Frankfurt/Main. . Am Mittwoch beraten die Mitgliedsvereine der Deutschen Fußball-Liga in Frankfurt am Main Über ein neues Sicherheitskonzept. Der Fanforscher Harald Lange, Professor für Sportwissenschaften an der Universität Würzburg, spricht über Fehler in der Kommunikation mit den Fußballanhängern und den massiven Druck der Politik.

Herr Lange, die Politik übt massiven Druck auf die Verbände und die Vereine aus. Sie droht damit, die Polizeipräsenz in den Stadien zu verstärken, sollte das Sicherheitspapier am Mittwoch scheitern. Die Kosten sollen die Vereine tragen. Wie bewerten Sie dieses Vorgehen?

Harald Lange: Der Druck der Politik ist überzogen. Die Gewaltproblematik, die der Fußball ohne Frage hat, wird häufig aufgebauscht. So eindeutig sind die jüngsten Statistiken der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei nicht. Das jetzt aufgebaute Druckmittel, die Vereine müssten die Einsätze übernehmen, ist zudem heikel. Davon darf nicht allein der Fußball betroffen sein, auch andere Volksfeste oder Veranstaltungen müssten dann zur Kasse gebeten werden. Die Diskussion darüber will niemand führen. Deshalb sollte es in der Frage der Bezahlung der Polizeieinsätze keine Schnellschüsse geben. Den Vereinen bleibt sonst nur die Möglichkeit, die Kosten an die Zuschauer weiterzugeben. Die Folge wäre ein stärkeres Gegeneinander, und dies sollte in Sicherheitsfragen tunlichst vermieden werden.

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In einem Interview vom Wochenende behauptete Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), einige Vereine nähmen das Thema Sicherheit nicht ernst genug. Teilen Sie diese Ansicht?

Lange: Überhaupt nicht. Die Vereine machen gerade in der Bundesliga einen hervorragenden Job, von der Logistik bis hin zur Arbeit in den Fanprojekten. Das ist europaweit, vielleicht sogar weltweit führend. Daher ist es völlig unangemessen, diese Arbeit so pauschal in Frage zustellen. Der Innenminister darf nicht vergessen: Gewalt entsteht nicht erst im Fußballstadion. Die Fans geben ihre Probleme, die sie zu Hause oder am Arbeitsplatz haben, ja nicht einfach am Eingang ab. Die Vereine leisten mit ihren Fanprojekten auch handfeste Sozialarbeit.

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Trotz der jüngsten Vorfälle wie der Erstürmung des Stadions in Hannover durch Dresdner Fans sehen Sie die Sicherheitsarbeit also auf Kurs?

Lange: Natürlich ist jede Gewalttat eine zuviel, aber rückblickend betrachtet war der Fußball in Deutschland noch nie so sicher wie heute. Der Anstieg der Zuschauerzahlen und die Leidenschaft in den Stadien zeigen, dass hier in den vergangenen Jahren etwas Großartiges entstanden ist. Auf allen Ebenen wird zudem an einer weiteren Verbesserung der Sicherheit gearbeitet. Sich jetzt öffentlich den schwarzen Peter zuzuschieben, wie Herr Friedrich es versucht, hilft da nicht weiter.

Die Fans haben zuletzt stadienübergreifend mit Schweigeminuten gegen die Sicherheitspläne protestiert. Denken Sie, die Botschaft ist angekommen?

Lange: Diese friedliche und sehr originelle Aktion hat gezeigt, dass die Fußballkultur in sich sehr geschlossen und lebendig ist sowie von einem gemeinsamen Wertekanon getragen wird. Eine solche eindrückliche und treffende Art der Demonstration hat unsere Gesellschaft lange nicht erlebt.

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Was raten Sie, um die Wogen zu glätten?

Lange: Grundsätzlich ist es gut und wichtig, sich über die Sicherheit im Stadion Gedanken zu machen. Nur wurde dieses Konzept bislang über die Köpfe der Fans hinweg diskutiert. Dies führt natürlich zu Opposition. Politiker müssen häufiger ins Fußballstadion gehen. Sie müssen sich ein Bild davon machen, wie sicher oder unsicher es dort ist und mit den Anhängern sprechen. Zudem darf es am Mittwoch kein fertiges Konzept geben. Es muss die Bereitschaft signalisiert werden, die Fans mit an den Tisch zu holen. Das Hauptproblem derzeit ist ja, dass sich die Fans übergangen und bevormundet fühlen. Durch die Härte und Aufgeregtheit der momentanen Diskussion fühlen sich viele von ihnen in eine kriminelle Ecke gerückt. (dapd)