Dortmund. Am Samstag demonstrierten BVB-Anhänger in Dortmund für den Erhalt der Fankultur. Sie wollten zeigen, dass Fußballfans laut, aber auch kreativ und friedlich sind. Ein Fanclub-Redner lud Innenminister Ralf Jäger zu sich auf die Südtribüne ein. “Dort werden Sie sehen, dass es sicher ist.“
"Für den Erhalt der Fankultur" - ganz bewusst hatten sich die Organisatoren der Demonstration in Dortmund ein positives Motto gegeben. Sie hätten auch gegen das Konzept "Sicheres Stadionerlebnis" protestieren können. Die Deutsche Fußballliga will das auf Druck der Innenministerkonferenz entstandene neue Sicherheitskonzept am 12. Dezember verabschieden.
Um zu zeigen, dass auch Fans verschiedener Vereine friedlich miteinander umgehen können, hatten die Organisatoren der Demonstration auch die Anhänger des in Dortmund gastierenden VfL Wolfsburg zur Teilnahme eingeladen. Doch die meisten Grün-Weißen blieben der Demo fern. Nicht etwa, weil sie kein Interesse gehabt hätten, sondern weil ihr Sonderzug erst nach Ende der Demo in Dortmund ankam.
Auch Familien mit Kindern demonstrierten mit
Um 11 Uhr waren etwa 600 Fans auf dem Platz der alten Synagoge vor dem Dortmunder Stadttheater versammelt. Stetig strömten weitere BVB-Fans, darunter auch Familien mit Kindern, an den Ort des Geschehens und ließen sich auch nicht von der Eiseskälte abschrecken.
Mit Fahnen und selbstgemalten Spruchbändern demonstrierten die Fans für den Erhalt ihrer Kultur. "Stehplätze erhalten", "Ich fühl mich sicher" oder einfach nur "Emotionen" stand darauf.
FußballfansUltra-Sprecher warnt vor schlechter Stimmung wie in Italien
Oliver Ricken, Sprecher der Ultra-Gruppe "The Unity" ging noch einmal auf den Schweigeprotest der Fans an den letzten drei Bundesliga-Spieltagen ein: "Da haben wir gezeigt, wie Stimmung in Stadien sein kann!" Als mahnende Beispiele nannte Ricken England und Italien, wo die Stimmung in den Stadien kaputt sei. Die DFL dürfe sich nicht von populistischen Forderungen aus der Politik und dufch reißerische Medienberichte unter Druck setzen. Noch sei Deutschland ein Land mit "lebendiger Fankultur, um die uns andere Länder beneiden."
Ricken bezog sich auf die aktuelle Statistik der ZIS und äußerte scharfe Kritik am Zustandekommen der Zahlen. "99,9 Prozent der Fans sind friedlich - also behandelt uns auch so!" Der Politik rief er zu: "Hört auf, die Abschaffung von Stehplätzen zu fordern. Sonst fordere ich die Abschaffung der Autobahn und mache euch für jeden Verkehrstoten verantwortlich."
Seit 40 Jahren auf dem Stehplatz - "nie etwas passiert"
Auch Rüdiger Raguse von Fanclub Heinrich Czerkus bezog sich auf die Situation in England, wo die Fankultur durch die Abschaffung von Stehplätzen zerstört worden sei: Seit 40 Jahren stehe er im Stadion, "mir ist noch nie etwas passiert!"An die Politik richtete er den Appell, sachlich zu argumentieren und nicht mit Verboten zu drohen. "Fans sind auch Wähler!" Dortmunds OB Ullrich Sierau solle sich für den Erhalt der Südtribüne einsetzen.
Ein besonderes Angebot sprach Raguse an NRW-Innenminister Jäger aus: "Herr Minister, ich lade Sie hiermit persönlich ein, mit mir beim Pokalspiel am 19.12. auf der Südtribüne zu stehen. Dort werden Sie sehen, dass es sicher ist", rief der 62-Jährige. "Ich möchte abgetastet werden, aber ich möchte nicht meine Schuhe ausziehen, mich in Zelten ausziehen oder auf der Autobahn angehalten und kontrolliert werden."
BVB-Fanabteilung kritisiert Populismus von Polizeigewerkschaft
Auch Daniel Nowara von der BVB-Fanabteilung bezog sich auf das Konzept "Sicheres Stadionerlebnis" und den Druck der Politik auf die DFL: "Ihr redet nur von Strafen, Strafen, Strafen! Nie hat man aus der Politik einen konstruktiven Vorschlag gehört!" Die Fans hätten stattdessen die Initiative gesucht und seien in den Dialog eingestiegen. Dem Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, warf er Panikmache und Populismus vor.
Völlig unverständlich, so Nowara, sei, dass die DFL den Druck der Politik "eins zu eins auf die Vereine" weitergebe. "Warum stellt sich die DFL dem nicht entgegen?" Schließlich seien jüngst englische Parlamentarier in Deutschland gewesen, um sich über die Möglichkeit zu informieren, Stehplätze einzuführen.
"Der Fußball lebt durch seine Fans"
Doch auch die Fans nahm Nowara in die Pflicht: "Wir sollten nachdenken, ob in der Vergangenheit alles richtig gemacht worden ist." Insbesondere das Thema Pyrotechnik dürfe nicht im Vordergrund stehen. Bilder wie in Düsseldorf, als ein Banner der HSV-Fans Feuer fing, dürfe es nicht geben.
Um etwa 12.15 Uhr zogen die Fans zum Stadion, sangen, skandierten "Der Fußball lebt durch seine Fans" und bildeten einen rund 2000 Personen langen, schwarz-gelben Lindwurm. Angemeldet waren rund 1500 Fans. So zog Demo-Anmelderin Beatrix Schleiken um 13 Uhr denn auch ein durchweg positives Fazit: "Wir haben bunt und friedlich demonstriert. Ich bin einfach nur begeistert!"