Dortmund. Marco Reus jagt sein großes Ziel: Einmal mit dem BVB Meister werden. Im Topspiel beim FC Bayern hat er an diesem Samstag die große Chance.
Jeder Fußballer erlebt im Laufe seiner Karriere eine Erkenntnis, die ihn schmerzhafter treffen kann als so manche Grätsche. Gerade noch stand die Welt offen, Träume waren groß. Und dann kommt der Tag, an dem das Ende näher ist als der Anfang. Marco Reus berichtete mal kurz vor seinem 30. Geburtstag, dass er sich vom Typ her immer noch als jungen Spieler sehe, aber irgendwann selbst gemerkt hatte: „Hey, Marco, in vier, fünf Jahren ist das Ding gelaufen für dich. Spätestens.“
Marco Reus eine Bereicherung für den BVB
Noch läuft das Ding. Nicht mehr ewig lang zwar, aber dafür in diesem Jahr sehr erfolgreich. Borussia Dortmund ist Tabellenführer der Fußball-Bundesliga. Reus spielt viel, trifft regelmäßig, sorgt noch immer für besondere Momente in Schwarz und Gelb. Auch im Alter von inzwischen 33 Jahren bleibt er eine sportliche Bereicherung für den BVB, auch wenn er längst nicht mehr so herausragt wie vor ein paar Jahren. Als Mannschaftskapitän und gebürtiger Dortmunder aber ist er nach wie vor eine Identifikationsfigur für die Menschen.
Reus’ Worte stammen aus dem Januar des Jahres 2019. Auch da stand der BVB an der Spitze. Im Mai sollte trotzdem wieder Bayern München jubeln. Auf dem Weg, der nicht zum Titel führte, verlor Dortmund Ende April das Derby gegen ein schwaches Schalke 04 auf aberwitzige Weise mit 2:4. Reus, der Unvollendete, sah Rot – sinnbildlich für seine Karriere, in der ein bemerkenswerter Fußballer bemerkenswert wenige Titel gewonnen hat.
BVB beim FC Bayern: Mit Angsthasen-Fußball kommt Dortmund nicht weit
Das könnte sich ändern. Die Dortmunder reisen am Samstag mit einem Punkt Vorsprung in den Süden Deutschlands, wo (18.30 Uhr/Sky) Rekordmeister Bayern München zum Spitzenspiel bittet. „Es ist nicht das entscheidende Spiel, aber ein sehr wichtiges“, sagt Reus. Vielleicht sein wichtigstes.
Auf einem Lkw mit der Meisterschale um den Borsigplatz zu tuckeln, ist Reus’ Lebenstraum, „das Ding irgendwann einmal hochzuhalten, das wäre brutal schön, gigantisch, ein Traum.“ Diese Saison, in der die Bayern ungewöhnlich stark schwächeln, bietet womöglich die letzte Chance darauf.
Zwei Pokalsiege (2017 und 2021) stehen in seiner Vita. Als der BVB unter Jürgen Klopp zu zwei Meisterschaften stürmte, kämpfte Reus noch mit Borussia Mönchengladbach teilweise um den Klassenerhalt. Dorthin hatte es ihn über den Umweg Rot Weiss Ahlen verschlagen, nachdem ihn sein Herzensklub vor die Tür gesetzt hatte. In der Dortmunder U17 hielt man den Dribbler für zu schmächtig, um sich im Profifußball durchsetzen zu können – eine gravierende Fehleinschätzung, die den BVB im Sommer 2012 dann 17 Millionen Euro gekostet hatte, um Reus nach Hause zu holen.
Die Titel aber (und Dortmunds beste Spieler) gingen in den folgenden Jahren nach München. Reus wurde zudem immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen. Der Tiefpunkt: die verpasste Weltmeisterschaft 2014, als sein Kumpel Mario Götze Deutschland den goldenen Pokal bescherte. Reus, vorher in der Form seines Lebens, musste vom Sofa zuschauen.
Ein Idol der BVB-Fans
Die erfolgreichen Klopp-Jahre endeten kurz darauf abrupt, fast im Fiasko. Zum Jahreswechsel 2014/15 stürzte die Mannschaft ans Tabellenende ab. Reus verlängerte seinen Vertrag lieber, statt woanders einem Titel nachzujagen.
Das imponierte. Auch ohne Schale ist Marco Reus ein Idol, bald werden die Fans auch sein Konterfei auf die grauen Wände des Stadions pinseln.
Mehr News und Ereignisse rund um den BVB
- Anschlag auf den BVB: Wie ein Österreicher die Spur zum Täter fand
- BVB: Kehl spricht über die Verletzten und Tuchel
- Bleibt er doch? BVB überlegt bei Raphael Guerreiro
- BVB-Kapitän Marco Reus wird bei Frage zu seiner Zukunft deutlich
Wann das sein wird? Vermutlich, nachdem Reus seine Karriere beendet. Sein Wunsch ist es, dies in Dortmund zu tun – aber noch nicht in diesem Sommer, auch wenn sein Vertrag Ende Juni ausläuft. „Es gibt noch nichts zu verkünden“, sagt BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl. Während der Länderspielpause habe Kehl Gespräche geführt, „aber ich kann weder zu Marco noch zu den anderen heute mehr sagen. So weit sind wir jetzt noch nicht, ich glaube auch, wir sollten uns erst mal auf die kommenden drei Spiele konzentrieren, danach werden wir eine Entscheidung fällen.“ Nach dem Spiel in München folgen das Viertelfinale im DFB-Pokal bei RB Leipzig am Mittwoch (20.45 Uhr/ZDF) sowie das Liga-Heimspiel gegen Union Berlin am Samstag (15.30 Uhr/Sky).
BVB: Marco Reus ist nach wie vor das prägende Gesicht
Beide Seiten sind grundsätzlich an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert – es geht jedoch darum, dass sie bei den Verhandlungen ihr Gesicht waren. Reus ist noch immer das prägende Gesicht des Klubs, möchte sich diese Position entsprechend vergüten lassen. Der Borussia jedoch ist daran gelegen, ein Signal zu senden, dass allmählich neue Hierarchien im Kader herbeigeführt werden.
Im Interview vom Anfang wurde BVB-Kapitän Marco Reus auch danach gefragt, was es bedeuten würde, in den Karriereherbst zu starten. Er antwortete: „Alles ist jetzt Genuss.“ Eine Meisterschaft wäre es ganz besonders.