Dortmund. . Thomas Tuchel wird zur neuen Saison Trainer bei Borussia Dortmund. Vorgänger Jürgen Klopp müht sich derweil, die Emotionen nicht zu sehr an sich herankommen zu lassen.

Jürgen Klopp hatte sich einen Schutzpanzer umgeschnallt, um die Gefühle wegen der bevorstehenden Trennung von Borussia Dortmund nicht zu nah an sich herankommen zu lassen. Niemand wolle in den letzten Spielen ernsthaft sehen, „wenn ein 47-jähriger Mann einmal pro Woche im Fernsehen flennt“, sagte Klopp später. In seinen sieben Jahren im Ruhrgebiet stand der Fußball-Lehrer etliche Male vor der Südtribüne, er liebt den emotionalen Doppelpass mit den Zuschauern. Nach dem 3:0 über den SC Paderborn schien sich der Coach aber hinter seinen Spielern verstecken zu wollen, er verschwand schnell in die Kabine.

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Im Sommer endet die Ära Klopp beim Bundesligisten, der einen Tag nach dem Sieg auch den neuen Coach präsentierte: Wie erwartet sitzt Thomas Tuchel in der neuen Spielzeit auf der schwarzgelben Trainerbank.

Nur zwei Sätze zum neuen BVB-Trainer

In zwei Sätzen verkündeten die Dortmunder Tuchel als neuen Trainer ab dem 1. Juli. Die Verhandlungen mit dem 41 Jahre alten Ex-Coach des FSV Mainz 05 haben früher als erwartet zu einer Unterschrift unter einem Dreijahresvertrag geführt. Tuchel wird erst nach dem letzten Spiel vorgestellt, das in Klopps Traum das DFB-Pokalfinale am 30. Mai ist, um dann nochmal mit dem offenen Laster rund um den Borsigplatz fahren zu können. Bis dahin wollen sich die BVB-Offiziellen jedoch nicht zu dieser wichtigen Personalie äußern.

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Statt einer mit österreichischen Brause-Millionen finanzierten Aufbauarbeit in Leipzig und womöglich einem Himmelfahrtskommando in Hamburg hat sich Tuchel für die Schwarzgelben entschieden – was mit Sicherheit keine wesentlich leichtere Aufgabe ist. Emotional wäre wohl jeder Nachfolger von Jürgen Klopp mit der Hinterlassenschaft überfordert: Er erfüllte den Werbeslogan „Echte Liebe“ mit Leben, gierte auf und abseits des Spielfelds nach großen Auftritten.

Klopp ist bei Borussia Dortmund Liebling der Massen - und Tuchel?

Sollte der Neue das Spiel gegen Paderborn, bei dem mit Henrikh Mkhitaryan (48.) sowie Shinji Kagawa (80.) zwei BVB-Sorgenkinder wie auch Pierre-Emerick Aubameyang (55.) trafen, nicht live gesehen haben: Für die Menschen auf der Südtribüne ist die Interaktion mit ihnen ebenso wichtig wie der sportliche Erfolg. Tuchel vermied bisher immer den Eindruck, sich zum Liebling der Massen aufschwingen zu wollen: „Sehr wichtig ist mir hingegen, dass alles stimmig ist zwischen mir und meiner Mannschaft.“

Tuchel scheut eher Nähe als Konfrontationen. Dadurch wird er nicht zur Kopie von Klopp, der mit den Fans exzellent umzugehen wusste. Man vergleicht die beiden Schwaben unweigerlich, weil sie aus einem Stall kommen und Dreitagebärte tragen. Beide gelten zudem als positiv verrückt, wurden mal als Trainerzwillinge bezeichnet. Weil Tuchel bei seiner Arbeit gerne mal Wissenschaftler und Statistiker zu Rate zieht, spricht man gern vom ganzheitlichen Ansatz.

Wie es heißt, hat Klopp selbst BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc Thomas Tuchel ans Herz gelegt. Der Mann gilt seit seinem abrupten Weggang aus Mainz als einer der gefragtesten deutschen Trainer. Indem er sich ein Jahr lang rar gemacht hat, wollten ihn immer mehr Vereine verpflichten – gar als Nationaltrainer war er im Gespräch, falls Joachim Löw nach der WM aufgehört hätte.

Thomas Tuchel sieht sich als "Rulebreaker"

In Dortmund muss er dem in schwere See geratenen Verein einen neuen Kurs geben. Bis zum Sommer wird sich Tuchel dazu noch viele Gedanken machen können. Denn nicht allein zum Zweck der Unterscheidbarkeit liebt er es, neue Wege zu gehen. Den Mainzer Manager Christian Heidel und sich bezeichnete er mal als „Rulebreaker“. Heidel sei ein Regelbrecher, weil er 2009 den Mut aufgebracht hat, vier Tage vor dem Bundesligastart Aufstiegstrainer Jörn Andersen durch einen Mann zu ersetzen, der nie in der höchsten Liga selbst gespielt hat und nur für Jugendteams verantwortlich war. Sich selbst, weil „wir zum Vorreiter wurden, verkrustete Denkmuster aufzubrechen“.

Von der „Zeit“ wurde Tuchel neulich gefragt, was er nach der langen Abwesenheit am Bundesligageschäft vermisse. „Die Kabine. Meine Spieler, mein Trainerteam, das Training, den Geruch des Rasens, den Kick am Wochenende“, antwortete er. Das alles bekommt er ab dem 1. Juli zurück – als Trainer von Borussia Dortmund.