Dortmund. . Sebastian Kehl und Roman Weidenfeller sind die – mit Verlaub – alten Säcke in der jungen BVB-Mannschaft. Doch gerade Mannschaftskapitän Kehl zeigt sich in einer herausragender Verfassung und straft Kritiker, die schon zum Abgesang anstimmten, lügen.

Borussia Dortmunds Kapitän Sebastian Kehl ist neben Torwart Roman Weidenfeller der „alte Sack“ in der Rasselbande des Tabellenführers. Deswegen wird er mir nachsehen, dass er mit dem Werbeslogan eines alten Hausmittels gewürdigt wird, das eher mit älteren Herrschaften in Verbindung gebracht wird: Nie war er wertvoller als heute, so warb einst Klosterfrau Melissengeist für die wohltuende Wirkung des Elixiers.

Ob und wie oft Sebastian Kehl im Laufe seiner Karriere auf den Trank zurückgegriffen hat, ist nicht bekannt. Und ganz sicher hat er Besseres im Haus, um auf seinen heutigen 32. Geburtstag anzustoßen. Aber den Werbespruch kann Kehl allemal für sich in Anspruch nehmen: Nie war der Fußballer Sebastian Kehl besser als heute! Auch beim ungefährdeten 1:0-Sieg des Tabellenführers gegen Bayer Leverkusen zeigte der Anführer wieder seine Klasse und zählte zu den auffälligsten Akteuren seiner Mannschaft.

Kehl trumpft auf wie eh und je

In schöner Regelmäßigkeit straft der Stratege seine Kritiker Lügen, indem er nach mehr oder weniger schwereren Verletzungen plötzlich wieder auftrumpft wie eh und je. Nach leichten Anlaufschwierigkeiten zu Beginn der Saison ist Kehl inzwischen wieder eine wichtige Schaltstelle im Getriebe des deutschen Meisters, seit Beginn der Rückrunde spielt unsere Nummer 5 auf der Position des „Sechsers“ schlicht überragend. Nicht so auffällig und spektakulär wie der zurecht frenetisch gefeierte Shinji Kagawa, aber immens fleißig, mit gutem Auge, stabilisierend - einfach Klasse!

Eine Verlängerung des zum Saisonende auslaufenden Vertrages ist dem Vernehmen nach kaum mehr als eine Formsache, gut so! Wie die anderen richtungsweisenden Personalien der vergangenen Wochen - Reus, Klopp, Zorc, Watzke - wäre auch dies zu befürworten, denn in seiner derzeitigen Form wäre man fast geneigt, Sebastian Kehl das Prädikat „unverzichtbar“ anzuhängen. Allerdings gibt es dieses im System Klopp und bei der Borussia dieser Tage nicht, wie viele Beispiele belegen. Egal, ob sich Barrios, Subotic, Götze oder Bender verletzt - es hat fast den Anschein, als könnte nichts diese Mannschaft in ihrem Lauf aufhalten und in ihrer Entwicklung bremsen. Das ist erfreulich.

Ebenso erfreulich ist aber auch, dass ein Spieler wie Sebastian Kehl diese Mannschaft führt und sicher durch Spiele wie jenes eher zähe gegen Leverkusen führt. Mit vorzüglichem Stellungsspiel und feinen Pässen trug er erheblich dazu bei, dass der Vizemeister des Vorjahres in Dortmund kaum zur Geltung kam und (aus neutraler Sicht) erschreckend harmlos blieb. Wie schon in den Partien beim 1.FC Nürnberg, gegen Hoffenheim und in Hamburg bot Kehl eine überzeugende Vorstellung. 15 Bundesliga-Spiele machte der Kapitän in dieser Saison für den BVB, übrigens mit fast makelloser Bilanz – abgesehen von zwei Unentschieden verließ der BVB jedes Mal als Sieger das Spielfeld.

„Er tut uns gut“

Sein Trainer sagte unlängst über ihn: „Alles, was um ihn herum passiert, tut ihm gut - und er tut uns gut.“ Das Fachmagazin ‘Kicker’ notiert Sebastian Kehl mit einem vorzüglichen Notenschnitt von 2,77, in der Liste der Top-Feldspieler rangiert er damit auf Platz neun.

Von den acht Bundesliga-Kollegen vor ihm sind übrigens drei aus dem eigenen Verein, nämlich Mats Hummels, der derzeit verletzte Mario Götze und, na wer wohl? Natürlich Sven „Manni“ Bender, für den es zum wiederholten eine Lanze zu brechen gilt. In Nürnberg ausgeschieden mit einer Bänderverletzung, stand er gegen Leverkusen nach einer „Wunderheilung“ auf dem Platz, als sei nichts gewesen. Bender spielte nicht besonders auffällig, aber wie immer sehr solide und ließ einmal mehr überhaupt nichts anbrennen. Wie schafft es dieser Junge eigentlich, so schnell immer wieder fit zu werden? Sicher nicht mit Klosterfrau Melissengeist...

Sicher hingegen ist, dass Bender mit dem BVB-Kapitän vorzüglich harmoniert und dass dieses Duo im defensiven Mittelfeld großen Anteil an der erfolgreichen Spielweise der Borussia hat. Wie es aussieht, wird dies auch über diese Saison hinaus so bleiben, wenn Kehl seinen Vertrag verlängert. Was sicherlich bald passieren wird, denn die sportliche Leitung der Borussen weiß noch viel besser, was wir Fans seit Wochen auf dem Platz sehen: Nie war Sebastian Kehl so wertvoll wie heute!

Uli Vonstein (www.gibmich-diekirsche.de, 13. Februar 2012)