Dortmund. Sky zeigt eine sehenswerte Dokumentation über den Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus vor sechs Jahren. Sie überzeugt aus zwei Gründen.

Spiele von Borussia Dortmund sind eine Faszination. Rund 81.000 Menschen können sie im Stadion verfolgen. Für viele mehr aber ist der Weg ins Ruhrgebiet zu weit.

Für Rudolf Scheuchl zum Beispiel. Er lebt in Bad Ischl, Österreich. Sein Haus ist schwarz-gelb dekoriert, die Spiele seines BVB schaut er auf einer Leinwand. An einen Zufall glaubt er nicht, als er am 12. April 2017 die Nummer der Dortmunder Polizei in sein Telefon eintippt, er spricht mit einem Beamten, der in der „um 8 Uhr in der Früh nicht die große Begeisterung dafür hatte, dass ihm ein Ösi irgendetwas von einem Put (Anm. d. Red. Aktien-Spekulation) erzählt“, erinnert sich Scheuchl. Er bemüht sich zwar, hochdeutsch zu sprechen („Das ist für mich ganz was Schwieriges“), aber dass er gerade dabei ist, den Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus vom Vorabend aufzuklären, können sie sich bei der Polizei offenbar nicht vorstellen.

BVB: Anschlag vor dem Spiel gegen AS Monaco

Die Szene stammt aus der Sky-Dokumentation „Der Anschlag – Angriff auf den BVB“, die am 10. April erscheinen wird und den Abend rekonstruiert, der zu einer der größten Tragödien der Fußballgeschichte hätte werden können. Sergej W., der später als Attentäter überführt wurde, hatte einen Sprengsatz in der Nähe des Hotels gezündet, in dem sich die Mannschaft auf das Champions-League-Heimspiel gegen die AS Monaco vorbereitet hat. Metallstäbe sollten sich, so sein perfider Plan, nach Abfahrt zum Stadion durch die Scheiben des Busses bohren. Wegen versuchten Mordes in 28 Fällen wurde er später zu 14 Jahren Haft verurteilt. Sein Motiv? Habgier. Dazu später mehr.

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Sehenswert ist der Film von Christian Twente und Markus Brauckmann aus zwei Gründen. Er ist spannend erzählt und die beiden Autoren haben viele, teils bewegende Gespräche geführt, mit dem damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Vertretern von Polizei und Staatsanwaltschaft, BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke – und mit Spielern, die an diesem Abend um ihr Leben gebangt haben. „Ich habe echt gedacht, dass gleich Leute reinkommen und uns erschießen“, erzählt Nuri Sahin. „Ein Teil von Borussia Dortmund wird immer damit verbunden sein, die Community ist enger zusammengerückt.“ Seine Augen werden glasiger. „Es gibt ja auch ein Lied: ‚Aber eins aber eins, das bleibt besteh‘n, Borussia Dortmund wird nie untergehen ‘ - das singen die Fans nicht ohne Grund.“

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Rache-Gefühle? Sahin schüttelt den Kopf und sagt: „Ich hoffe, dass er es bereut und eine zweite Chance im Leben bekommt und sich diese gibt.“ Es ist der stärkste Moment dieses Films. Die Explosionen am Bus lösten Traumata bei vielen aus, körperlich verletzt wurde lediglich Marc Bartra. „Niemand will erleben, was mir passiert ist“, sagt der Spanier. „Andererseits ist dadurch so viel Liebe entstanden, die ich von meinen Mannschaftskameraden gespürt habe und die mir die Fans entgegengebracht haben. Das gibt mir ein unglaublich schönes Gefühl.“

Schockert: die BVB-Spieler Nuri Sahin (vorne) und Sven Bender.
Schockert: die BVB-Spieler Nuri Sahin (vorne) und Sven Bender. © dpa

Die Uefa nahm keine Rücksicht auf den emotionalen Ausnahmezustand der Spieler, die Mannschaft musste antreten. Natürlich schied der BVB gegen Monaco aus der Königsklasse aus, der Umgang mit dem Anschlag führte entscheidend mit zum Bruch zwischen dem damaligen Trainer Thomas Tuchel und der Klubspitze um Boss Watzke.

BVB: Spekulationen auf fallenden Aktienkurs

Neben den emotionalen Interviews ist der Stoff filmreif erzählt. Wie die Polizei bei der Tätersuche zunächst im Dunkeln tappt. Links- oder Rechtsextremismus? Islamistischer Terrorismus? Hooliganismus? Niemand kommt das eigentlich Tätermotiv. Bis auf Rudolf Scheuchl eben, den schwarz-gelben Österreicher.

Sergej W.
Sergej W.

Sergej W. hatte Put-Optionsscheine auf die BVB-Aktie im großen Stil gekauft, eine Art Versicherung auf schwankende Aktienkurse. Sinkt die Aktie schnell und stark, verdient man Geld. Wie man das aus Sicht von W. herbeiführen konnte? Den größten Wert des Klubs, seine Spieler, im Zweifelsfall zu töten.

BVB: So kam die Polizei dem Attentäter auf die Spur

Rudolf Scheuchl fielen mehrere Ungereimtheiten auf. Dass diese Optionen gehandelt werden, ist ungewöhnlich. Noch viel merkwürdiger war, dass sie in Frankfurt statt Stuttgart gehandelt wurden. Und abends ein Anschlag? Kein Zufall, meinte Scheuchl und blieb hartnäckig. Nach dem missglückten Telefonat mit der Polizei kontaktierte er den BVB, der wiederum die Polizei, die schließlich per IP-Adresse zurückverfolgen konnte, dass ein Paket der Put-Scheine aus dem Dortmunder Mannschaftshotel gehandelt worden war. Von dort zündete Sergej W. den Sprengstoff.

Als Dank bekam Rudolf Scheuchl fünf Eintrittskarten für das Heimspiel gegen Mainz im Mai 2018. Für Roman-Weidenfeller-Fan Scheuchl eine ganz besondere Partie, war es doch schließlich die letzte des Torwart-Idols.

Das war vielleicht doch Zufall.