Dortmund. Dortmunds Trainer gibt nur selten Einblick in seine Gedankenwelt. Die Kritik wächst - denn die Anhängerschaft giert gerade nach Erklärungen.

Um zu verstehen, warum Lucien Favre manchmal ein Problem mit seiner Außendarstellung hat, lohnt der Blick auf vergangenen Samstag. Da saß der Trainer von Borussia Dortmund im Presseraum des SV Werder Bremen. Lächelte gewohnt verlegen. Wirkte wie immer etwas kauzig. Und wurde gefragt, wie er sich denn den Einbruch seiner Mannschaft erkläre, die ja immerhin zuvor beim 2:2 innerhalb von fünf Minuten fast alle Meister-Hoffnungen verpatzt hatte.

„Wir haben gut gespielt“, meinte Favre also. Wären da nicht die Gegentreffer gewesen. „Wir kriegen manchmal ein Tor, da wird gesagt, es war ein individueller Fehler. Aber ich analysiere das ein wenig anders. Nicht komplett heute, aber insgesamt“, erklärte der Trainer – und als er merkte, dass er eher für runzelnde Stirnen gesorgt hatte, fragte er: „Sie verstehen nicht?“ Kopfschütteln. „Es ist schwer.“

Lucien Favre das Rätsel.

Seit gut zehn Monaten im Amt

Gut zehn Monate arbeitet der 61-Jährige nun im Revier, und noch immer fällt es vielen schwer, hinter die Fassade des Schweizers zu blicken. Zu undurchsichtig äußert er sich oft auf Pressekonferenzen. Zu selten gibt er Einblicke in seine Gedankengänge. Das liegt zum einen an der Sprachbarriere, Favre stammt aus dem französisch-sprachigen Teil der Schweiz. Häufig wirkt es aber auch so, als rede er ganz bewusst an aufkommenden Fragen vorbei. Als habe er das Nichtssagende so minutiös perfektioniert, wie es ihm auch bei seinem Fußball vorschwebt.

Nur: Die schwarz-gelbe Fan-Welt giert gerade nach Erklärungen.

Nach der grandiosen ersten Saisonhälfte wankt die Mannschaft teilweise bedenklich. Immer wieder kommt es zu unerklärlichen Aussetzern. Wie auch in Bremen. Als sich der BVB in fünf Minuten einen eigentlich meisterlichen Auftritt selbst verbaute, so den Bayern die Titelchance in Leipzig quasi auf dem Tablett servierte. Für viele ein Drama. Mindestens ein Ärgernis. Lucien Favre aber analysierte die Partie stoisch wie jede andere. Im Grunde erleben die schwarz-gelben Anhänger ihren Trainer nur explosiv, wenn er über die Handspielregel schimpft. Ob ihn eine Niederlage genauso ärgert, wissen sie nicht.

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Sie tut es natürlich. Doch Misserfolge führen bei Favre eher dazu, dass er sich noch mehr in seine Videoanalysen vertieft, stundenlang nach Antworten sucht. Diese liegen für ihn im Spielgeschehen, im taktischen Verhalten, in der individuellen Klasse. Schwer zu fassenden Größen wie Mentalität und Willen schenkt er im Grunde kaum eine Bedeutung. Auch deswegen verzichtet er weitestgehend auf laute Ansprachen, epische Motivationsreden. Favre will seine Profis im Training von seiner Idee überzeugen. Passt das?

„Jeder Trainer hat seinen persönlichen Stil – und mit dem von Lucien Favre sind wir dieses Jahr sehr gut gefahren“, erklärt Hans-Joachim Watzke dieser Redaktion. Der Geschäftsführer beurteilt die Rückrunde auch nicht so negativ wie manch anderer. „Wir haben schon 28 Punkte geholt, da kommen noch ein paar dazu. Wir werden am Ende auf jeden Fall 30 Zähler haben, das ist dann eine ordentliche Rückrunde.“

Die Zusammenarbeit so weitergehen

Die Klub-Verantwortlichen wollen mit ihrem Trainer auf jeden Fall in die neue Spielzeit gehen. Auch über eine Verlängerung des bis 2020 laufenden Vertrages soll verhandelt werden. Fakt ist: Favre hat die Mannschaft nach einer äußerst komplizierten Saison wieder in die Spur gebracht, sie gerade in der Hinrunde wieder dazu befähigt, auf dem Rasen begeistern zu können. Fakt ist aber auch: Derzeit fehlt ihm der Schlüssel, um die teilweise ängstlichen Einbrüche zu verhindern.

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In seiner erfolgreichen Zeit in Gladbach (2011 bis 2015) wollte Favre häufiger alles hinwerfen, musste er zum Weiterarbeiten überredet werden. Nun meint er immer wieder, dass er Zeit brauche. Und dass er noch nicht fertig sei mit dem BVB. Herzen gewinnt einer wie Favre eh nur durch Erfolge, nicht durch Worte.

In Bremen wollte der Trainer seine Gedanken nach der Pressekonferenz eigentlich noch einmal kurz erläutern. Doch bevor ihn auch nur ein Journalist erreichen konnte, war Favre hinter einer dicken Metalltür verschwunden.