Dortmund. Nachfolger von Jürgen Klopp beim BVB wird Thomas Tuchel. Es ist eine logische Wahl - die allerdings nicht komplett ungefährlich ist. Ein Kommentar

Eines war klar, seit Jürgen Klopp seinen Abschied als Trainer von Borussia Dortmund zum Saisonende verkündet hatte: Einen Trainer, der annähernd so perfekt zu Stadt und Verein passt, würde man kein zweites Mal finden. Hat man das einmal akzeptiert, ist Thomas Tuchel die bestmögliche Wahl: Tuchel gilt als größtes deutsches Trainertalent, zudem lässt er grundsätzlich einen ähnlichen Überfallfußball wie Jürgen Klopp spielen. In der Umsetzung aber ist er deutlich flexibler - was die Formation, die Wahl der Spieler und Lösungen für die Offensive angeht.

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Frühere Spieler berichten oft, wie anstrengend und fordernd für den Kopf sein Training bei Mainz 05 war - in der Folge aber waren seine Mannschaften auf dem Platz trotz ihrer bescheidenen Mittel erstaunlich oft in der Lage, kreative und erfolgreiche Lösungen zu finden. Der 41-Jährige könnte genau der richtige Mann sein, um den Klopp-Fußball weiterzuentwickeln und dem Überfall-Spiel ein wenig mehr Reife, ein besseres Ballbesitzspiel einzuimpfen. Rein fachlich gibt es kaum etwas einzuwenden.

Die Lösung Tuchel birgt Risiken - aber keine unüberwindbaren

Skeptiker gibt es dennoch viele: Hat nicht Tuchel bislang gerade einmal fünf Jahre als Erstligatrainer hinter sich? Fehlt ihm nicht jegliche Erfahrung auf internationalem Niveau? Und konnte er nicht in Mainz seine Mannschaft immer eine Woche lang auf die Gegner vorbereiten, ohne englische Wochen und die damit verbundenen Nachteile, die die Arbeit in einem Spitzenteam mit sich bringt? Stimmt. Doch im Jahr 2008 ließ sich genau das gleiche über Jürgen Klopp sagen, dennoch war seine Verpflichtung ein Glücksgriff. Ihm gelang es, sich an das höhere Niveau anzupassen - warum sollte dies nicht auch seinem Nachfolger gelingen?

Das größte Risiko der Tuchel-Verpflichtung liegt auf der persönlichen Ebene: Ehemalige Wegbegleiter beschreiben ihn als durchaus anstrengend im Umgang, als jemanden, der strikt auf seinem Kurs beharrt und sich nicht hereinreden lässt. Spannend wird sein, ob die Zusammenarbeit mit dem ebenfalls meinungsstarken Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und mit Sportdirektor Michael Zorc ohne größere Reibereien funktioniert - ebenso wie die Arbeit mit gestandenen Nationalspielern, die einen anderen Umgang einfordern dürften als die jungen Wilden, die Tuchel einst in Mainz trainierte.

Die Distanz zwischen BVB und Fans ist schon heute groß

Nicht wenige befürchten, dass der Nachfolger des Volkstribuns Klopp die Distanz zwischen Verein und Fans vergrößern könnte. Auf emotionaler Ebene mag das berechtigt sein, kaum jemand verstand es so gut wie Klopp, mit seiner Art und seinen Aussagen die Sehnsüchte des Anhangs zu bedienen. De facto hat sich die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA aber schon unter dem langjährigen Coach immer weiter abgeschottet: Öffentliche Trainingseinheiten finden nur noch selten statt, andere Möglichkeiten der Begegnung zwischen Fans und Spielern gibt es kaum. Klopp allerdings vermochte es, diese wachsende Distanz kraft seines Charismas zu überspielen.

Dabei muss Distanz an sich nichts Schlechtes sein: Manch unbequeme Entscheidung lässt sich so leichter fällen - und auch das gehört bekanntlich zu den Aufgaben eines Trainers. Die Verpflichtung Tuchels mag ein Risiko sein - angesichts seiner Qualitäten aber ist es ein Risiko, dass der BVB eingehen muss.