Rhythmus noch finden muss", sagte Reus."Dass ich jetzt auch noch nicht bei 100 Prozent bin, ist auch klar, ich brauche Spiele, ich brauche Trainingseinheiten."

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Von Sebastian Wessling, aufgezeichnet in der Mixed Zone

Die wird der Mittelfeldspieler in den kommenden Wochen allerdings nicht im BVB-Trikot absolvieren, wie Roman Weidenfeller, Erik Durm, Mats Hummels, Matthias Ginter und Kevin Großkreutz ist er zur Nationalmannschaft eingeladen. Es ist keine ganz einfache Woche, die Reus da bevorsteht, weckt sie doch bittere Erinnerungen: Einen Tag vor der Abreise zur Weltmeisterschaft nach Brasilien verletzte sich der zu diesem Zeitpunkt wohl formstärkste Nationalspieler im Testkick gegen Armenien (6:1). Statt zu einem der prägenden Akteure der WM zu werden, musste er vor dem Fernseher erleben, wie die Kollegen ohne ihn Weltmeister wurden.

Ein Thema, über das Reus nicht mehr gerne spricht. "Wir haben so viel darüber diskutiert, ich mache mir darüber echt keine Gedanken mehr", sagt er. "Ich freue mich auf die Woche und besonders auf das Länderspiel in Dortmund." In rund einer Woche geht es hier am Sonntag (20.45 Uhr) gegen Schottland erstmals um Punkte in der Qualifikation zur Europameisterschaft - und für Reus um einen weiteren Schritt zurück zu alter Klasse.