Dortmund. Nach dem 1:2 bei Union Berlin ist die Aufbruchstimmung beim BVB dahin. Viel muss sich ändern, sonst geraten Ziele in Gefahr. Ein Kommentar.

Man hatte sich das alles wohl etwas zu einfach vorgestellt bei Borussia Dortmund, im Klub wie im Umfeld: Ein Trainerwechsel, weg mit dem zauderhaften, spröden Lucien Favre, dafür den deutlich dynamischeren, zupackenderen Co-Trainer Edin Terzic befördern – und schon würde alles irgendwie gut werden. Spätestens mit dem 1:2 bei Union Berlin und dem Ausfall fast aller Systeme zeigt sich, dass es ganz so leicht wohl nicht werden wird, dass es eine sehr komplizierte Saison für den BVB und eine immense Herausforderung für seinen neuen Trainer wird.

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Der 2:1-Sieg gegen Werder Bremen im ersten Spiel unter Terzic hatte ein Gefühl des Aufbruchs vermittelt, aber das war wohl ein trügerisches. Letztlich war dieser Sieg ja nur zustande gekommen, weil Werder Torhüter Jiri Pavlenka gegen Ende ein kapitaler Schnitzer unterlaufen war, als er Manuel Akanji im eigenen Strafraum abräumte.

So gut, dass es auch ohne große Anstrengung gehen wird

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Fatalerweise aber schien dieser Erfolg schon gereicht zu haben, um das alte Gefühl der Selbstzufriedenheit wieder in die Köpfe der Dortmunder zu pflanzen. Wir sind so gut, dass es auch ohne allzu große Anstrengung gehen wird – diesen Eindruck vermittelten die BVB-Profis in Berlin. Geht es aber nicht in der Bundesliga, gegen keinen Gegner. Wer Zweikämpfen großzügig aus dem Weg geht oder nur halbherzig führt, der kann kein Spiel gewinnen. Wer zudem in der Abwehr unerklärliche Fehler in Serie produziert, der wird noch einige Partien mehr verlieren.

Einziger Lichtblick war das Ausnahmetalent Youssoufa Moukoko, das zwar in den Zweikämpfen gegen die Berliner Innenverteidiger trotz seiner 16 Jahre meist recht alt aussah, das aber ackerte, rackerte, rannte, sich immer wieder den Gegenspielern entzog und fast alle gefährlichen Szenen beim BVB verantwortete. Wenn aber ein 16-Jähriger als einziger Torgefahr versprüht, dann stellt das den Mitspielern ein schlechtes Zeugnis aus. Wenn man sich dann bewusst macht, dass man dieses Urteil über viele Saisonspiele fällen kann, wenn man nur den 16-jährigen Moukoko durch den 20-jährigen Erling Haaland ersetzt, ist das wirklich bedenklich.

Hummels von Mitspielern alleingelassen

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Von den vermeintlichen BVB-Führungsspielern war bei Union kein Aufbäumen zu sehen, kein Vorangehen, kein Zeichensetzen. Wie so oft ließen sich jene, die der Mannschaft Halt geben sollen, widerstandslos mitreißen vom Strudel der Ereignisse. Marco Reus fehlten erneut die kreativen Momente, Axel Witsel und Emre Can machten das Spiel unnötig langsam. Thomas Meunier war offensiv schwach und defensiv fehlerhaft.

So blieb allein Mats Hummels, der aber, alleingelassen von den Mitspielern, auch nicht wirklich etwas ausrichten konnte und später ordentlich austeilte: „Unbegreiflich“ und „unverzeihlich“ seien die Fehler vor den Gegentoren gewesen, die Schwäche bei der Verteidigung von Standards. Sportdirektor Michael Zorc wirkte regelrecht verzweifelt, schon bevor der Eckball hereinflog, der zum 1:2 führte.

Die Ligaspitze ist für den BVB weit entfernt

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Hummels und Zorc sind erfahren genug, sie wissen beide: So wird der BVB seine Ziele verfehlen. Die Ligaspitze mit Leverkusen, Bayern und Leipzig enteilt – und auch das Minimalziel Platz vier, und damit die gerade in Corona-Zeiten eminent wichtige Champions-League-Qualifikation, gerät gehörig in Gefahr. Terzic ist bislang kein wirklicher Vorwurf zu machen, seit seiner Beförderung am vergangenen Sonntag hat er kaum Trainingszeit mit der Mannschaft gehabt. Aber er muss nun zeigen, dass er schnell die richtigen Schlüsse ziehen, die richtigen Maßnahmen ergreifen kann.

Denn zum Ausklang der Hinrunde muss der BVB im Januar noch gegen die starken Wolfsburger und bei den noch stärkeren Leipzigern und Leverkusenern ran. Dort muss die Mannschaft ein ganz anderes Gesicht zeigen – sonst wird es richtig ungemütlich.