Dortmund. Milos Jojic kam im Winter als Mann für die Zukunft zu Borussia Dortmund. Schon im Frühjahr hat sich der 22 Jahre junge serbische Nationalspieler unverzichtbar für den BVB gemacht. Denn der Mittelfeldstratege, der von Partizan Belgrad kam, legt ein Rekordtempo an den Tag.

Es ist ein richtiges Buch. Eines mit Seiten aus raschelndem Papier, nicht eines, das man geräuschlos umblättert, indem man über das Display wischt. Es gehört Milos Jojic, er liest gern. „Die Schriften von Accra“ steht darauf, von Bestseller-Autor Paulo Coelho. Es geht darin um die großen Frage des Lebens, um Mut, um Herz, um Glück, um Erfolg.

Milos Jojic braucht eigentlich niemanden, der ihm Erfolg erklärt oder definiert. Er hat ihn am eigenen Leibe erfahren. Ziemlich exakt ein Jahr ist es her, dass der Fußball-Profi mit einem direkt verwandelten Freistoß die serbische Meisterschaft zugunsten von Partizan Belgrad entschied. Augenblicke vor dem Ende. Gegen den erbitterten Rivalen Roter Stern Belgrad. Die Fans stürmten nach dem Sieg auf den Platz und rissen ihm vor ekstatischer Freude die Sportklamotten vom Leib, nur die Unterhose blieb ihm. Es ist der wohl größte Moment seiner Karriere bislang. Am kommenden Wochenende könnte dieser allerdings Konkurrenz bekommen.

Erster Treffer nach 17,84 Sekunden

Der Serbe spielt mittlerweile für Borussia Dortmund, das wiederum dem großen Showdown mit dem FC Bayern München im DFB-Pokal-Finale am Samstag (20 Uhr, ARD, live bei uns im Ticker) entgegenfiebert. Und Jojic ist einer der Gründe, warum der BVB ernsthaft daran glauben darf, den Berlin-Coup von 2012 wiederholen zu können. Dabei war das so gar nicht unbedingt gedacht. Im Januar erst war der heute 22-Jährige nach Westfalen gewechselt. Rund 2,5 Millionen Euro überwies Schwarz-Gelb nach Belgrad für die Dienste des hierzulande unbekannten Mannes. Ein Invest, das sich längerfristig bezahlt machen sollte. Tatsächlich ging alles im Rekordtempo. 17,84 Sekunden dauerte es nach seiner erstmaligen Einwechslung, bis er sein erstes Tor für den BVB schoss. Ein erprobtes Milos-Muster: Schon in seinem ersten Meisterschaftsspiel für Partizan und in seinem ersten Länderspiel für Serbien hatte er auf Anhieb getroffen und klar gemacht, keine Anlaufzeiten zu benötigen.

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Als er nach Dortmund kam, sprach er kein Wort Deutsch oder Englisch. Der sonst schweigsame, aber mit serbischen Wurzeln versehene Assistent von Trainer Jürgen Klopp, Zeljko Buvac, muss im Training dolmetschen. Trotzdem fand sich Jojic schnell zurecht. „Bei Milos ist es sehr schnell gegangen mit der Integration und der Adaption unseres Spielstils“, stellt Sportdirektor Michael Zorc erfreut fest. Das macht den Mittelfeldspieler im Hier und Jetzt so wichtig, nicht erst in der Zukunft.

Sein erstes Spiel von Beginn an war eines, das man sich am liebsten einrahmen möchte. Es war Anfang April und Klopp staunt noch heute, wenn er Jojics Leistung im Hinblick auf die Begleitumstände begutachtet: „Das war überragend. Sein erstes Spiel. Und das in einem Champions-League-Viertelfinale. Und das gegen Real Madrid. So etwas habe ich überhaupt noch nicht gesehen.“ Furchtlos warf er seinen kräftigen Körper in die Zweikämpfe, feinfühlig mit dem Ball stahl er den hoch bezahlten Stars der Königlichen an diesem Abend die Schau. Dortmund gewann, schied dennoch aus, aber an jenem Abend machte der schwarz-gelbe Wankelmut der Saison Platz für einen selbstbewussten, nahezu maximal erfolgreichen Endspurt auf Platz zwei der Liga und ins Finale von Berlin.

Zehn Spiele, vier Tore

Jojics Anteil daran ist nicht zu vernachlässigen. Während um ihn herum die zentralen Mittelfeldspieler verletzt ausfielen (Ilkay Gündogan, Sven Bender, Sebastian Kehl, Oliver Kirch) oder überspielt wirkten (Nuri Sahin), bildete Jojic zuletzt eine bemerkenswerte Konstante. „Er ist ein Riesentalent“, sagt Klopp, „und er gibt uns Flexibilität, weil er auf jeder Position im Mittelfeld eingesetzt werden kann.“

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Jojic kann das Spiel mit seinen furchtlosen Pässen schnell machen, manchmal erinnert das entfernt an Gündogan. Doch Jojics größtes Plus ist die Torgefahr. Immer wieder taucht er weit vorn in Räumen auf, die seine Fachbereichs-Kollegen deutlich seltener besetzen. In nur zehn Spielen – oder Teilen davon – erzielte er erstaunliche vier Tore. Das letzte am vergangenen Samstag in Berlin. Finte mit rechts, feiner Schuss mit links.

Beste Bewerbungsunterlagen für das nächste Spiel in Berlin. Sollte dem Winter-Schnäppchen dann Ähnliches gelingen und am Ende tatsächlich der Titel stehen, bleibt zu hoffen, dass ihm mehr Kleidungsstücke bleiben, die ihn an seinen großen Erfolg erinnern.