Essen. Thomas Tuchels Name ist in aller Munde: Der nun heißeste Kandidat auf die Nachfolge von Jürgen Klopp beim BVB genießt einen brillanten Ruf.
Wenn immer in der jüngeren Vergangenheit in der Bundesliga ein Trainerstuhl wackelte oder sogar frei wurde, fiel reflexartig ein Name für die mögliche Nachfolge: Thomas Tuchel. Nicht erst seit er im Sommer des Vorjahres den FSV Mainz 05 verließ und sich eine einjährige Auszeit, ein Sabbatjahr, gönnte, wurde der 41-Jährige gefühlt mit der halben Liga (und auch mit dem DFB) in Verbindung gebracht: Wunschkandidat beim FC Schalke 04 war er, Bayer Leverkusen soll dran gewesen sein, der VfB Stuttgart streckte die Fühler aus, Zweitliga-Emporkömmling RB Leipzig sah in ihm den richtigen Mann für seine äußerst ambitionierten Zukunftspläne.
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Erst kürzlich schien es, als bekomme der krisengebeutelte Hamburger SV den Zuschlag. Dann muss durchgesickert sein, dass Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund hinschmeißt, Tuchel und der HSV nahmen ganz plötzlich wieder Abstand voneinander. Der naheliegende Schluss: Tuchels Entscheidung wird auf den BVB fallen. Laut der "Süddeutschen Zeitung" sollen sich Tuchels Kontakte nach Dortmund in den letzten Tagen intensiviert haben. Doch was macht einen eigentlich so begehrt, der bisher ohne die ganz großen Erfolge genau einen Verein trainierte?
Tuchel wird zum "Konzepttrainer"
Von 2009 bis 2014 coachte der gebürtige Krumbacher die Mainzer, als Nachfolger von Jörn Andersen - und zuvor Jürgen Klopp. Mit den Rheinhessen wurde er in seiner Premierensaison Neunter, in der Folge-Saison stellte Tuchel den Vereins-Startrekord auf: sieben Siege in den ersten sieben Spielen, Platz fünf am Ende des Fußballjahres. Es war diese Spielzeit, die Tuchels Ruf als "Konzepttrainer" zementierte. Passorientiertheit, Pressing, Rotation, taktische Flexibilität: Seine "Bruchweg-Boys" um Lewis Holtby und André Schürrle elektrisierten damals die Liga.
Dass es in den zwei darauffolgenden Saisons jeweils nur noch zu Platz 13 reichte: geschenkt. Denn Tuchel ging mit einem Erfolg, führte den Verein 2013/2014 als Siebter in die Europa League. Ein Ziel, dass auch der BVB, sein womöglich baldiger Arbeitgeber, aktuell verfolgt.
Doch anders als Klopp ist Tuchel keiner, der zu überbordender Kumpanei neigt. In Mainz blieb das Verhältnis zu den Verantwortlichen stets eher ein professionelles als ein persönliches. "Wir sind nicht die dicksten Freunde", ließ Mainz-Manager Christian Heidel im Rahmen des Tuchel-Abschieds wissen. Tuchel gilt als berechnend, eigenwillig, zuletzt schien er mit Leipzig, Hamburg und Dortmund gleich mit drei Vereinen gleichzeitig in Kontakt zu stehen.
Ein Getriebener wie Klopp
Eine Gemeinsamkeit mit dem scheidenden BVB-Trainer: die Leidenschaft, mit der er seinen Beruf ausübt. Beide Fußballlehrer wurden wiederholt für ihr mitunter zu wort- und gestenstarkes Verhalten an der Seitenlinie kritisiert. Thomas Tuchel ist ein Getriebener, einer der sich voll und ganz dem Erfolg verschrieben hat. Und ungemütlich werden kann, wenn sich dieser nicht einstellt. Darauf muss sich sein künftiges berufliches Umfeld einstellen.
"Ich vertraue meiner Überzeugung und meinem Bauchgefühl als Trainer, dass ich den nächsten Entwicklungsschritt meiner Mannschaft nicht begleiten kann", sagte Tuchel noch, als er seinen Abschied aus Mainz verkündete. Worte, die auch von Jürgen Klopp hätten stammen können.