Bad Ragaz. Borussia Dortmund geht erneut nur mit einem echten Stürmer in die Saison. Für Erling Haaland hat der BVB aber noch jemanden in der Hinterhand.

Erling Haaland tritt an, nimmt Tempo auf und zieht in höchstem Tempo an Lukasz Piszczek vorbei. Dann nimmt er die Hände vom Lenker und jubelt, als habe er gerade eine Alpenetappe der Tour de France gewonnen. Typisch Haaland: Selbst die Radfahrt vom Hotel zum Sportplatz Ri-Au in Bad Ragaz macht der Stürmer von Borussia Dortmund zum Wettkampf – und wenn es schon ein Wettkampf ist, möchte ihn der Norweger auch gewinnen.

Im Training feiert der 20-Jährige jedes Tor mit fast kindlicher Freude – und es kommen etliche Treffer zusammen. Jede vergebene Chance begleitet er mit wilden Flüchen. Mit seinem brennenden Ehrgeiz tat Haaland dem BVB schon in der vergangenen Saison gut, mit seiner Torquote ohnehin: Im Winter gekommen, erzielte er in 18 Spielen 16 Treffer und bereitete drei weitere vor.

Und doch gab es im Sommer in Dortmund eine Stürmerdiskussion. Genauer: eine Fehlender-Stürmer-Diskussion. Es ist ja gerade einmal ein gutes halbes Jahr her, dass BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke auf der Mitgliederversammlung einen maximal zerknirschten Auftritt hinlegte, nachdem der ohnehin durch den November kriselnde Klub tags zuvor im Heimspiel (!) gegen den späteren Absteiger SC Paderborn (!!) nach einem 0:3-Rückstand (!!!) so eben noch 3:3 gespielt hatte. Watzke räumte ein: Man hätte im Sommer einen zweiten Stürmer neben Paco Alcácer holen müssen. „Es war ein Fehler von uns. Das haben wir mittlerweile erkannt“, sagte er unter dem Applaus der Mitglieder.

BVB-Sportdirektor Zorc: Alcácer war sehr verletzungsanfällig

Inzwischen ist Haaland gekommen, dafür aber Alcácer gegangen. Wiederholt der BVB also sehenden Auges den Fehler, mit nur einem Neuner in die Saison zu gehen? Nein – findet Michael Zorc. „Paco war sehr verletzungsanfällig“, sagt der BVB-Sportdirektor. Haaland ist das nicht, allerdings ist der Norweger auch nicht so unkaputtbar wie seine Vorgänger Robert Lewandowski und Pierre-Emerick Aubameyang. „Ich will jedes Spiel machen“, sagt der 20-Jährige zwar. Aber der Körper entwickelt sich eben noch, da kann keiner garantieren, dass er 40 oder sogar mehr Pflichtspiele macht.

Nicht so schlimm, meint Zorc. „Wir haben unser System ein wenig umgestellt, dadurch sind auch andere Spieler in die Rolle des Stürmers geschlüpft“, meint er. „Wir haben die Möglichkeit mit zwei Stürmen zu spielen, da muss es nicht der klassische Neuner sein.“ Dann können Thorgan Hazard, Julian Brandt, Giovanni Reyna oder Jadon Sancho vorne wirbeln. „Wir sehen uns da durchaus okay aufgestellt“, urteilt Zorc.

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Haalands wuchtige Präsenz im Strafraum aber gibt es so nur einmal im Kader. Niemand anders hätte beispielsweise für den Last-Minute-Sieg in Düsseldorf sorgen können, als der Norweger eine Verzweiflungsflanke aus dem Halbfeld einköpfte.

BVB hatte 2019 Bas Dost verpflichten können

Was aber wäre die Alternative? Dortmund bräuchte einen Stürmer, der einerseits die Position besser ausfüllen würde als Brandt, Hazard und Sancho, sich andererseits aber in den meisten Spielen klagloß auf die Bank setzen würde. Er müsste groß und wuchtig sein, aber auch mit dem Ball umgehen können – vor einem Jahr etwa hätte der BVB nach Informationen dieser Redaktion Bas Dost verpflichten können, verwarf den Plan aber, weil er nicht zur Spielweise von Trainer Lucien Favre passte. Und: Kosten sollte er bitteschön dann auch nicht viel.

Denn in Corona-Zeiten ist das Geld knapp, Geld für einen Bankdrücker will der BVB da nicht ausgeben. Und daran hätte sich nach Informationen dieser Zeitung auch nichts geändert, wenn man tatsächlich Jadon Sancho für 120 Millionen Euro verkauft hätte. "Bluff" des BVB? TV-Experten erwarten Sancho-TransferJadon Sancho für 120 Millionen Euro verkauft hätte. "Bluff" des BVB? TV-Experten erwarten Sancho-Transfer

Zumal man ja noch jemanden in der Hinterhand hat: Youssoufa Moukoko, der in den Juniorenligen die Torrekorde nur so pulverisierte, trainiert ab sofort mit den Profis. Im November wird er 16 und könnte dann auch in der Bundesliga spielen. Man will den jungen Mann in Dortmund nicht mit Erwartungen überfrachten, aber man hält große Stücke auf ihn „Er ist besser, als ich mit 15 war“, sagt etwa Haaland. Und sollte sich Moukoko allen Erwartungen zum Trotz schwer tun, bei den Senioren Fuß zu fassen, bliebe Zeit, zu reagieren: Wegen der Corona-Krise ist das Transferfenster dieses Jahr bis zum 5. Oktober geöffnet.