Katar. Der Skandal um die Bedingungen der Gastarbeiter bei den Bauten für die WM 2022 in Katar schlägt hohe Wellen. Das Land und die Fifa geraten unter Druck. Der Bauboom im Emirat am Persischen Golf habe nach Medienberichten zu einer katastrophalen Lage vor allem der nepalesischen Gastarbeiter geführt.

Der Weltverband ist "besorgt", das WM-Organisationskomitee "entsetzt" und Amnesty International "schockiert": Der neue Skandal um die Fußball-WM 2022 in Katar hat eine gigantische Welle der Entrüstung und Erschütterung ausgelöst. Der Bauboom im Emirat am Persischen Golf, das hatte die englische Tageszeitung Guardian berichtet, habe zu einer katastrophalen Lage vor allem der nepalesischen Gastarbeiter und 44 Toten binnen kürzester Zeit geführt. Im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) warnte der Internationale Gewerkschaftsbund IGB vor noch fataleren Folgen.

"Wenn sich da nicht sofort etwas ändert, wird die WM mit 4000 toten Arbeitern bezahlt. Die nepalesische Botschaft schätzt offiziell, dass jedes Jahr 200 nepalesische Migranten sterben. Die indische Botschaft schätzt auch jährlich 200 Tote", sagte die IGB-Generalsekretärin Sharan Burrow, die aber von noch schlimmeren Zahlen ausgeht: "Wir sind der Ansicht, dass die wirkliche Todesrate weitaus höher ist.

"Die Fifa sollte Druck auf die Regierung ausüben"

Bis zu 2,2 Millionen Gastarbeiter primär aus Südasien werden auf dem Weg zur WM in neun Jahren erwartet. Um größeren Schaden zu verhindern, nahm Burrow die Behörden und den Weltverband dringlichst in die Pflicht. "Katar muss sofort seine Gesetze reformieren. Firmen, die an den Bau- und Infrastrukturarbeiten in Katar beteiligt sind, müssen dafür sorgen, dass dies nicht auf Kosten von Menschenleben geschieht. Die Fifa sollte Druck auf die Regierung ausüben - und die Weltmeisterschaft nie wieder in einem Land durchführen, in dem Arbeiterrechte und Menschenleben derart verletzt werden", sagte sie.

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Zumindest die FIFA kündigte in einer Mitteilung die rasche Aufarbeitung der Sache an. "Die FIFA ist angesichts der Berichte sehr besorgt. Wir werden schleunigst Kontakt zu den katarischen Behörden aufnehmen", hieß es in einer ersten Reaktion des Weltverbandes.

Zudem werde das Thema auf die Agenda für die bevorstehende Exekutivkomitee-Sitzung in der kommenden Woche in Zürich gesetzt. Eine SID-Anfrage nach einem Statement des Präsidenten Joseph S. Blatter oder des Generalsekretärs Jerome Valcke blieb am Freitag zunächst ohne Erfolg

Besserung vorerst nicht in Sicht

Angesichts der dramatischen Enthüllungen erscheint die bislang geführte Diskussion um angebliche Korruption und die Frage, ob Profis oder Zuschauern die schönste Nebensache der Welt bei 50 Grad Celsius zuzumuten ist, geradezu lächerlich. Vor allem vor dem Hintergrund, dass für die Gastarbeiter Besserung vorerst nicht in Sicht ist

Denn der Guardian-Bericht über 'besonders empörende und lebensgefährliche Verletzungen der Rechte von Arbeitsmigranten in Katar' ist für die globale Menschenrechtsorganisation Amnesty International zwar schockierend, "ein neues Phänomen ist die Ausbeutung und Misshandlung ausländischer Arbeiter aber leider nicht", sagte Pressesprecher Ferdinand Muggenthaler dem SID.

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Kein gesetzlicher Schutz vor Ausbeutung, ein deutlich geringerer Lohn als vertraglich vereinbart und sexueller Missbrauch: All dies brachte der Report aus dem vergangenen Jahr bereits zu Tage. "Und trotz gesetzlicher Schutzvorschriften versäumt es die Regierung seit Jahren, dagegen vorzugehen", kritisierte Muggenthaler.

"Die müssen die Augen endlich auf machen"

Suhas Chakma, Direktor des asiatischen Zentrums für Menschenrechte, forderte derweil mehr Feingefühl aus den Heimatländern der Gastarbeiter. "Die müssen die Augen endlich auf machen", sagte er der Nachrichtenagentur AFP: "Es ist schade, dass sie sich so wenig an die UN-Konvention halten." Da heißt es in Artikel 7 der UN-Wanderarbeitnehmerkonvention nämlich, dass "jeder" Vertragsstaat sich dazu verpflichtet, "die niedergelegten Menschenrechte zu achten und den Arbeitnehmern zu gewähren".

Und in Katar? Da reagierte das Organisationskomitee offensichtlich überrascht. "Wie jeder, der die Bilder und Videos sieht und den entsprechenden Artikel liest, sind wir entsetzt über den Befund des Guardian-Berichts. Es gibt keine Entschuldigung dafür, dass Arbeiter in Katar oder sonstwo so behandelt werden", teilte das WM-OK mit. "Die Gesundheit, Sicherheit und das Wohlbefinden eines jeden Arbeiters in der Vorbereitung auf die WM 2022 ist für das OK von größter Wichtigkeit. Das Turnier soll dabei helfen, eine Verbesserung des Lebens der Arbeiter in Katar herbeizuführen." (sid)