Was die vom DFB ohne Not vollzogene Vertragsverlängerung mit Bundestrainer Joachim Löw wert ist, erfahren wir erst bei der WM 2014. Warum der Verband den Titelkampf in Brasilien nicht abgewartet hat, bleibt folglich sein Geheimnis. Ein Kommentar von Reinhard Schüssler.
Die aufschlussreichste Bemerkung bei der Verkündung der Vertragsverlängerung des Fußball-Bundestrainers fiel in einem Nebensatz. „Wir hätten diesen Vertrag eigentlich gar nicht gebraucht“, sagte Joachim Löw. Es war die freundlichere Version eines überwiegend kritisch bewerteten formellen Aktes, dessen Sinn sich auch nach Wolfgang Niersbachs Laudatio auf den Klinsmann-Nachfolger nicht erschließen mag. Weil jeder, inklusive Löw, weiß, dass dieser Vertrag unter dem Vorbehalt einer erfolgreichen WM steht.
Umso erstaunlicher die Argumentationslinie, die neben dem DFB-Präsidenten auch Karl-Heinz Rummenigge vertritt: „Wenn man in das Turnier geht und diese Personalie ist noch nicht entschieden“, hatte Bayern Vorstandschef orakelt, „dann gibt es eine Dauer-Diskussion in den Medien.“ Nach dieser Logik hat der Verband also eine Diskussion im Keim erstickt, die es im Vorfeld der WM definitiv nie gegeben hätte. Erregen doch die Fußballfans bis zum ersten Spiel in Brasilien ganz andere Personalien, zum Beispiel, wer im Mittelfeld spielt oder ob Löw es ohne echten Stürmer versucht.
Wohlgemerkt: Es geht nicht um die Kompetenz des Bundestrainers, der die DFB-Auswahl seit 2006 unstrittig auf einen vielversprechenden, wenn auch noch titellosen Weg gebracht hat. Sondern allein um die Frage: Warum diese Vertragsverlängerung jetzt? Anders gefragt: Was hätte dagegen gesprochen, das Turnier in Brasilien abzuwarten?
Löw verweist zurecht auf die große Konkurrenz
Schließlich weiß auch Wolfgang Niersbach, dass im Fußball jeder noch so vollmundige Vertrauensbeweis spätestens beim falschen Ergebnis endet. Mit der vorzeitigen Vertragsverlängerung „für klare Verhältnisse“ gesorgt zu haben, ist jedenfalls ein frommer Wunsch des DFB-Chefs. Bleibt die deutsche Mannschaft in Brasilien hinter den hohen (zu hohen?) Erwartungen zurück, trifft die Diskussion um den Trainer, die man jetzt gestoppt zu haben glaubt, den Verband mit voller Wucht. Gerade wegen der vorzeitigen Vertragsverlängerung.
Nebenbei: Wenn Joachim Löw auf die große Konkurrenz im nächsten Jahr hinweist, ist dies mehr als bloß eine vorbeugende Maßnahme für den Fall des Scheiterns. So zu tun, als bräuchte die hoch begabte deutsche Mannschaft den Titel in Brasilien quasi nur noch abzuholen, wäre – da hat Löw Recht – „despektierlich“ gegenüber anderen großen Fußball-Nationen.