Essen. Die Polizei gibt Ermittlungsdaten an Fußballclubs weiter. Gegen wen vor, während oder nach einem Fußballspiel ermittelt wird, dessen Daten würden bei den Vereinen landen, damit die Clubs Stadionverbote aussprechen können, kritisieren Fananwälte. Sie haben die Datenschutzbeauftragten eingeschaltet.

Die Arbeitsgemeinschaft der Fananwälte hat Beschwerde bei den Datenschutzbeauftragten der Länder eingereicht. Die Juristen halten es für rechtswidrig, dass die Polizei persönliche Daten von Fans, gegen die im Umfeld von Fußballspielen Ermittlungen eingeleitet werden, einfach an die Vereine weitergibt. Und die Clubs würden dann Stadionverbote aussprechen.

"Das sind sensible persönliche Daten", erklärt Marco Noli, Anwalt und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft. Unter anderem würden Namen, Adresse sowie die Information, dass ein Ermittlungsverfahren eröffnet wurde und um welches Delikt es sich handelt, an die Vereine weitergegeben.

"Diese Daten darf die Polizei nicht einfach mitteilen", sagt Noli. Aus der Sicht der Fananwälte sei in der Strafprozessordnung geregelt, dass die Staatsanwaltschaft entscheiden müsse, ob die Daten weitergegeben werden. Der Daten-Transfer sei unter engen gesetzlichen Voraussetzungen erlaubt - etwa wenn es um die Suche von Vermissten geht. Bei Stadionverboten gäbe es diese Voraussetzungen aber nicht.

15.400 Stadionverbote wurden von den Clubs der 1. und 2. Liga geprüft

Auch in NRW werden die Daten von Personen, die im Umfeld eines Fußballspiels "polizeilich in Erscheinung getreten" sind, von der Polizei an die Vereine weitergegeben. "Es gibt eine Rechtsgrundlage dafür", entgegnet Stefan Hausch, Sprecher der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) in Duisburg, auf die Frage, ob dieser Daten-Transfer zulässig ist.

In NRW sei diese Grundlage der Paragraph 29 des Polizeigesetzes. Die Weitergabe der Informationen sei höchstrichterlich bestätigt worden, erklärt Hausch. "Wir verletzen nicht den Datenschutz beim Kampf um die Sicherheit in den Stadien."

Laut Jahresbericht der ZIS wurde in der Saison 2011/12 in 15.400 Fällen ein Stadionverbot geprüft. Insgesamt sprachen die Fußballvereine der 1. und 2. Bundesliga 255 auf örtliche Stadien begrenzte und 1035 bundesweite Stadionverbote aus. Das Netzwerk aus Polizei, Vereinen und Verband, das auch im Sicherheitskonzept des DFB vorgesehen sei, müsse seine Stärken ausspielen, sagt Hausch zur Vernetzung zwischen Polizei und Clubs.

Datenweitergabe - Fananwälte sprechen von Pauschalisierung, Polizei von Prüfung jedes Einzelfalls 

Man könnte sagen: Wer im Umfeld des Fußballs auffällig wird, ist eben selbst schuld, wenn seine Daten bei den Vereinen landen. Der Fananwalt entgegnet, dass die meisten Fälle außerhalb des Stadions und nach den Spielen stattfinden würden.

Die Daten würden zudem weitergeleitet, sobald ein Verdacht gegen die Person bestehe, erklärt Noli. Zu diesem Zeitpunkt könne man noch nicht von einer "rechtskräftig festgesetzten Schuld" sprechen. "Da wird erstmal ein großer Personenkreis ermittelt." So gäbe es auch Fälle, bei denen aufgrund eines Ladendiebstahls ein Stadionverbot ausgesprochen wurde.

Hausch von der ZIS widerspricht: "In jeder Kreispolizeibehörde gibt es szenekundige Beamte, die jeden Einzelfall prüfen." Da werde nicht pauschal eine Excel-Tabelle an die Vereine geschickt. Nur Vorfälle, bei denen die Beamten ein Gewaltpotenzial festgestellt haben, würden weitergegeben. "Es wäre fahrlässig, wenn wir das nicht tun würden", sagt Hausch. "Es ist die ureigenste Aufgabe der Polizei, dass sie für Sicherheit sorgt."

Datenschützer hatten bereits in der Vergangenheit mit einzelnen Beschwerden zu tun

In der Vergangenheit habe es einzelne Beschwerden Betroffener gegeben, erklärt Nils Schröder, Sprecher des Landesdatenschutzbeauftragten. Auch er sieht die rechtliche Grundlage für die Weitergabe im NRW-Polizeigesetz gegeben. Bei der Bewertung, ob die Weitergabe zulässig sei, komme es aber immer auf den einzelnen Fall an. Also etwa darauf, um welches Delikt es sich handelt. Eine pauschale Beurteilung dieser Praxis sei relativ schwierig.

Die Fananwälte weisen daraufhin, dass die Polizei auch andere Möglichkeiten hat, Stadionverbote durchzusetzen. So können sie ein Aufenthalts- und Betretungsverbot bei den Ordnungsbehörden beantragen, "was auch jetzt schon geschieht", erklärt Fananwalt Noli.

Ein solches 'polizeirechtliches Stadionverbot' sei aber unter anderem regional beschränkt und "setzt eine konkrete Gefahrenprognose voraus - die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens genügt hierfür nicht", so der Fananwalt. Außerdem können die betroffenen Personen ein Betretungsverbot von einem Verwaltungsgericht überprüfen lassen. "Die Praxis der Datenweitergabe an die Vereine umgeht somit materielles Polizeirecht, das den Bürger vor der unberechtigten Ausübung hoheitlicher Gewalt schützen soll", sagt der Anwalt.

Die Polizei wolle Gewalttäter bundesweit aus den Stadien verhalten. Dafür sei die Zusammenarbeit mit den Vereinen notwendig. Ein "polizeilicher Platzverweis", so Hausch, sei dafür nicht geeignet.