Dortmund. Borussia Dortmund verspielte den Vorsprung auf den FC Bayern. Dennoch verteidigt BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke die Teamleistung.
Die teilweise Sperrung einer Autobahn ist nun nicht zwingend das, was man sich als einen besonders schönen Moment vorstellt. Aber als der Mannschaftsbus von Borussia Dortmund aus Frankfurt kommend auf Höhe von Haiger auf der A45 zu stehen kam, da ergab sich ein Augenblick der Zuneigung. Die BVB-Fans drumherum stiegen aus ihren Autos, belagerten das Gefährt ihrer Lieblinge und besangen sie derart inbrünstig, dass drinnen die Profis ihre Handys zückten und Erinnerungs-Videos anfertigten.
Kurz vor dem Abstieg?
Das Szenario wirkte allerdings auch ein bisschen merkwürdig, weil der Tabellenführer ja gerade eben erst ein eher enttäuschendes 2:2 (1:0) bei Eintracht Frankfurt zuwege gebracht hatte und damit nur einen Sieg in den vergangenen fünf Pflichtspielen aufweisen kann. Der schöne Vorsprung auf Bayern München ist damit innerhalb einer Woche von fünf Punkten auf null zusammengeschmolzen. Grund zur Autobahn-Begeisterung? Zur Besorgnis? Krisenstimmung gar?
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„Bayern hat gegen Hamburg auch nicht besser gespielt als wir gegen Frankfurt, aber die haben eben gerade das größere Spielglück“, sagt BVB-Boss Hans-Joachim Watzke gegenüber dieser Zeitung und macht seinem Ärger über die vergangene Woche Luft. Ärger, der abgesehen vom enttäuschenden Champions-League-Spiel bei Apoel Nikosia nicht den Sport betrifft, sondern die Wahrnehmung dessen.
„Die Spiele gegen Leipzig (2:3, d. Red.) und Frankfurt waren Spektakel. Das ist, was die Zuschauer sehen wollen, was sie ins Stadion treibt. In der Bundesliga haben wir wieder Spannung. Und medial wird eine Stimmung erzeugt, als wären wir kurz vor dem Abstieg“, sagt Watzke. „Wenn man sieht, wie die BVB-Fans die Mannschaft nach den Spielen gegen Leipzig und Frankfurt für ihren Fußball feiern, dann wird klar, dass im Verein in Gänze ein anderes Stimmungsbild herrscht. Für die Berichterstattung fehlt mir teilweise das Verständnis. Das ist krank.“
Nun steht der Abstieg tatsächlich nicht unmittelbar bevor, ein Teil von Watzkes leitenden Angestellten – Sportdirektor Michael Zorc und Trainer Peter Bosz – hatte aber zuletzt durchaus zu verstehen gegeben, dass ihnen zum Beispiel die Leistung gegen Leipzig nicht sonderlich behagt hatte. Und nach der Partie in Frankfurt musste der Trainer erneut einräumen: „Wir haben nicht den Fußball gezeigt, den wir spielen können.“
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Es war ein Fußball, der deutlich mehr Entschlossenheit und Kampfeslust beinhaltete als zuletzt, der jedoch eben nicht so aussah, wie ihn sich der Trainer vorstellt: kultiviert, ästhetisch, erfolgreich. Trotz einer Führung – erst 1:0, dann 2:0 – lieferte sich Schwarz-Gelb einen wilden Ritt durch eine zweite Halbzeit, in der Sieg und Niederlage für beide Mannschaften ebenso möglich wie verdient gewesen wäre. Mit anderen Worten: ein bizarres Spektakel, in dem die Dortmunder Offensivkünstler erneut zunehmende Ungenauigkeit bewiesen (siehe Grafik). Und in dem der seit anderthalb Jahren ohne Startelf-Mandat ausgestattete Neven Subotic an der Seite des Mittelfeld-Leichtgewichts Julian Weigl die Innenverteidigung bildete. Ein Experiment der puren Not, das zumindest mildernde Umstände für die eine oder andere Bredouille rechtfertigt. „Unser System ist ein Kollektivsystem. Die Automatismen in der Verteidigung können nicht so greifen, wenn die Abwehr komplett neu formiert werden musste. Sonst bräuchte man das ja nicht über Monate trainieren“, argumentiert Watzke.
Gegen den Stimmungstrend
Zwar sei auch er enttäuscht, dass es nicht gelungen sei, die Führung ins Ziel zu bringen oder noch den Siegtreffer zu erzielen, aber „wenn ich den Verstand einschalte und den Kontext sehe“, die personellen Probleme, dann sei dieses Unentschieden nichts, was Untergangsstimmung heraufbeschwören müsse. „Ich habe sehr, sehr viele positive Ansätze gesehen.“ Der BVB wirkt zerrissen zwischen Freud’ und Leid.
Und der Boss arbeitet gegen den negativen Stimmungstrend an. Schließlich steht schon am Dienstag das nächste wichtige Spiel an. In der zweiten DFB-Pokalrunde muss der BVB beim Drittligisten 1. FC Magdeburg antreten und der Siegesdruck ist durchaus beachtlich, weil in jenen 90 Minuten gegen den Außenseiter das nächste Saisonziel auf dem Spiel steht – nachdem in der Champions League das Aus schon besiegelt zu sein scheint.
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„In der Champions League stünden wir gern besser da, klar. Aber unser primäres Ziel ist, wieder einen Champions-League-Platz zu erreichen. Der erste Platz in der Bundesliga sollte uns nicht zum Verhängnis gemacht werden, weil damit eine Erwartungshaltung erwachsen ist, die wir auch mit fünf Punkten Vorsprung nie bedient haben“, sagt Watzke: „Wir müssen einen klaren Blick bewahren – der besagt, dass wir in der Liga bislang gut unterwegs sind. Und das lassen wir uns auch nicht kaputtreden.“