Dortmund. . Der Doppelmeister Borissia Dortmund verliert Marcel Schmelzer – und im eigenen Stadion gegen den VfL Wolfsburg. Bei der 2:3-Niederlage standen Wolfsburgs Diego und Schiedsrichter Wolfgang Stark im Mittelpunkt, der den Nationalverteidiger fälschlicherweise mit Rot bedachte.
Diverse Kollegen haben versucht, den Blick auf Diego Ribas da Cunha zu lenken, den Brasilianer, der kurz Diego gerufen wird. Dieser Diego ist mit seinem Macho-Schnäuzer aktuell wirklich eine Schau. Aber darum ging es den Kollegen natürlich nicht. Diego Benaglio, der Kapitän des VfL Wolfsburg, oder Ronaldo Aparecido Rodrigues, der kurz Naldo gerufene Landsmann Diegos, wollten auf die Klasse des kleinen Mannes aus ihrer Mitte aufmerksam machen. Diese Klasse, behaupteten sie, habe den Unterschied ausgemacht, über diese Klasse seien sie bei Borussia Dortmund auf die Siegerspur gewechselt.
Gala von VfL-Spielmacher Diego
Zugehört hat ihnen ungefähr niemand, obwohl Diego beim 3:2 in der Gigantenarena des Doppelmeisters tatsächlich zwei Treffer vorbereitet und einen höchstpersönlich erzielt hatte. Und wahrscheinlich wäre das sogar entsprechend gewürdigt worden, wenn sich nicht so viele Fragen durch die Katakomben geschlängelt hätten, Fragen, über die ein großes Drama im Konjunktiv inszeniert wurde: Was wäre eigentlich gewesen, wenn Schiedsrichter Wolfgang Stark vor dem 1:1 durch Diego per Elfmeter erstens die Abseitsstellung von Vieirinha erkannt, zweitens kein Handspiel von Marcel Schmelzer beobachtet, drittens nicht Elfer gepfiffen und viertens nicht Schmelzer mit Rot bedacht und aus der Partie genommen hätte?
Stark hat alles falsch gesehen und seine „Wahrnehmungsfehler“ offen eingestanden. Dass bewahrte ihn allerdings weder vor fiesen Wortspielen (Wolfgang Schwach), noch vor dem Zorn der Dortmunder. „Abhacken müssen die Jungs die Dinger noch nicht, um kein Handspiel zu begehen“, grantelte Jürgen Klopp, der Trainer des BVB, der diesmal nicht urplötzlich explodierte, sondern seine Erregung über einen weit gestreckten Zeitraum hinweg auf konstant mittlerem Niveau auslebte. Als so „haushoch überlegen“ wie gegen die zahnlosen Wölfe hatte er seine Elf schließlich selten empfunden. Nach dem 1:0 in Minute sechs durch Marco Reus musste lediglich eines beklagt werden: Schwarzgelb war zu wenig zielstrebig, war sich seiner Überlegenheit überbewusst.
"Offensichtlich die spielentscheidende Szene"
Und dann das. Minute 35. Erst Abseits. Und dann klärt der Nationalverteidiger Schmelzer mit den Schenkeln und Stark verwechselt die mit seinen Händen. „Das war offensichtlich die spielentscheidende Szene“, urteilte Klopp und fügte an: „Dieses Ergebnis, so, wie es zustande gekommen ist, ist natürlich total hart. Elf gegen Elf gibt es nur einen Sieger.“ Wen der Trainer meinte, musste nicht von der Was-bin-ich?-Runde der Ratefüchse ausgetüftelt werden.
Er meinte Starks Versagen, er meinte den Schmelzer-Verlust, er ärgerte sich aber auch über die Störmanöver der Wolfsburger, die das 3:2 durch Bas Dost in Minute 73 (2:1 Naldo, 2:2 Blaszczykowski) zum Anlass nahmen, das Spiel nicht mehr nur durch ihre Spielweise zu sabotieren. Diego, der sich bei bitterer Kälte minutenlang auf dem Rasen wälzt. Warum, warum? Weil der Rasen geheizt war? Oder die Bälle, die gegen Ende der Partie von der VfL-Bank immer wieder aufs Feld flogen. Warum, warum? Weil sie das Sitzgefühl beeinträchtigten? Oder doch, weil es den Dortmundern ihre wertvolle Zeit raubte?
Stark gestand nicht allein den „Wahrnehmungsfehler“ ein, er erklärte auch: „Es tut mir leid.“ Und Lorenz-Günther Köstner, der Interimstrainer, den Wolfsburgs Akteure ins Herz geschlossen haben, der Trainer mit menschlichem Antlitz, der Quälix Magath folgte, hat sich ebenfalls entschuldigt. Wegen der Bälle. Das trug aber nicht zur Beruhigung bei, weil sich das verflixte Resultat nicht einmal durch Starks und Köstners Entschuldigungen verändern wollte.
Das Resultat lautet: Der BVB steckt national in einer Ergebniskrise, weil nun so viele Niederlagen auf dem Konto verbucht sind wie in der gesamten Saison zuvor (drei). Der BVB hängt dem FC Bayern in der Tabelle bereits 14 Punkte hinterher und wird ihn deshalb in dieser Saison kaum noch erreichen. Und um die Plätze herum, die den Zugang zum Geldautomaten Champions League gewährleisten, herrscht mittlerweile ein gefährliches, ein krawalliges Gedränge.
Kloppsche Drohung fürs Rückspiel
Immerhin die Zähler für das Rückspiel in VW-Stadt hat Klopp aber schon mit bedrohlich klingendem Unterton draufgerechnet: „Wir holen uns die Punkte.“ Erste Maßnahme, nur ein Vorschlag: Diego zu Weihnachten passend zum Schnäuzer weiße Cowboystiefel schenken. Solche Stiefel, die hindern sogar ein Genie an der freien Entfaltung.