Bad Ragaz. Viel ist in den vergangenen Wochen bei Borussia Dortmund von den neuen Stürmern die Rede gewesen - da geht fast unter, dass mit Matthias Ginter auch ein hochkarätiger Defensivspieler verpflichtet wurde. Der ist frischgebackener Weltmeister - und schlägt beim BVB dennoch zunächst leise Töne an.

Wer die Aura eines Weltmeisters erwartet hat, eine breite Brunst oder etwas Imponiergehabe, wird enttäuscht. Auf dem Podium des Hotels Grand Resort, auf dem Borussia Dortmund den Journalisten im Trainingslager in Bad Ragaz täglich einen Gesprächspartner präsentiert, sitzt ein schüchterner junger Mann, den Rücken kerzengerade durchgedrückt, die Hände gefaltet, den Kopf leicht errötet.

"Es ist kein Geheimnis, dass wir beide sehr ruhig sind, wenn wir in einer neuen Umgebung sind", sagt Linksverteidiger Erik Durm über den Mann, der da neben ihm sitzt: Matthias Ginter, Neuzugang vom SC Freiburg, vor rund drei Wochen Fußball-Weltmeister geworden und seit Anfang August im Training bei seinem neuen Arbeitgeber.

"Bei einem europäischen Topverein ist die Konkurrenz nie klein"

Trotz des zurückhaltenden Auftritts: Fußballerisch ist der neue Mann von sich und seinen Fähigkeiten überzeugt. Sonst wäre er nicht mit 20 Jahren zum BVB gewechselt, wo mit Mats Hummels, Neven Subotic und Sokratis schon drei außergewöhnlich starke Innenverteidiger unter Vertrag stehen.

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"Bei einem europäischen Topverein ist die Konkurrenz nie klein", sagt Ginter. "Ich habe mich bewusst für den nächsten Schritt entschieden, weil ich bei Dortmund auf sehr hohem Niveau jeden Tag trainieren kann, weil ich immer dazulernen kann und auch will." In Dortmund scheint man überzeugt, dass dies gelingen wird, schließlich löste man den 1,88-Meter-Mann für rund zehn Millionen Euro beim SC Freiburg aus.

Mit aller Macht will Ginter nun beweisen, dass die Verantwortlichen damit richtig lagen. Im Lauftraining schlug er gleich ein gehöriges Tempo an. "Gleichmäßiges Tempo ist wichtiger", mahnte Athletiktrainer Andreas Schlumberger. Auf seinen direkte Vorgesetzten hat der Innenverteidiger offenbar schon einen guten Eindruck hinterlassen: "Der Junge ist total frisch und hochmotiviert, ein toller Fußballer", lobte Trainer Jürgen Klopp nach Ginters Testspieldebüt gegen den FC Rapperswil-Jona. "Er hat sich nahtlos eingefügt."

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Die Anlagen, sich beim BVB durchzusetzen, hat der Nationalspieler zweifellos: Im Zweikampf und Kopfball ist er stark, darüber hinaus hat er eine hervorragende Spielübersicht und trotz seiner Größe eine gute Ballbehandlung und ein sicheres Passspiel. Dennoch stellt er keine Ansprüche bei seinem neuen Klub: Ich sage nicht: Ich bin Weltmeister, ich will auf jeden Fall spielen", kündigt er an. "Ich versuche mich einfach jeden Tag weiterzuentwickeln."

Durm freut sich auf Ginter

Erst einmal steht aber die Integration beim neuen Klub an. "Die Mannschaft hat mich super aufgenommen", sagt Ginter. "Es fällt mir gar nicht schwer, mich hier wohlzufühlen. Das ganze Team, das ganze Trainerteam und die ganzen Betreuer sind supernett."

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Erik Durm kennt den Neuzugang schon aus der U21-Nationalmannschaft und verbrachte bekanntlich auch im Sommer mehrere Wochen mit ihm in Brasilien. "Deswegen hat es mich gefreut, dass der Matthias zu uns kommt", sagt Durm. "Und ich hoffe, dass er sich auch ein bisschen freut, dass ich hier bin. Ich versuche, es ihm so leicht wie möglich zu machen, aber ich glaube, das ist in unserer Mannschaft sowieso kein Problem."

Auch die Fans haben ihn freundlich empfangen, Applaus brandete auf, als der Neuzugang im Training erstmals an den Zuschauern vorbeilief. Ein schmales Lächeln, ein leichter Gruß mit der rechten Hand - ein schüchterner junger Mann eben in einer neuen Umgebung.