Dortmund. Am Samstag gegen Hertha wird eine BVB-Legende verabschiedet: Michael Zorc - als Spieler und Sportdirektor ein großer Dortmunder. Eine Würdigung.

Als Michael Zorc 1981 aus der Jugend von Borussia Dortmund zu den Profis aufrückte, hieß der Bundeskanzler noch Helmut Schmidt. Abba hatte mal wieder einen Nummer-1-Hit, Super Trouper. Und der Kinofilm, über den alle sprachen, hieß „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“.

Das Bundesliga-Aufgebot des BVB war damals prall gefüllt mit etablierten Stars des Ruhrgebietsfußballs, nicht nur mit langjährigen Borussen wie Lothar Huber und Mirko Votava. Die ehemaligen Schalker Rolf Rüssmann, Rüdiger Abramczik und Jürgen Sobieray trugen inzwischen Schwarzgelb, die früheren Bochumer Jupp Tenhagen und Heinz-Werner Eggeling ebenfalls, und auch der Essener Junge Manni Burgsmüller fand sich im östlichen Revier bestens zurecht. Talent allein reichte nicht aus, um sich in diesem Kreis behaupten zu können, auch der im selben Jahr gewonnene U20-Weltmeistertitel war kaum mehr als ein Versprechen: Der junge Michael Zorc brauchte vor allem Mut – und Durchsetzungsvermögen.

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Zumal sie ihn auch noch hochnahmen. Wegen seiner lockigen Langhaarfrisur nannten sie ihn „Susi“, Rolf Rüssmann hatte ihm den Spitznamen verpasst. Michael Zorc aber ließ sich nicht beirren. Schon recht früh fiel er als defensiver und dennoch torgefährlicher Mittelfeldspieler auf, nebenbei schaffte er sogar auch noch sein Abitur. Beharrlich ging er seinen Weg.

Einen wie Michael Zorc wird es vermutlich nie mehr geben

Er sah die Welt, seine Heimatstadt aber war immer sein Zentrum. Michael Zorc blieb ein Leben lang Dortmunder. Als Spieler arbeitete er sich zum Kapitän hoch, als Sportdirektor gestaltete er die Geschicke seines Vereins über Jahrzehnte entscheidend mit. Seine Titelserie – einfach nur beeindruckend. Als Spieler wurde er Champions-League-Sieger, zweimal Deutscher Meister, einmal DFB-Pokalsieger; als Sportdirektor dreimal Deutscher Meister, dreimal DFB-Pokalsieger. In 463 Bundesligaspielen schoss er 131 Tore.

Jungprofi Michael Zorc Anfang der 80er-Jahre beim BVB.
Jungprofi Michael Zorc Anfang der 80er-Jahre beim BVB. © imago

An diesem Samstag hört er auf, mit 59 Jahren, nach 44 Jahren beim BVB. Das Heimspiel gegen Hertha BSC (15.30 Uhr/Sky) bildet den Rahmen für den Abschied. Die Fans, davon ist auszugehen, werden zu würdigen wissen, was dieser Mann für den Verein geleistet hat.

Der ewige Borusse geht – und einen wie ihn wird es vermutlich nie mehr geben. „Bei mir ist es ja auch eine besondere Situation, dass ich nach meiner Karriere in die sportliche Leitung gehen konnte“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. „Wäre ich Trainer geworden, hätte ich nicht ewig bleiben können. Aber das war mir auch bewusst: Weil ich mich in Dortmund immer wohlgefühlt habe und hier bleiben wollte, habe ich diesen Karriereweg eingeschlagen.“

Michael Zorc ließ sich auch als Sportdirektor nie vom BVB weglocken

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Es gab im Laufe der Jahre auch Möglichkeiten, den Verein zu verlassen. Als Spieler hatte er zumindest noch darüber nachgedacht, als Sportchef hat er nicht mal mehr gezuckt. Eher hätte man Karl Lagerfeld eine Jogginghose andrehen können, als ihn zu einem Wechsel zu überreden. Die Erklärung: „Ich hatte immer das Gefühl, dass es noch etwas zu entwickeln gab.“

Gab es besonders schöne Zeiten? „Als Spieler fällt mir zuerst der Pokalsieg von 1989 ein“, sagt Michael Zorc. „Der war so ursprünglich, das war der erste Titel seit 23 Jahren, der hat eine Explosion in Dortmund ausgelöst. Und dann die beiden Meisterschaften 1995 und 1996. Die erste war spektakulär, die zweite eine großartige Bestätigung. Und als Sportdirektor ist es kein Geheimnis, dass die Zeit mit Jürgen Klopp als Trainer für uns alle berauschend und prägend war.“

Die Krisenjahre des BVB ab 2004 waren auch für Zorc die schwierigsten

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Aber es gab auch andere Phasen. 2004 jagte eine Schreckensnachricht die andere, Anfang 2005 stand der Verein kurz vor der Insolvenz. Da waren Existenzängste spürbar, Michael Zorc nennt diese Zeit „ex­trem belastend“. Aber auch, als das Schlimmste überwunden war, wurde sein Job nicht vergnügungssteuerpflichtig. „Die Zeit danach mit der Restrukturierung war auch nicht ganz einfach, weil das Stadion immer noch voll war, die Erwartungshaltung nur sukzessive zurückging, wir aber gar nicht mehr die wirtschaftlichen Mittel hatten, um dieser Erwartungshaltung gerecht zu werden. Wir hatten die Aufgabe, innerhalb von anderthalb Jahren das Gehaltsbudget zu halbieren. Aber wir haben diese anstrengende Zeit mit relativ wenigen Schrammen überstanden. Andere sind unter vergleichbaren Umständen abgestiegen. Teilweise mehrfach.“

Der BVB aber wurde 2011 und 2012 wieder Deutscher Meister, stand 2013 im Champions-League-Finale. Und ist heute hinter dem FC Bayern unbestritten die zweite Kraft im deutschen Fußball.

Viel Lob von den Wegbegleitern für den treuen Borussen

Michael Meier, bis 2005 Manager der Borussia, bescheinigte Michael Zorc zu dessen Spielerzeiten anerkennend, dass er „die Primärtugenden dieser Region“ verkörpere: „Er ist bodenständig, kampfstark, zuverlässig und bescheiden.“ Auch außerhalb des Rasen-Rechtecks blieb er so, eitele Selbstbespiegelung war nie sein Bestreben.

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„Michael hat den Verein wie kaum ein anderer geprägt“, schwärmt Präsident Reinhard Rauball. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke betont, die 17 gemeinsamen Jahre mit Michael Zorc seien „sehr erfolgreich, vor allem aber auch auf der menschlichen Seite großartig“ gewesen. So was sagt man nicht, wenn es nicht stimmt.

Der große BVB wird auch ohne Michael Zorc Erfolge feiern. Aber sentimental darf man schon werden, wenn sich einer wie er nun ins Private zurückzieht.