Dortmund. Sven Bender ist beim BVB nicht mehr Stammspieler. Im Interview spricht er über seine Situation, seinen Vertrag - und seine Stellung bei den Fans.

Sven Bender kommt direkt vom Training. In den vergangenen Jahren bedeuteten diese Einheiten für ihn meist nicht mehr als die Vorbereitung auf das kommende Spiel mit Borussia Dortmund. Jetzt ist es vor allem der Kampf um einen Platz in der Startelf. Denn obwohl er zuletzt mehrfach zum Einsatz kam: In seinem siebten Jahr beim BVB ist der 26-Jährige nur noch Ergänzungsspieler. Ein Interview über den neuen Trainer, den eigenen Status – und die Zukunft.

Sven Bender, Sie kommen von einer Trainingseinheit, die geradezu langweilig wirkte.

Sven Bender: Langweilig, wie meinen Sie das?

Normalerweise braucht man als Außenstehender gerne mal zehn Minuten, um zu verstehen, wie die Übungen funktionieren sollen - und selbst dann kann man sich nicht sicher sein. Und heute: Kontertraining und ein freies Abschlussspiel.

Bender: Gut, vielleicht waren es einfache Abläufe. Aber genau die braucht man ja. Wenn die erst einmal sitzen, kann man das Komplizierte noch hinzufügen, dann funktioniert es.

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Dabei gilt Thomas Tuchel als Großmeister des komplexen Trainings, es ist ein regelrechter Hype um den neuen Trainer entstanden. Ist der Unterschied zu vorher wirklich so groß, wie er gemacht wird?

Bender: Das möchte ich nicht vergleichen. Für mich persönlich waren die sechs Jahre unter Kloppo (Ex-Trainer Jürgen Klopp, An. d. Red.) sehr erfolgreich und sehr schön. Aber im Sommer hat eine neue Zeit unter einem neuen Trainer begonnen. Jeder hat ihm die Chance gegeben, hier neu anzufangen, keiner hat verglichen. Und das mache ich auch heute nicht. Es sind einfach zwei verschiedene Trainer, jeder hat seine Art, Fußball spielen zu lassen und seine Art im Umgang. Wir sind alle zufrieden mit dem neuen Trainer: Es läuft, wir spielen erfolgreich, das zählt.

Dann sprechen wir über den Start. Warum hat das so gut funktioniert?

Bender: Zunächst mal haben wir die Spiele gewonnen, das haben wir letztes Jahr in der Vorrunde nicht so oft geschafft.

Aber warum?

Bender: Wir haben sehr, sehr gut gearbeitet. Wir haben eine Philosophie erarbeitet und die dann umgesetzt. Das hat von Anfang an sehr gut funktioniert, wir sind gut ins Rollen gekommen. Dann haben wir das immer weiter stabilisiert - und jetzt ist es sehr schwer, uns zu schlagen.

Und der Rückstand auf Tabellenführer Bayern München beträgt nur fünf Punkte.

Bender: Wir gucken momentan eigentlich nur auf uns. Wir haben unsere Spiele und da zählt es, dass wir gewinnen. Dass Bayern momentan fast jedes Spiel gewinnt, sehen wir auch. Da muss man realistisch sein. Wir wollen der Tabellenführer der anderen Teams sein und das sind wir momentan. Vielleicht verlieren die Bayern ja nochmal das eine oder andere Spiel - aber im Moment macht das nicht den Eindruck. Das muss man auch anerkennen und respektieren, dass sie einen ausgezeichneten Job machen da unten in München. Und wir machen unseren Job hier auch sehr gut.

Aber der Abstand zu den Münchnern ist kleiner als der zu Wolfsburg auf Rang drei. In der Meistersaison 2011/2012 wurde aus fünf Punkten Rückstand noch die Tabellenführung.

Bender: Die gute Position haben wir uns jetzt erstmal erarbeitet. Und im Fußball ist natürlich alles möglich. Aber - auch wenn ich hier wieder nicht vergleichen will - ich glaube schon, dass die Bayern heute ebenso stärker sind als damals.

Wie Bender mit seiner Situation beim BVB umgeht 

Ich kann Ihnen die Vergleiche mit der Vergangenheit leider nicht ersparen. Sie waren in den vergangenen Jahren meist Stammspieler, jetzt sitzen Sie in der Regel auf der Bank.

Bender: Natürlich, das lässt sich ja nicht abstreiten. Früher war ich Stammspieler, habe eigentlich immer gespielt, wenn ich fit war. Jetzt ist es anders.

Wann wurde Ihnen das klar? Gab es bei Ihnen in der Vorbereitung irgendwann einmal das Gefühl: Dieses Jahr könnte es eng werden?

Bender: Ich bin natürlich in die Vorbereitung gegangen mit dem Gedanken: Unter dem neuen Trainer geht es bei null los, es gibt die gleichen Chancen für jeden. Trotzdem habe ich mir schon ausgemalt, dass ich öfter spiele.

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Wie kommuniziert der Trainer das dann? Es gibt ja weitere Härtefälle wie Neven Subotic oder Lukasz Piszczek, die früher oft gespielt haben, jetzt aber kaum noch.

Bender: Er signalisiert uns, dass wir alle sehr, sehr wichtig sind. Und die Mannschaft würde auch nicht funktionieren, wenn die Spieler, die ein bisschen hinten dran sind, nicht mitziehen, den Fußball mitleben und trotz allem mit einem Lächeln hier ankommen. Denn natürlich spielen elf Spieler. Aber wenn drumherum die Stimmung nicht da ist, wenn das gesamte Paket nicht stimmt, kommt Unruhe rein - und dann wird es schwieriger. Dann kommt eine Mannschaft vielleicht auch ins Stottern. Und das haben wir zum Glück nicht, weil alle Spieler vom Trainer mitgenommen werden. Und weil wir gute Charaktere haben, von denen jeder die Situation zwar nicht akzeptiert, aber annimmt. Das heißt: Ich versuche trotzdem weiter Gas zu geben, für mich persönlich, aber auch für die Mannschaft.

Der Kader ist in dieser Saison gerade im zentralen Mittelfeld sehr stark, zudem gibt es meist nur einen echten defensiven Mittelfeldspieler, was ihre angestammte Position ist. Wie sehen Sie Ihre Chancen, da in die erste Mannschaft zu kommen?

Bender: Ich bin auf jeden Fall flexibler geworden, ich habe jetzt öfter als Innenverteidiger gespielt. Und ich bin ja nicht weit weg, ich komme immer wieder rein, spiele auch mal in der Startelf. Das kann ich dann nur nutzen, Gas geben - und dann werden wir sehen, was bis zur Winterpause passiert.

Bender wünscht sich langfristige Perspektive 

Von Ihnen wird oft gesagt, Sie seien gegen den Ball Weltklasse - damit aber ausbaufähig. Eine ungerechte Bewertung?

Bender: Da habe ich noch nie viel drauf gegeben, was Leute von außerhalb sagen. Ich weiß, wo ich meine absoluten Stärken habe und wo ich ausbaufähig bin, klar. Aber jeder hat seine Schwächen und Stärken. Bei mir ist eben die Defensivarbeit die absolute Stärke und trotzdem ist es nicht so, dass ich, wenn man mir den Ball gibt, ständig drüberfalle oder mir den Fuß breche (lacht).

Trotzdem wird vor allem Ihre Defensivstärke gelobt. Als die deutsche Nationalmannschaft gegen Schweden eine 4:0-Führung noch verspielte, soll Bastian Schweinsteiger in der Kabine gewütet haben: Mit einem Bender wäre das nicht passiert,

Bender: Wir wissen ja beide nicht, ob es wirklich stimmt. Außerdem ist es schon lange her. Aber natürlich tut es mir auch gut, wenn das eine oder andere Lob kommt und wenn ich meine Stärken einbringen kann.

Eigentlich war die Frage vor allem auch der Versuch, möglichst elegant zum Thema Nationalmannschaft überzuleiten. Sie haben sieben Länderspiele gemacht, das letzte allerdings im November 2013. Ist das Kapitel abgeschlossen?

Bender: Wenn ich ehrlich bin, sehe ich das Thema Nationalmannschaft momentan nicht. Wenn man im Verein wenig spielt, hat man keinen Anspruch, bei der Nationalmannschaft dabei zu sein, das ist ganz klar. Deswegen habe ich mir bei den letzten Spielen keine Hoffnung gemacht. Aber natürlich gebe ich Gas und versuche, mich zu zeigen und viele Spiele zu machen. Die Tür zur Nationalmannschaft ist nie zu, für keinen Spieler. Also heißt es: Leistung bringen, spielen und irgendwann wieder reinschnuppern.

Derzeit aber spielen Sie dafür zu selten. Im Winter steht wieder eine Wechselperiode an, ihr Vertrag endet 2017 - wie geht es weiter?

Bender: Ein Spieler in meiner Position, in meinem Alter und mit meiner Vertragslaufzeit macht sich natürlich Gedanken. Das ist normal, das steht mir auch zu. Das hat allerdings nichts mit einer kurzfristigen Situation zu tun. Ich will eine langfristige Perspektive sehen. Aber das heißt nicht, dass es in die eine oder andere Richtung läuft.

Tendenz also offen?

Bender: Wie schon gesagt, es geht nicht um die kurzfristige, sondern um eine langfristige Perspektive. Die ist entscheidend und deswegen gibt keinen Ausschlag für das Eine oder das Andere.

Also wäre auch eine Vertragsverlängerung beim BVB möglich?

Bender: Dazu kann ich nicht viel sagen, das muss ja der Verein entscheiden. Aber weiter beim BVB zu spielen, ist natürlich eine absolut vorstellbare Option.

Und wenn der morgen kommt und ein Angebot macht?

Bender: Wie gesagt, es kommt dann auf die Perspektive an, die mir aufgezeigt wird. Dann werde ich entscheiden, was für mich richtig ist. Da gucke ich auch nur auf mich, da geht es um mich. (Grinst) Und Sie können da jetzt noch fünf Fragen zu stellen, was Anderes werde ich nicht sagen.

Bender lobt das "außergewöhnliche BVB-Publikum" 

Gut. Die Fans würden Sie sehr gerne hier behalten, Sie sind einer der Publikumslieblinge. Worauf führen Sie das zurück?

Bender: Die Jungs, die hier schon länger sind, haben eine erfolgreiche Zeit mitgemacht. Ich zum Beispiel hatte viele Verletzungen, das zeigt: Wir haben alle viel investiert für den Verein. Und die Fans haben uns das letztes Jahr, als es nicht so lief, extrem zurückgezahlt. Das hat uns als Mannschaft auch sehr stolz gemacht: dass wir vorher wohl so gute Arbeit geleistet haben, dass sie in den schwierigen Zeiten so hinter uns standen. Das hat nicht nur auf uns, sondern auf ganz Deutschland Eindruck gemacht, was wir für tolle Fans haben. Wir haben ein außergewöhnliches Publikum und ich bin stolz, Teil dieses Vereins zu sein und vor diesen Fans spielen zu können und das aufsaugen zu können.

Sie haben Ihre Verletzungen angesprochen. Sie haben mal mit Nasenbeinbruch durchgespielt, mehrere Trikots vollgeblutet - und wurden dafür von den Fans richtig gefeiert. Ein gutes Gefühl?

Bender: In der Situation natürlich erst einmal nicht, da bekommt man das ja nicht mit. Danach habe ich unheimlich viele Bilder davon gesehen, immer wieder kam das zur Sprache. Das findet man natürlich cool. Aber in der Situation ist es nicht so cool, da bist du mit anderem beschäftigt.

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Sie wurden als Iron Manni gefeiert - und waren Teil einer Truppe, die im Kern über lange Zeit zusammenblieb, einige Titel holte. Das wurde als Erfolg einer verschworenen Einheit über die Macht des Kapitals romantisiert. Jetzt sind viele Identifikationsfiguren weg oder auf der Bank: Erleben wir die Entromantisierung des BVB zum gewöhnlichen Fußballunternehmen?

Bender: Es ist doch ganz normal, dass Spieler den Verein verlassen, die lange da waren und in einer erfolgreichen Zeit eine tragende Rolle gespielt haben. Aber wir holen immer wieder - auch jetzt - Spieler, die sich super integrieren, die auch super integriert werden. Die Mannschaft fühlt sich jetzt genau so gut an wie vor ein paar Jahren, weil das alles gute Typen sind. Das ist bei Borussia Dortmund außergewöhnlich: Dass sie Spielertypen holen, die sich sehr schnell integrieren können, weil es sehr gute Charaktere sind. Das ist das alles Entscheidende - und da haben sie bisher, auch in diesem Sommer, alles richtig gemacht.

Mit Matthias Ginter gibt es einen Spieler, der sich zunächst schwertat, sich jetzt aber als Rechtsverteidiger etabliert hat. Er beschreibt die Position als Mischung aus defensivem Mittelfeld und Innenverteidiger - also dem, was auch Sie beides können. Wann schulen Sie um?

Bender: Rechtsverteidiger? Da sind wir gut besetzt.

Aber im Mittelfeld und der Innenverteidigung ja auch.

Bender: Aber ich muss ja nicht ständig hin und her wechseln, nur um irgendwo meine Position zu finden. Ich habe meine Positionen - und fertig aus. Und Matze macht das sehr gut als Rechtsverteidiger.