Dortmund. Tuchel - oder doch noch ein anderer? Ob der Klopp-Nachfolger eine faire Chance hat, hängt nicht zuletzt vom Verhalten der BVB-Fans ab. Ein Kommentar.

Um vorherzusehen, welche Emotionen, um nicht zu sagen: Theatralik, das vergleichsweise belanglose Ligaspiel zwischen Borussia Dortmund und dem SC Paderborn am Samstag (15.30 Uhr, live in unserem Ticker) auslösen wird, bedarf es keiner prophetischen Gabe. Handelt es sich dabei doch um Teil eins einer Abschiedstour, wie sie wohl noch keinem deutschen Trainer bereitet worden ist. Eine Steigerung wäre allenfalls denkbar, sollte irgendwann jemand Schalke 04 den ersten Bundesliga-Titel beschert haben.

Die „Kloppomania “ birgt jedoch für den BVB eine Gefahr, vor der Kritiker schon bei den ersten Anzeichen der Krise gewarnt haben. Die extreme Überhöhung eines Menschen ist einer Gemeinschaft selten bekommen. Bemerkenswert, dass Jürgen Klopp selbst darauf hingewiesen hat.

Sollte diese Überhöhung sogar noch anhalten, wenn dieser „große Kopf“ (Klopp) längst weg ist, treibt es die Ansprüche in unerreichbare Dimensionen. An diesem Punkt kommen wieder die Fans ins Spiel, von denen sich die meisten eine Zukunft ohne ihren „Kloppo“ noch gar nicht vorzustellen wagen. Soll heißen: Ob der (mutmaßliche) Nachfolger Thomas Tuchel in Dortmund eine faire Chance haben wird, hängt nicht zuletzt auch von ihrem Verhalten ab.

Tuchel verhielt sich während seiner Auszeit vorbildlich ruhig

Um die Problematik aufzuzeigen, ist die Redensart hilfreich, wonach es noch lange nicht dasselbe ist, wenn zwei das Gleiche tun. Zur Sache: Obwohl Klopp seinen noch drei Jahre laufenden Vertrag auflösen ließ, wäre niemand auf die Idee gekommen, ihn als Vertragsbrecher abzustempeln. Genau dies ist jedoch Tuchel widerfahren. Dabei tat der junge Coach Vergleichbares, als er den Mainzer Vorstand nach der Vorsaison, in der er seine Mannschaft zum zweiten Mal in die Europa League geführt hatte, darum bat, ein Jahr vor Ablauf seines Kontraktes gehen zu können.

Zugegeben, Tuchel hatte zuvor hinter dem Rücken seines Klubs Angebote aus Schalke und Leverkusen sondiert. Aber dieses – branchenübliche – Verhalten rechtfertigt nicht, ihn als „Heuchler“ und „Verräter“ an den Pranger zu stellen. Weil nicht nur Boulevard-Medien dieses üble Mainzer Spiel mitmachten und zum Teil immer noch mitmachen, schlägt Tuchel – ungeachtet seines exzellenten Rufs in Fachkreisen – heute in Fan-Kreisen Skepsis bis Antipathie entgegen, obwohl er sich auch während seiner einjährigen Auszeit vorbildlich ruhig verhielt.

Sicher, anders als Tuchel ist Klopp ein Menschenfänger, dem selbst nach heftigen Ausrastern noch wohlwollend bescheinigt wird, er sei authentisch. Aber dem BVB und seinen Anhängern muss klar werden, dass eine allzu große Sehnsucht nach einem „zweiten Klopp“ einer guten Zukunft der Borussia im Weg steht.