Düsseldorf. Laut Innenminister Ralf Jäger waren zwischen 2008 und 2012 rund zehn Vertrauenspersonen in nordrhein-westfälischen Fanszenen im Einsatz. Die Piratenpartei im Landtag kritisiert dieses Vorgehen - “nicht vereinbar mit einer rechtsstaatlichen Demokratie“.

In Frankfurt reichten sich Fans und Liga-Vertreter die Hand, als in Düsseldorf ein Papier mit neuem Zündstoff auftauchte. NRW-Innenminister Ralf Jäger bestätigte der Landtagsfraktion der Piraten, dass die Polizei in Nordrhein-Westfalen in der Fußballszene seit Jahren V-Leute zur Gefahrenabwehr einsetzt. Was unter den Fans stets vermutet wurde, ist nun offiziell.

Einsatz von V-Leuten zwischen 2008 und 2012

Im Zeitraum 2008 bis 2012 „setzten bzw. setzen die Polizeibehörden des Landes NRW weniger als zehn Vertrauenspersonen mit jeweils unterschiedlicher Einsatzdauer [...] ein“, hieß es in der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Piraten.

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Im Zusammenhang mit „Sportveranstaltungen, insbesondere von Fußballspielen“, registriere die Polizei NRW „seit Jahren Personen, von denen Gefahren für Leib und Leben Unbeteiligter [...] ausgehen und die teils erhebliche Straftaten begehen“. Zur „Abwehr solcher Gefahren bzw. zur Verhütung oder Verfolgung einschlägiger schwerwiegender Straftaten“ würden Vertrauenspersonen eingesetzt.

Die NRW-Piratenpartei kritisiert diese Entscheidung. „Die staatliche Kontrolle und Bespitzelung von Stadionbesuchern hat ein Ausmaß erreicht, das nicht vereinbar mit einer rechtsstaatlichen Demokratie ist“, meint Frank Herrmann, Abgeordneter der Piratenfraktion im Landtag NRW. „Die Maßnahmen, die gegen Fußballfans angewendet und auf Initiative der DFL zukünftig sogar noch verschärft werden, ähneln mittlerweile denen eines Überwachungsstaats. Der Einsatz von V-Leuten in Fangruppierungen ist unverhältnismäßig. Das zeigt, wie vorschnell Sicherheitsbehörden drastische staatliche Überwachungsmaßnahmen einsetzen.

„Der Erfolg von V-Leuten darf nach Pleiten, Pech und Pannen im Zusammenhang mit der NSU bezweifelt werden“

Der Sicherheitsgipfel mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) in Frankfurt/Main war bereits beendet, da sickerte die Nachricht bei den organisierten Fans durch. Philipp Markhardt, Sprecher der Aktionen „ProFans“ und „12:12“, äußerte sich sehr kritisch. „Der Erfolg von V-Leuten darf nach Pleiten, Pech und Pannen im Zusammenhang mit der NSU bezweifelt werden. Wenn ich das lese, dann ist das eine neue Qualität, dass Fußball-Fans präventiv bespitzelt werden“, sagte Markhardt dem SID.

Dies sei der Beweis für das, was sich „seit Jahren hartnäckig in Gerüchten“ halte. „Ich frage mich, wie weit unser Land gekommen ist, wenn man Fußball-Fans mit politisch Extremen und Terroristen gleichsetzt. Hat das Land keine größeren Probleme als Fußball-Krawalle?“, sagte Markhardt. Bernhard Witthaut, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sagte dem SID, die Zusammenarbeit mit „kooperationsbereiten Personen“ sei ein „gängiges Mittel, an Informationen zu kommen“.

„Es geht nicht um die Bespitzelung der Fanszene“

Nachdem Spiegel Online im August des vergangenen Jahres über V-Leute in den Fankurven berichtet hatte, häuften sich die Anfragen bei den politisch verantwortlichen Stellen. Im Herbst hatte die Bundesregierung auf Anfrage der Linken erklärt, durch die Länder würden V-Leute bei Fußball-Veranstaltungen eingesetzt. Hamburg bestätigte, dass der Verfassungsschutz Links- und Rechtsextremisten auch unter Fußballfans mit V-Leuten beobachte.

Wolfgang Beus, Sprecher des Landesinnenministeriums, versuchte im Gespräch mit dem SID, die Maßnahmen einzuordnen. „Es geht nicht um die Bespitzelung der Fanszene, es geht nur darum, schwere Straftaten zu verhindern“, sagte Beus: „Wir reden ausschließlich von Gewalttätern, davon muss sich der friedliche Fan distanzieren können.“

„Was nützt ein sicheres Stadion, wenn es leer ist?“

Der „friedliche Fan“ aber war am Morgen in Frankfurt noch unsicher, was er mit dem Schulterschluss mit der DFL anfangen sollte. „Es war ein erstes Abtasten mit einer Fehleranalyse von beiden Seiten“, sagte Jan-Henrik Gruszecki, Sprecher der Initiative „12:12“: „Mittelfristig fordern wir aber konkrete Ergebnisse, um den Stadionbesuch nicht nur sicher, sondern auch freundlich zu gestalten. Was nützt ein sicheres Stadion, wenn es leer ist?“

Der neue DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig war mit dem Gespräch zufrieden. „Alle Anwesenden waren sich darüber einig, dass der Austausch notwendig ist, auch weil in vielen Punkten noch Redebedarf bestand und weiterhin besteht“, sagte der 49-Jährige. Beim nächsten Treffen Ende März soll laut Rettig „die künftige Einbindung von Fanvertretern in den Strukturen von DFB und DFL“ besprochen werden. Außerdem besteht nach Ansicht des Funktionärs „Einigkeit darüber, dass generell ein besonderes Augenmerk auf die Wahrung von Fan-Interessen gelegt werden soll.“ (sid)