Dortmund. . Viele Spieler sind derzeit verletzt beim Fußball-Vize-Meister Borussia Dortmund. Besonders im zentralen defensiven Mittelfeld waren die Sorgen in den vergangenen Tagen groß. Vor dem Bundesliga-Heimspiel gegen Hannover am Samstag und der Champions-League-Partie drei Tage später bei Arsenal London ruhen die Hoffnungen daher mehr denn je auf Nuri Sahin. Ein Gespräch über Madrid, Mitgefühl und Meinerzhagen.

Nuri Sahin sieht müde aus. „Schlecht geschlafen“, sagt er, als er auf dem Dortmunder Trainingsgelände zum Interview erscheint. Ansonsten ist der Mittelfeldmann wieder hergestellt, die Bänderverletzung im Sprunggelenk ist auskuriert. „Ich fühle mich ganz gut. Wenn jetzt nichts mehr passiert, dann wird es wohl reichen.“ Reichen für das Spiel gegen Hannover am Samstag (15.30 Uhr/Sky und im Live-Ticker) und die Partie am Dienstag bei Arsenal London in der Champions League.

Auf Ihrer Position herrscht der blanke Notstand. Alle sind verletzt. Müssen Sie fast schon spielen?

Nuri Sahin: Es wäre zumindest sehr hilfreich. Wir sind derzeit gerade auf dieser Position etwas dünn besetzt, daher wäre es schon super, wenn zwei Spieler fit würden für Samstag. Ich hoffe, dass die anderen Jungs dann bald nachziehen.

Gerade jetzt, da wieder viele englische Wochen anstehen. Nach Hannover wartet Arsenal London, dann geht es zum Derby nach Schalke…

Sahin: Gegen Hannover im eigenen Stadion sind drei Punkte Pflicht. Und in der Champions League spielen wir jetzt zweimal gegen Arsenal. Das sind richtungweisende Spiele für uns.

Wie weit hat Sie die zehntägige Verletzungspause zurückgeworfen?

Sahin: Das weiß ich noch nicht. Aber ich denke, nicht sehr weit. Ich hatte jetzt ein paar harte Einheiten und habe nicht gespürt, dass mir die Kraft fehlt.

2011 waren Sie der herausragende Spieler der Bundesliga. Wie weit sehen Sie sich nach Ihrer Rückkehr aus Madrid auf dem Weg zurück zu alter Stärke?

Sahin: Ich denke, dass ich auf einem guten Weg bin und ich auf einem konstant guten Level spiele. Ich weiß aber auch, was ich besser machen kann und muss. Ich will weiter an meiner Effektivität arbeiten, viel öfter in die Zonen gelangen, in denen ich zum Abschluss komme. Bei den offensiven Standards, die ich neben anderen Spielern auch ausführe, herrscht Verbesserungsbedarf. Auch da müssen wir viel effektiver werden. Neun von zehn Dingern müssen gut kommen.

Zum gleichen Zeitpunkt in der Meistersaison hatten Sie vier Vorlagen und drei Tore auf dem Konto, in dieser Saison ist es bislang nur eine Vorlage. Sie scheinen weniger prägend für das Dortmunder Spiel zu sein. Hat es sich in Ihrer Abwesenheit so verändert?

Sahin: Es hat sich verändert. Wir haben jetzt in unserer offensiven Viererreihe ganz andere Spieler. Und selbst wenn es eigentlich die gleichen sind wie Robert Lewandowski und Jakub Blaszczykowski, dann haben sie sich zu anderen Spielern entwickelt. Wir bauen unser Spiel ganz anders auf. Damals haben wir eigentlich nur über mich oder mal über Mats (Hummels, Anm. d.Red.) aufgebaut, mittlerweile haben wir zig Facetten.

Warum Nuri Sahin die Nähe zur Heimat so wichtig ist 

Sie gelten in der Mannschaft als jemand, der sich um das Wohlergehen anderer kümmert. Haben Sie Ilkay Gündogan während seiner noch andauernden Verletzungszeit irgendwie helfen können?

Sahin: Ich habe es mit meiner Verletzungsgeschichte in Madrid selbst erfahren: Es ist nicht einfach, nicht zu wissen, wann man wieder spielen kann. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt kann jeder für den anderen da sein. Aber im Endeffekt ist jeder auf sich allein angewiesen.

Das heißt?

Sahin: Natürlich frage ich Illy, wie es ihm geht. Aber ich will ihn mit der Fragerei auch nicht nerven. Er wusste ja selber nicht, wie es genau weiter geht. Er weiß genau, dass ich und auch der Rest des Teams immer da sind, wenn irgendwas ist. Aber ich mache mir um ihn keine Sorgen, er ist mental sehr stabil, er wird daraus gestärkt hervor gehen. Wenn man so eine Verletzung hinter sich hat und wieder spielen kann, dann weiß man es noch mehr zu schätzen und bringt noch bessere Leistungen.

Sie nennen Dortmund ihr Zuhause und betonen, wie wohl Sie sich fühlen, weil sie Vertrauen spüren. Ist Ihnen dieses Vertrauen besonders wichtig?

Sahin: Gegenfrage: Wem ist das nicht wichtig?

Es gibt Spieler, die mangelndes Vertrauen durch übersteigertes Selbstvertrauen kompensieren...

Sahin: Nach außen etwas zu spielen, war noch nie meine Art. Das bin dann nicht mehr ich. Mir kann jeder immer im Gesicht ablesen, wie es mir geht. Das kommt zwar nicht bei jedem gut an, aber ich bin nun mal ich. Wenn ich Jürgen Klopp eine SMS schicke, und sei es nur ein Wort, dann weiß er, wie es mir geht. Ich habe mit einigen der Besten der Welt gearbeitet. Jeder von denen braucht Vertrauen, das Gefühl gebraucht zu werden. Dann bringen sie ihre Leistungen.

Ein wichtiger Baustein für Ihren persönlichen Wohlfühlfaktor dürfte die Nähe zur Heimat sein.

Sahin: Das ist für mich, meine Frau und auch für den Kleinen (Sohn Ömer ist zwei Jahre alt, Anm. d. Red.) jetzt noch mehr ein Rückzugsort geworden. Wir haben in Meinerzhagen ein altes Haus von meinen Eltern gekauft und umgebaut. Wir versuchen so oft es geht, dort zu sein und die Familie zu treffen. Und Zeit mit den Freunden zu verbringen, die mich kennen seit ich laufen kann, holt mich raus aus dem Fußballerleben. Meinerzhagen wird immer meine Heimat bleiben.