Dortmund. Pokalfinale 2012, Champions-League-Finale 2013, Pokalfinale 2014 - das Duell zwischen dem FC Bayern und dem BVB wird seinem Ruf als deutscher Clásico mehr und mehr gerecht. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sieht darin ein Indiz für die Werthaltigkeit der Vereinsstrategie.
Borussia Dortmund will dem Branchenführer aus München im Kampf um die Vorherrschaft im deutschen Fußball weiterhin erbitterte Gegenwehr leisten. "Die Bayern werden uns nicht los", sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke im Interview.
Der BVB steht zum dritten Mal in Serie in einem Finale - zum dritten Mal gegen den FC Bayern. Was will uns das über das Kräfteverhältnis im deutschen Fußball sagen?
Hans-Joachim Watzke: (lacht) Die Bayern werden uns einfach nicht los. 2012 haben wir das Double gewonnen. Im Jahr darauf haben die Bayern als Triple-Sieger eine fantastische Saison gespielt. Trotzdem waren wir am Ende in London wieder da. In diesem Jahr ist es ähnlich. Das heißt, dass diese Rivalität, in der Bayern München die Führungsrolle hat, weiterbesteht und dass wir uns nicht abschütteln lassen.
Laut Franz Beckenbauer geht der BVB als 60:40-Favorit in das Finale. Wie werten Sie diese Prognose?
Watzke: Bei aller Wertschätzung für Franz Beckenbauer als gängiges Spielchen vor solch einer Partie. Wenn ich als deutscher Meister und Champions-League-Sieger in ein Finale gehe, bin ich Favorit.
Auch beim vorläufigen WM-Kader von Bundestrainer Löw liegen beide Teams fast gleichauf. Sieben Profis kommen aus München, sechs aus Dortmund. Sind Sie mit dieser Verteilung einverstanden?
Watzke: Wir werden sehen, wie viele am Ende übrigbleiben. Wobei ich die Erwartung und Hoffnung habe, dass es alle sein werden. Unsere Spieler haben mittlerweile jede Menge Erfahrung. Beide Teams haben in den vergangenen Jahren den deutschen Fußball geprägt. Deshalb ist das ein gerechtes Abbild.
Im vorigen Jahr waren es 25 Punkte, in diesem Jahr 19 Zähler Abstand zu den Bayern. Werten Sie das als Fortschritt?
Watzke: Normalerweise sind 19 Punkte zu viel. Aber man muss das analytischer sehen. Wir haben zwischen dem 11. und 20. Spieltag viel Land verloren. In dieser Phase hatten wir eine dramatische Verletztenproblematik, wie ich sie selbst noch nie erlebt habe. Zwischenzeitlich war die komplette Viererkette unserer Champions League-Finalelf verletzt - dazu noch die beiden Sechser. Und das alles gleichzeitig! In der kommenden Saison werden die Karten neu gemischt.
Wird der Punktabstand dann wieder deutlich kleiner?
Watzke: Ich hoffe, dass der Abstand kleiner wird. Vorausgesetzt wir kriegen nicht wieder ähnliche Probleme.
Die derzeitige Form scheint für den BVB zu sprechen. Hat der FC Bayern nach dem Champions-League-Aus gegen Real Madrid an Schwung verloren?
Watzke: Ich habe diese Diskussion in der Öffentlichkeit als sehr skurril empfunden. Ende März haben alle geschrieben, dass die Bayern das beste Team der Welt sind. Und dass es 20 Jahre so weiter gehen wird. Vier Wochen später soll auf einmal alles schlecht sein. Über was reden wir hier eigentlich? Im Umfeld der Bayern baut sich eine unglaubliche Erwartungshaltung auf. Fakt ist, dass sie eine tolle Saison spielen. Ich habe nicht den Eindruck, dass eine Pokalniederlage ihre Saison verhageln könnte.
Gibt es eigentlich irgendetwas, um das Sie die Bayern beneiden?
Watzke: Von meinen wenigen guten Eigenschaften ist eine, dass ich keinen Neid empfinde. Aber in einem Bundesland beheimatet zu sein, in dem du den gesamten wirtschaftlichen und politischen Support hast, das ist schon großartig. Da können wir in NRW nicht mal im Ansatz mithalten.
Watzke und der BVB "wollen Bayern immer schlagen"
Und umgekehrt? Gibt es irgendetwas, was die Bayern an der Borussia toll finden?
Watzke: Für diese Frage bin ich der falsche Adressat. Im Moment habe ich den Eindruck, dass die Bayern nicht so viel Tolles an uns finden.
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Sie spielen auf den jüngsten Streit zwischen Ihnen und Bayern-Präsident Karl Hopfner an. Gehören Verbal-Duelle vor solchen Top-Duellen dazu?
Watzke: Von uns aus nicht. Zu diesem Thema ist alles gesagt. In den vergangenen Jahren haben wir zumindest eines bewiesen. Dass wir uns wehren können und dass wir nicht diese Demutshaltung haben, die in der Bundesliga mittlerweile häufig festzustellen ist. Es ist nicht unsere Aufgabe, jeden Tag Ergebenheitsadressen nach München zu schicken. Ungeachtet der Tatsache, dass man sehr loben muss, was dort seit Jahrzehnten geleistet wird.
Was meinen Sie mit Demutshaltung?
Watzke: Es kann nicht sein, dass wir schon vor einem Spiel nur sagen, wir haben sowieso keine Chance. Das ist nicht die geistige Grundhaltung, aus der Erfolge erwachsen. Wir wollen Bayern München immer schlagen. Das ist einer der Gründe dafür, dass Borussia Dortmund in der deutschen Öffentlichkeit Sympathien gewonnen hat. Wir wissen aber auch, dass die Wahrscheinlichkeit eines Bayern-Sieges höher ist.
Robert Lewandowski bestreitet sein letztes Spiel für den BVB - gegen seinen künftigen Arbeitgeber. Wird ihn das Rampenlicht motivieren oder erdrücken?
Watzke: Weder noch. Von allen Fußballspielern auf der Welt wird Robert damit am gelassensten umgehen. Der BVB ist noch seine Mannschaft, und mit dieser Mannschaft will er den Pokal gewinnen. Für sein Entree beim FC Bayern ist es viel besser, wenn er als Pokalsieger kommt.
Sie haben mehrfach betont, Lewandowski nicht 1:1 ersetzen zu können. Neben dem bereits verpflichteten Ramos wird Immobile als Zugang gehandelt. Wie weit ist die Suche nach Ersatz vorangeschritten?
Watzke: Robert ist als Fußballer ein Unikat. Deshalb musst du wahrscheinlich deinen Spielstil ein wenig ändern und Feintuning betreiben. Wir sagen schon seit Monaten, dass wir zwei Offensivspieler holen. Namen werde ich aber nicht nennen.
Sie haben Investitionen in Höhe von 30 Millionen Euro angekündigt. Kommen Sie mit dieser Summe überhaupt aus?
Watzke: Einspruch. Ich habe nie eine Summe genannt. Wir haben heute Gott sei Dank eine wirtschaftliche Situation, die es uns erlaubt, uns nicht über die Investitionssumme zu definieren, sondern über die Idee. Ist die Idee gut, haben wir keine Limits. Aber es muss Potenzial und Fantasie dahinter stecken. Das ist der entscheidende Punkt und nicht, ob es 25, 30 oder 35 Millionen sind.
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Kagawa, Götze, Lewandowski: In jedem Jahr verliert der BVB einen Star. Wie groß ist Ihre Sorge, dass Marco Reus der nächste sein könnte?
Watzke: Vor Monaten war es Gündogan, jetzt soll es Reus sein. Aber selbst bei Bayern München lese ich in letzter Zeit fast jeden Tag, welcher Spieler angeblich den Club verlassen will. Das ist normal. Wir haben zwar jedes Jahr einen Leistungsträger abgegeben, aber das hat der Leistung nicht dramatisch geschadet.
Gibt es denn Bestrebungen, die Ausstiegsklausel im Vertrag von Reus loszuwerden?
Watzke: Eine nette Frage. Aber sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass wir irgendetwas zu Vertragsinhalten sagen. Marco ist ein unfassbar guter Fußballer. Für uns ist er ein besonderes Thema, weil er in Dortmund geboren wurde und ein Eigengewächs ist. Wir wollen ihn so lange wie möglich hier spielen sehen. (dpa)