La Manga. . Borussia Dortmunds Trainer Jürgen Klopp blickt im Trainingslager in La Manga auf eine schwierige erste Saisonhälfte zurück. Gegen den übermächtigen FC Bayern rechnet sich der Coach keine Chance mehr im Kampf um die Meisterschaft aus. Das Ziel des BVB ist Platz zwei in der Bundesliga. Ein Interview.

Jürgen Klopp sitzt auf der Dachterrasse des Mannschaftshotels Principe Felipe in La Manga. Im Hintergrund wedelt der Wind mit den Palmen eines Golfplatzes. Das Trainingslager von Borussia Dortmund in Südostspanien ist so gut wie zu Ende, an diesem Freitag reist der BVB zurück nach Deutschland. „Wir sind auf einem sehr guten Weg“, sagt der Trainer.

Wo endet der Weg in dieser Saison?

Jürgen Klopp: Ich kann mich nicht hier hinsetzen und sagen: Wir schnappen uns die Bayern noch! Wir haben allerdings noch ganz große Ziele, und wenn wir im Sommer Zweiter geworden sein sollten, dann hole ich mir einen Lastwagen, fahre durch meinen Garten und freue mich. Wenn sonst keiner jubeln will über Platz zwei, mache ich das allein.

Haben Sie das Gefühl, erklären zu müssen, dass Platz zwei auch ein Erfolg sein kann?

Klopp: Das ist eine Frage der Erwartungshaltung! Wir ziehen unser Unglück nicht daraus, dass eine andere Mannschaft so gut ist. Fahren Sie durch die ganze Welt und sagen mir, welche Mannschaft in einer Liga mit Bayern München Meister werden muss. Wer könnte es überhaupt? Da gibt es nicht viele. Manchester United, keine Chance. Manchester City, keine Chance. Der FC Barcelona vielleicht. Real Madrid, keine Chance. Und jetzt sind wir da und sollen das schaffen? Falls diese Erwartungshaltung noch jemand hat, dann ist sie völlig unrealistisch.

Sie und Ihre Spieler waren zweimal Deutscher Meister. Frustriert Sie nicht die Dominanz der Bayern?

Klopp: Möglicherweise ist es so, dass der Wunsch, Meister zu werden, größer ist, weil wir es zweimal waren.

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Aber?

Klopp: Es geht darum: Was für eine Atmosphäre schaffen wir in der Situation, in der wir uns befinden? Wie könnte man als Mensch so doof sein und sich eine erfolgreiche Vergangenheit dadurch schmälern, dass man sagt: So gut wird es nie wieder. Dann werden wir nie wieder glücklich, weil wir mal glücklich waren, oder was? Nein, das kann nicht sein. Die Pokale und die Medaillen, die wir gewonnen haben, sind fantastisch. Aber das sind Erinnerungen. Und im Idealfall sorgen sie nur für das Selbstvertrauen, zu sagen: Wenn wir alles abrufen, ist es keine Sensation, wenn wir noch mal was reißen können.

Gegen Ende des vergangenen Jahres hat Ihre Mannschaft in der Liga nicht mehr viel gerissen. Hängt Ihnen die Hinrunde noch nach?

Klopp: Das letzte Spiel gegen Berlin hat mir sehr nachgehangen. Es war ein negativer Schlusspunkt. Und ich hatte das Gefühl, dass wir das eine oder andere hätten besser machen können.

Würden Sie dem Eindruck zustimmen, dass man Sie in dieser Phase dünnhäutiger erlebt hat?

Klopp: Dass jeder Mensch nach Niederlagen schlechter drauf ist als nach Siegen, liegt wohl in der Natur der Sache. Ich hatte vielleicht mein Verständnis für die Medienschaffenden aufgrund unterschiedlichster Dinge, die passiert sind, zu weit in die hintere Ecke gelegt. Da hat schon eine nicht ganz so fantastische Frage eine ebensolche Antwort provoziert. Es war eine superintensive Vorrunde, wir hatten unglaublich viele Probleme zu bewältigen, die den meisten Leuten um uns herum total egal sind.

Sie meinen die vielen Verletzten?

Klopp: Uns ist eine komplette Achse weggebrochen während der Saison. Aber ohne sieben Spieler aus dem letztjährigen Champions-League-Halbfinale wären nicht viele Teams wieder ins Achtelfinale der Königsklasse eingezogen. Die negativen Ergebnisse hängen uns aber nach. Das sollte der Ansporn sein für den Rest der Saison.

Wie soll dieser Rest aussehen?

Klopp: Wir kommen immer über einen hohen Aufwand. Uns wurde einiges erschwert durch die Diskussion, wir sollten es aufgrund der vielen Verletzungen mit weniger Aufwand versuchen. Die Jungs leben ja nicht unter einer Glasglocke, die kriegen das mit. Und das ist wie eine kleine fiese Made, die man irgendwo hinsetzt. Wir arbeiten dagegen an, wir sind auf eine bestimmte Art erfolgreich geworden. Das war relativ schwer. Erfolgreich zu bleiben, ist aber keinen Deut leichter. Wir haben die Möglichkeit, uns im Drei-Tages-Rhythmus superschöne Erlebnisse zu verschaffen. Das reicht uns erstmal.

Der BVB hat sich das Gewinnen-müssen erarbeitet 

Wie stehen Ihre Chancen im Kampf um Platz zwei?

Klopp: Wir gehen jetzt vollgeladen in diese Rückrunde. Wir sind wieder in der Rolle des Jägers. Leverkusen und Gladbach haben uns im Nacken. Wolfsburg macht hinter uns noch mal richtig ernst.

Im Sommer benötigen Sie mindestens einen neuen Stürmer.

Klopp: Wir werden jemanden finden, keine Sorge. Aber am Ende ist es auch die Frage, ob die Öffentlichkeit den Jungs die Zeit gibt, selbstbewusst zu werden. Oder ob auch da die Zeiträume kleiner werden, die man ihnen zugesteht, um sich zu entwickeln. Zur Erinnerung: lkay Gündogan hat ein halbes Jahr gebraucht.

Die Frage ist, wie viel Zeit der BVB geben kann? Schließlich sind Sie in einer Situation, in der jede Niederlage fast entscheidend sein kann.

Klopp: Neulich hat mich ein Trainerkollege gefragt: Wie fühlt sich das eigentlich an, wenn man jedes Spiel gewinnen muss? Da ist mir erst mal aufgefallen, dass das tatsächlich bei uns der Fall ist. Wir müssen jedes Spiel gewinnen, alles andere stellt niemanden zufrieden. Das ist etwas, das wir uns erarbeitet haben. Da wird die Luft dünner. Aber vielleicht sitzen wir in zwei Jahren hier und lachen über nicht erfüllte Erwartungen, weil sich wieder alles gedreht hat.