Düsseldorf. . Die Fußball-Nationalelf zehrte nach Schlusspfiff noch vom WM-Bonus und viele, einschließlich des Bundestrainers Joachim Löw, redeten sich das 2:4 gegen Argentinien schön. Doch die Probleme sind offensichtlich. Vor allem Philipp Lahm scheint derzeit überhaupt nicht zu ersetzen zu sein.

Es ist ja nicht so, als würde bei der Nationalelf nicht minutiös geplant. Für diesen Freitag steht also im Programm: Transfer zur Sportschule Kaiserau.

Dazu sollte man wissen, dass die deutschen Fußballer rund um das Spiel gegen Argentinien im Düsseldorfer Hyatt-Hotel logiert haben, das auch in einer an noblen Adressen nicht armen Stadt zu den besten Häusern gehört. Nun also Sportschule Kaiserau. Das klingt nach Linoleum, Angstschweiß und Medizinball. Stimmt natürlich nicht, aber vielleicht setzt dieser lange geplante Schritt vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Schottland am Sonntag in Dortmund das passende Signal: WM war gestern, EM-Qualifikation ist morgen. Und die beginnt nach der bösen Überraschung beim 2:4 gegen Argentinien mit der Erkenntnis, dass schon wieder viel Arbeit wartet.

Di Marias großer Auftritt

Das sah vor dem Spiel gegen den Vize-Weltmeister noch ein bisschen anders aus: Das Team, ja der gesamte DFB-Tross ließ sich in den Düsseldorfer Tagen von der Begeisterung über den Gewinn der WM tragen. Wenn auch Bundestrainer Joachim Löw tapfer versuchte, das Freundschaftsspiel gegen Argentinien als wichtigen Test auf dem Weg zur EM 2016 einzustufen: Wer wollte schon ernsthaft über etwas anderes sprechen als über den emotionalen Ausklang der WM? Brasilien lag plötzlich am Rhein, außerdem galt es ja, drei Weltmeister feierlich zu verabschieden.

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Irgendwer, der da nicht mitspielen wollte?

Angel di Maria.

Das WM-Finale hatte Argentiniens zweitgrößter Star nach Lionel Messi verletzt verpasst, in Düsseldorf stürzte er den Weltmeister im Alleingang von einer Verlegenheit in die andere, als wolle er zeigen: Mit mir wäre es damals anders gelaufen.

Probleme hatten mit Gomez nichts zu tun

Die Zuschauer mochten sich auf Mario Gomez eingepfiffen haben, die Probleme aber hatten mit Gomez nichts zu tun: Niemand muss den Stab über Matthias Ginter, Kevin Großkreutz und Erik Durm, bei Borussia Dortmund alle hochgeschätzt, brechen. Alle aber zahlten säckeweise Lehrgeld. Vielleicht ist es in der Feierlaune nach dem WM-Gewinn noch nicht jedem ins Bewusstsein gekommen, aber bei allem Respekt vor Per Mertesacker und bei aller Liebe zu Miro Klose: Philipp Lahm zu ersetzen, das wird für den Bundestrainer die zentrale Aufgabe der nächsten Monate. Nach dem Argentinien-Spiel darf man Löw fast ein wenig bedauern.

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Was Keeper Manuel Neuer „einen Wachrüttler“ nannte, deckten die anderen wie mit einer aus WM-Stoff gewebten Decke zu. „Auf gar keinen Fall schlecht“, nannte Gladbachs Christoph Kramer den deutschen Auftritt. Für Kramer selbst traf das zu, die Aussage überraschte dennoch.

Joachim Löw aber stieß ins gleiche Horn: „Okay in Spielanlage und Grundordnung“, fand der Bundestrainer das 2:4. Um den EM-Qualifikationsauftakt gegen Schottland solle sich deshalb niemand übermäßig sorgen: „Das Spiel werden wir bestehen“, so Löw.

„Wir hätten sie geschlagen“

Das ist angesichts des Qualitätsunterschiedes zwischen Argentinien und Schottland wohl nicht zu weit gegriffen, aber die Sorgen des Bundestrainers sind nach diesem 2:4 gewachsen: Personell ist keine große Abhilfe in Sicht, einzig der Münchner Jerome Boateng scheint fit zu werden und könnte der defensiven Baustelle mehr Fundament verleihen. Sami Khedira, Mats Hummels, Mesut Özil dagegen: alle nach wie vor nicht fit.

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Es war vielleicht auch der falsche Zeitpunkt, um kritischere Töne zu erwarten. Am Ende wurde Joachim Löw gefragt, ob das WM-Finale in Rio anders ausgegangen wäre, hätte Angel di Maria gespielt. „Nein“, sagte Löw, „wir hätten sie geschlagen. An diesem Tag hätte er nichts gegen uns ausrichten können.“ Da brandete Applaus auf, und Joachim Löw grinste spitzbübisch – wie einer, der gerade sein Einser-Abitur gebaut hat und sich nun einiges erlauben kann.

Vielleicht ist der Umzug nach Kaiserau tatsächlich die richtige Idee zur richtigen Zeit.