Bad Ragaz. Der BVB trainiert in Bad Ragaz die Viererkette. Lucien Favre will mehr Flexibilität – ein komplettes Abrücken von der Dreierkette wäre riskant.
Irgendwann war dann auch Emre Can an der Reihe: Im Testspiel von Borussia Dortmund beim SCR Altach tauchte der 26-Jährige in der 85. Minute im gegnerischen Strafraum auf und erzielte das fünfte von letztlich sechs Toren beim lockerleichten 6:0 (3:0)-Erfolg. Das war schon ein wenig überraschend, denn Can war als Abwehrspieler eingeteilt. Genauer: als Innenverteidiger einer Viererkette. Und nicht nur der eigentlich nicht vorgesehene Laufweg vor das gegnerische Tor war überraschend, sondern auch die Position an sich.
Der BVB-Trainer Lucien Favre feilt an defensiven Abläufen
Wobei: Abgezeichnet hatte sich schon, in welcher Formation Lucien Favre die seinen ins Spiel schicken würde. Von Montag an hatte der BVB-Trainer mit seinen Spielern an defensiven Abläufen gefeilt – und zwar in der Viererkette. Dabei war doch in der Vorsaison die Wende zum Positiven erst dadurch gekommen, dass der BVB umgestellt hatte von Vierer- auf Dreierkette und so deutlich mehr defensive Stabilität gefunden hatte.
Nun aber, im Testspiel beim österreichischen Bundesligisten SCR Altach, vollzog Favre die Kehrwende, setzte wieder auf vier Mann in der Abwehr. In der ersten Hälfte waren es Mateu Morey, Lukasz Piszczek, Manuel Akanji und Nico Schulz, in der zweiten Thomas Meunier, Emre Can, Dan-Axel Zagadou und Raphael Guerreiro.
Fließender Wechsel während des Spiels?
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Wagt Favre also die Rückkehr zur von ihm eigentlich bevorzugten Abwehr-Formation? Die richtige Antwort müsste wohl lauten: Jein. Der Trainer will die taktische Flexibilität erhöhen, will, dass seine Spieler die Dreier- und Viererkette beherrschen. Er träumt davon, dass die Mannschaft auch im Spiel fließend wechseln kann zwischen beiden Formationen, dass etwa Emre Can zwischen Abwehr und Mittelfeld pendelt – und dazu müssen beide Varianten sitzen.
Denn für beide Varianten gibt es gute Argumente. Mit der Dreierkette in der Abwehr war nicht nur mehr defensive Stabilität gefunden, sondern auch die perfekte Position für Raphael Guerreiro, dessen überragende Offensivfähigkeiten stets begleitet wurden von Schwächen in der Rückwärtsbewegung – und der nun besser abgesichert war. Auf der anderen Seite war es mit Achraf Hakimi ähnlich, der aber wechselte zu Inter Mailand.
Sein Ersatzmann Thomas Meunier bringt mehr defensives Können mit, was den Schwenk zur Viererkette erleichtern könnte. Zudem wäre im Mittelfeldzentrum ein Platz mehr frei für das Überangebot an Spielern auf dieser Position – und mehr Spieler im Zentrum bedeutet meistens auch mehr Chancen auf Spielkontrolle. Zudem wäre im 4-2-3-1-System auch die Position frei, die Kapitän Marco Reus am liebsten spielt – als der BVB mit Dreierkette agierte, gab es die Spielmacherrolle gar nicht mehr.
Wie der BVB wirklich in die Saison startet, welches die Grundformation ist, das ist einen Monat vor dem Pflichtspielstart und nach zwei Wochen Vorbereitung freilich noch nicht absehbar. Sicher ist nur: Favre wird sich seine Wahl gut überlegen. Sollte er vom erfolgreichen System der vergangenen Saison abrücken und das Experiment schiefgehen, geriete der Trainer wieder einmal in Erklärungsnot.