Dortmund. Rassismus zu bekämpfen ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft, sagt BVB-Verteidiger Zagadou. Ein Gespräch über seine Ziele und das neue Team.

Ganz rund bewegt sich Dan-Axel Zagadou nicht, als er über die Terrasse des Grand Resort Bad Ragaz angelaufen kommt. Der Innenverteidiger von Borussia Dortmund hat Kniebeschwerden, deswegen kann er zurzeit nicht trainieren. Auf die Laune des 21-Jährigen aber hat das offenbar keinen großen Einfluss, immer wieder zeigt der 1,96-Meter-Hüne sein typisches breites Grinsen und gibt im Interview bereitwillig Auskunft: über seine Ziele für die kommende Saison, die vielen jungen Spieler in der Mannschaft, die Anfänge als Fußballer – und bittere Erfahrungen mit Rassismus.

Die wichtigste Frage zuerst: Wie geht es dem Knie?

Dan-Axel Zagadou: Es geht. Ich habe mich während des Testspiels beim SCR Altach verletzt und zwar an dem Knie, an dem ich in der letzten Saison schon den Außenband-Anriss hatte. Ich weiß noch nicht genau, was es jetzt für eine Verletzung ist, aber ich werde wohl nicht so lange ausfallen – hoffe ich zumindest.

Mal angenommen, Sie trainieren wieder mit der Mannschaft und der Trainer setzt ein Trainingsspiel Jung gegen Alt an – in welcher Mannschaft spielen Sie als 21-Jähriger dann?

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Zagadou: (grinst) Bei den Jungen natürlich!

Sind sie sicher, bei all den noch jüngeren Spielern, die Dortmund inzwischen hat?

Zagadou: Ganz sicher! Und: Weil die Jungs so gut sind, bin ich auch ganz sicher, dass wir das Spiel gewinnen.

Wie fühlt sich das denn an, von so vielen Jungspunden umgeben zu sein?

Zagadou: Natürlich ist es als junger Spieler oft einfacher mit vielen anderen jungen Spielern in der Mannschaft, weil man ähnliche Interessen hat. Aber ich hatte auch nie Probleme mit den älteren Spielern, mit denen kann ich mich genauso gut unterhalten.

Youssoufa Moukoko ist mit gerade einmal 15 Jahren dabei. Sie stehen ihm als Verteidiger oft gegenüber – wie macht er sich?

Dan-Axel Zagadou (l.) im Duell mit Sturmhoffnung Youssoufa Moukoko.
Dan-Axel Zagadou (l.) im Duell mit Sturmhoffnung Youssoufa Moukoko. © firo

Zagadou: Er ist sehr stark. Ich habe noch nie so einen guten 15-Jährigen gesehen. Aber er ist jung, deswegen sollten wir ihn in Ruhe lassen, ihn sich in Ruhe entwickeln lassen. An ihm wird Dortmund noch viel Spaß haben.

Sie sind auch als junger Spieler mit 18 zu den Profis gestoßen. Können Sie ihm mit Ihren Erfahrungen helfen?

Zagadou: Ein bisschen schon. Er spricht ja auch Französisch und wir verstehen uns gut. Wenn er etwas braucht, weiß er, dass er mich fragen kann. Aber er spricht ja deutsch, er kommt aus dem Klub, er wird also keine Probleme haben, sich zurechtzufinden.

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Was machen die Neuzugänge Jude Bellingham und Thomas Meunier für einen Eindruck?

Zagadou: Das sind super Spieler. Aber auch die ganzen jungen Spieler, die jetzt dabei sind. Sie sind sehr stark und haben großes Talent. Sie werden uns noch viel Freude bereiten.

Mit Meunier vergrößert sich die große Gruppe der französischsprachigen Spieler nochmal.

Zagadou: Stimmt, und das ist natürlich angenehm für mich. Aber man muss auch Englisch und Deutsch können.

Und, wie klappt es mit Deutsch?

Zagadou: Puh, das ist schon sehr, sehr hart.

Die Kollegen sagen, abseits des Platzes seien Sie ein großer Entertainer. Stimmt das?

Zagadou: (grinst) Ich mag es gerne, mit anderen Menschen zu lachen. Von daher ist das sicher nicht verkehrt.

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Sie haben in der vergangenen Saison ihren Durchbruch erlebt, waren bis zu Ihrer Verletzung Stammspieler. Was sind jetzt die Ansprüche?

Zagadou: Das sind immer noch die gleichen: Ich will so viel spielen wie möglich. Aktuell geht es wegen meiner Knieverletzung erst einmal darum, so schnell wie möglich auf den Platz zurückzukehren – aber dann will ich so viel wie möglich spielen und der Mannschaft weiterhelfen.

Letzte Saison sprang die Vizemeisterschaft heraus. Was ist dieses Mal das Ziel?

Zagadou: Der Klub hat ja schon gesagt, dass es kein offizielles Ziel gibt. Aber für jeden Spieler bei solch einem Klub ist doch klar: Du willst immer Erster werden, Meisterschaften gewinnen, in der Champions League so weit wie möglich kommen, Pokalsieger werden. Wenn möglich, wollen wir alles gewinnen. Darum sind wir Profis, dafür machen wir das. Ob das realistisch ist und ob es klappt, ist eine ganz andere Geschichte.

Es dürfte schwierig werden.

Zagadou: Klar, weil auch die anderen Mannschaften immer gewinnen wollen. Das wird ein harter Kampf, aber wir werden alles dafür tun und haben die nötige Qualität.

Dan-Axel Zagadou bejubelt einen Treffer gegen Bayer Leverkusen.
Dan-Axel Zagadou bejubelt einen Treffer gegen Bayer Leverkusen. © firo

Was muss besser werden?

Zagadou: Wir müssen mehr Spiele gewinnen, vor allem jene, die auf dem Papier einfach aussehen. Wir haben letztes Jahr zu viele Fehler gegen die sogenannten kleinen Mannschaften gemacht – wobei es keine wirklich kleinen Mannschaften in der Bundesliga gibt. Wir müssen diese Spiele ernsthafter und konzentrierter angehen, dann werden wir auch erfolgreicher sein.

In der vergangenen Saison lief es in der Rückrunde deutlich besser als in der Hinrunde. Warum?

Zagadou: In der Hinrunde lief es irgendwie nicht, da hatten wir nie so ein gutes Gefühl wie in der Vorsaison. Dann haben wir umgestellt von Vierer- auf Dreierkette und es lief deutlich besser. Außerdem sind Erling Haaland und Emre Can im Winter dazugekommen, zwei richtig gute Spieler, die uns sehr geholfen haben.

Ist die Mannschaft besser als im letzten Jahr?

Zagadou: Ich denke schon. Wir sind besser vorbereitet, das Trainingslager war super und ich bin überzeugt, dass wir besser in die Saison starten werden.

Auch weil Jadon Sancho bleibt?

Zagadou: Das hat mich sehr gefreut, weil er für unsere Mannschaft so wichtig ist. Er schießt viele Tore und bereitet viele vor – und ich hoffe, dass er das auch in der kommenden Saison tut.

Fühlen Sie sich als Innenverteidiger eigentlich in einer Dreier- oder Viererkette wohler?

Zagadou: Das ist mir nicht wichtig, ob es drei oder vier Abwehrspieler sind, für einen Innenverteidiger ändert sich nicht viel. Aber die Umstellung hat uns als Mannschaft gut getan, keine Frage.

Aktuell macht es aber den Eindruck, als würde Lucien Favre im Training an der Rückkehr zur Viererkette arbeiten.

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Zagadou: Es gibt aktuell einige verletzte Spieler, gerade in der Abwehr. Das könnte ein Grund dafür sein. Aber ich kann nicht in den Kopf des Trainers schauen, was er plant. Noch ist ja viel Zeit bis zum Saisonstart.

Ihr Vertrag läuft 2022 aus, Sportdirektor Michael Zorc hat schon einmal angedeutet, dass er gerne verlängern würde. Sie auch?

Zagadou: Noch hat er mich nicht drauf angesprochen. Ich fühle mich in Dortmund wohl, ich habe keinen Grund, den Klub zu wechseln – und ich habe ohnehin noch einen langfristigen Vertrag. Deswegen lasse ich das in Ruhe auf mich zukommen.

Von Ihnen liest und hört man eher wenig Interviews. Stehen Sie nicht gern in der Öffentlichkeit?

Zagadou: Nicht besonders. Ich bin ein sehr zurückhaltender Mensch, ich bleibe gerne in meiner Ecke. Deswegen wird man auch in Zukunft nicht so viele Interviews von mir lesen.

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Ihren Instagram-Kanal nutzen Sie immer wieder, um sich gegen Rassismus und Gleichberechtigung auszusprechen. Warum ist Ihnen das wichtig?

Zagadou: Zunächst mal, weil ich selbst schwarz bin. Dabei ist das eigentlich kein guter Grund: Jeder sollte Rassismus bekämpfen, unabhängig von der Hautfarbe. Viele Dinge, die sich derzeit auf der Welt abspielen sind für mich schwer zu ertragen. Und ich war selbst schon Opfer von Rassismus, ich wurde mehrmals von der Polizei kontrolliert, nur weil ich schwarz bin, als ich in Paris gelebt habe. Beim Fußball wollten manche Eltern ihre Kinder nicht gegen meine Mannschaft spielen lassen, weil ich groß und schwarz bin. Das ist schrecklich und deswegen versuche ich, mit meinen Mitteln zu Veränderungen beizutragen.

Würden Sie sich wünschen, dass andere Profis oder Prominente sich ähnlich engagieren?

Zagadou: Ja, das ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft. Und wenn ich prominent bin, hat meine Stimme ein gewisses Gewicht. Ich kann mehr Personen erreichen und ihnen zeigen, dass bestimmte Dinge einfach nicht gehen. Aber letztlich muss jeder gegen Rassismus kämpfen, in seinem Umfeld und darüber hinaus.

Müssten sich die Verbände stärker engagieren?

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Zagadou: Jeder muss sich stärker engagieren. Wenn wir immer noch Affenrufe in Stadien hören, wird offensichtlich noch nicht genug getan.

Vor dem Bundesligaspiel des BVB gegen Hertha haben beide Mannschaften durch Hinknien ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt.

Zagadou: Das hat mich sehr gefreut. Ich war leider nicht dabei, weil ich verletzt war und wegen der strengen Corona-Regeln nicht ins Stadion durfte. Ich habe es also am Fernseher gesehen und war sehr stolz auf beide Mannschaften.

Reden wir über Ihre Anfänge. Wie begann das mit dem Fußball eigentlich?

Zagadou: Ich habe mit sechs Jahren angefangen, weil meine großen Brüder auch Fußball gespielt haben. Wenn sie kein Fußball gespielt hätten, hätte ich es auch nicht gemacht. Wir haben auf Kies oder asphaltierten Plätzen gespielt. Wir hatten keine Tore, die haben wir mit Jacken oder anderen Dingen markiert. Wir haben mit Tannenzäpfen oder Schaumstoffbällen gespielt. Das war die schönste Zeit für mich.

Gab es nie etwas anderes als Fußball?

Zagadou: Es gab immer nur den Fußball. Deswegen war ich in der Schule auch nicht besonders gut, weil ich nichts anderes im Kopf hatte.

Mit zwölf sind sie zu Paris Saint-Germain gewechselt. Dort ist der Druck deutlich größer. Hat das etwas von dem Spaß genommen?

Zagadou: Nein, ich habe keinen Druck gespürt, als ich zu PSG kam. Ich habe damals noch nicht drüber nachgedacht, dass ich mal einen Profivertrag unterschreiben könnte.

Wann wurde Ihnen das klar?

Zagadou: Als ich mit 16 Jahren in die französische Juniorennationalmannschaft berufen wurde. Das waren die besten jungen Spieler des Landes – und ich gehörte dazu. Das war schon sehr besonders.

Mit 1,96 Metern fast unbezwingbar in der Luft: BVB-Verteidiger Dan-Axel Zagadou.
Mit 1,96 Metern fast unbezwingbar in der Luft: BVB-Verteidiger Dan-Axel Zagadou. © dpa

Sie waren aber nicht immer Verteidiger.

Zagadou: Nein, anfangs habe ich im linken Mittelfeld gespielt, dann im Zentrum. Aber als ich immer größer wurde, hat man mich in die Abwehr gestellt.

Nach Deutschland kamen Sie dann mit gerade einmal 18. Wie schwierig war dieser Schritt in eine fremde Umgebung?

Zagadou: Das war schon hart, aber ich war ja nicht alleine: Mein großer Bruder hat mich begleitet. Der ist immer da für mich. Und im Klub hat man mich großartig aufgenommen. Ehrlich gesagt kann ich auch keine großen Unterschiede zwischen dem Leben in Frankreich und in Deutschland – außer dass man hier Deutsch spricht.

Was machen Sie denn, wenn Sie gerade kein Fußball spielen?

Zagadou: Nicht viel. Ich bin meistens zu Hause. Als es noch erlaubt war, waren sehr oft Freunde oder die Familie bei mir. Ich bin ein ruhiger Mensch und brauche keinen großen Trubel.