Dortmund. . Borussia Dortmund findet nach der Zerstörung des Hamburger SV noch Gründe zur Selbstkritik. Sogar der überragende Akteur Marco Reus wird davon nicht ausgenommen - weil er zu viele Chancen ausließ. Und auch die Kritik von Bundestrainer Löw an Mats Hummels ist nach wie vor ein Thema.

Anschließend hat sich der Bundesliga-Dino sicher gewünscht, er wäre kurz vor dem Anpfiff ausgestorben. Weg ohne Aufsehen. Weg ohne vorher noch eine Riesentracht Prügel zu beziehen. Aber diesen Gefallen hat die harte Fußballwelt dem Hamburger SV nicht getan. Er musste das Spiel bei Borussia Dortmund bis zu diesem Ende durchstehen, das mit einem Blick zurück auf das brutale Geschehen sogar gnädig ausfiel. Mit 6:2 hat der BVB gewonnen. Nur mit 6:2. Nach der ersten Halbzeit standen 13:1 Torschüsse zu Buche. Nach der zweiten waren es 32:4. Und die einzige Frage, die sich die Beobachter stellten, lautete: Wie ist wohl dieser hohe Wert zustande gekommen, diese dem Spielverlauf absolut nicht entsprechende Vier?

In dieser Hinsicht begaben sich einige Seltsamkeiten. HSV-Trainer Thorsten Fink hatte seine Elf mit einer defensiven Dreierkette ausgestattet, deren Funktionstüchtigkeit getestet worden sein soll. Die Dortmunder interpretierten die unterlassene Flügelschutzleistung aber als Einladung zum Dauersturm. Pierre-Emerick Aubameyang erzielte Treffer eins, Henrikh Mkhitaryan Treffer zwei. Es deutete sich ein rauschhaftes Fest mit dem Höhepunkt der Dino-Schlachtung an. Und dann passierte es. 26. Minute. Gegentor durch Zhi Gin Lam.

Der HSV wird Probleme haben, sich in die kommende Saison zu retten

Die Geschichte der zweiten Runde lässt sich in ähnlicher Weise erzählen, es müssen lediglich die Ereignisse in umgekehrter Reihenfolge aneinander gefügt werden. Keine Wolkenbildung und doch ein Trefferblitz. 2:2 durch Heiko Westermann. Danach erzielt Aubameyang sein fünftes Ligator. 3:2. Dann flankt Aubameyang von der rechten Seite und der mittig lauernde Reus erspäht durch seine Hinterkopfaugen den Kollegen Robert Lewandowski und lässt durch. 4:2. Dann schiebt Reus den Ball durch die Beine von Dennis Diekmeier. 5:2. Und Lewandowski rundet ab. 6:2.

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Fink gab zunächst an, er habe sein Ensemble „zwölf Minuten“ lang positiv gesehen, später trumpfte er mit „15 Minuten“ auf. Bei beiden Zeitangaben handelte es sich um Schönfärberei. Der HSV wird Probleme haben, sich in seine 52. Saison hinein zu retten. Und Dortmund hat zwar auch bei den ersten vier Begegnungen Dreierpäckchen abgeräumt, doch erst Begegnung fünf offenbarte die Stärke der Post-Götze-Ära vollends. Der Punkte-Startrekord des Klubs ist gebrochen. Die Spitze der Tabelle wird besetzt gehalten. Vor allem jedoch haben Reus und Kumpane den Fußballbayern neuen Respekt eingeflößt und eine Grußkarte mit fetten Lettern nach Neapel geschickt, zum dort ansässigen SSC, bei dem am Mittwoch die erste Partie der Champions League ausgerichtet wird.

Auch Jürgen Klopp hatte etwas auszusetzen

Oder ist vielleicht doch alles irgendwie anders gewesen? Matthias Sammer war Spieler in Dortmund, Trainer in Dortmund, und offensichtlich ist sein Geist noch immer in den Katakomben des beeindruckenden Stadions anwesend. Der Geist des Nörglers, der exakt in der Sekunde zur Rede anhebt, in der Euphorie Raum gewinnen könnte.

Jürgen Klopp fand also: „Das war Wahnsinn, was die Jungs da vorn gespielt haben, einfach geil.“ Er räumte auch ein, dass „der Saisonstart perfekt“ sei, „was die Ergebnisse angeht“. Und er wagte sich an die Verkündung, dass Reus „in den Himmel“ komme, weil er vor Tor vier hellsichtig den Ball weiterrollen lassen habe zu Lewandowski. Doch bereits dieses Lob des Borussen-Trainers war leicht angekränkelt vom Hinweis darauf, dass der aus einem famosen Team noch herausragende Akteur vorher „viele Chancen vergeben hat“.

Der Name des Fehlers: Dortmunder

Nicht allein die Verschwendungssucht war ein Thema. Neben vielen anderen erklärte Reus: „Wir müssen noch besser zusammenspielen und dürfen dann auch nicht so dumme Gegentore bekommen.“ Immerhin aber konnte Mats Hummels wegen der Blitzeinschläge kein Vorwurf gemacht werden. Der von Bundestrainer Joachim Löw bei der Nationalelf zum Banker degradierte Verteidiger glänzte mit Solidität, entschied erstaunliche 92 Prozent aller Zweikämpfe für sich und sprach darüber und über weiteres kein einziges Wort.

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Das erledigte Klopp. Löw warf er vor: „Wenn Fehler Namen kriegen, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass es ein Dortmunder Spieler ist.“ (Zum Beispiel: Hummels, Mats.) Der Bundestrainer reagierte und regte einen Austausch „in Ruhe“ an. Müsste er statt wie an diesem Wochenende Berlin und Mainz eben mal das Revier besuchen. Übrigens: prächtige Fußballerpopulation, hier in der Gegend.