Madrid. . Mit dem FC Bayern München will Jupp Trainer Heynckes da hin, wo er mit Real Madrid schon war: auf den Thron der Königsklasse. 1998 wurde er kurz nach dem Triumph entlassen. Die Partie Real gegen Bayern sei ein „Spiel auf Augenhöhe“, sagt Heynckes, „ein Kampf der Giganten“.

Der Trainer wäre vielleicht mit großer, ausladender Gestik dem Bus entstiegen, hätte die edlen Stufen ins Hotel schwungvoll genommen. Oder er hätte mürrisch, verbiestert in die Runde geschaut, in seiner Lieblings-Rolle als Mister „Sprich-mich-nicht-an-denn-ich-bin-der-Größte“.

Aber es war eben nicht Real-Coach und Ober-Narziss José Mourinho, der da, eskortiert von sieben Polizeibeamten, den Seiteneingang des „Westin Palace“ nahm. Sondern Jupp Heynckes. Und der bald 67-Jährige sprach als erstes mit dem Hotelpagen, zog seinen roten Rollkoffer hinter sich her, über den Arm den Bayern-Trainingsanzug geworfen, und parlierte freundlich wie distanziert in der Landessprache.

Heynckes erlaubt sich keine übertriebenen Reminiszenzen

Für Heynckes ist das Halbfinal-Rückspiel der Champions League mit dem FC Bayern bei Real Madrid (heute, 20.45 Uhr, Sat.1, Sky und im DerWesten-Ticker) ja auch eine Art Heimkehr. Doch auch im wohl berühmtesten Hotel der Stadt, nahe des Prado, erbaut vor exakt 100 Jahren, erlaubt sich der Trainer keine übertriebenen Reminiszenzen. Er ist hier, um den 2:1-Hinspielerfolg zu veredeln, einzuziehen ins Finale am 19. Mai in München, das dem Niederrheiner Heynckes noch mehr ans Herz gewachsen ist als die spanische Kapitale.

Dabei hatte er die Königlichen anno 1998 zum Champions-League-Triumph geführt, dem Titel, der „eine Obsession war für den Klub“, wie sich Heynckes erinnert. Ansonsten ist er nicht gewillt, „Anekdoten aus der Mottenkiste“ hervorzuholen. Der Trainer braucht den alten Glanz nicht; er ist auf neuen aus gegen den Klub, der ihn damals, eine Woche nach dem Finalsieg gegen Juventus Turin, davonjagte.

Heynckes aber ist keiner für Revanchegelüste. Viel hat man ihm in seinen nun 30 Jahren als Trainer vorgeworfen; er sei störrisch, verkrampft, bisweilen arg konservativ. Mangelnder Anstand und die Neigung zur eigenen Überhöhung aber gehörten nie zu den Kritikpunkten. Und mit diesen Fähigkeiten als Ruhestifter, als Verwalter, als Garant eines angenehmen Binnenklimas, war er in den Augen der Bayern-Führung die Idealbesetzung, um den Klub nach Revoluzzer- und Egomanen-Jahren (Klinsmann, van Gaal) wieder in bekannte Gewässer zu führen.

Bayern vertrauen auf ihre Sieger-Mentalität

Die Bayern vertrauen im Zweifel auf ihren exquisiten Kader, auf ihre über Jahrzehnte eingebläute Sieger-Mentalität. Der Klub ist besonders genug; der Trainer kann dann ruhig ein Stück weit gewöhnlicher sein. Heynckes hat in der Tat die öffentliche Sucht nach Inszenierung nie bedient. Heynckes empfindet sich als Fußball-Lehrer, nicht als öffentliche Figur. Ganz sicher ist er zugänglicher geworden, offener, entspannter. „Altersmilde“, attestierte ihm Bayern-Präsident Uli Hoeneß bereits.

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Als Heynckes beim FC Schalke nach zermürbenden Streitereien mit Rudi Assauer gehen musste, rief ihm ausgerechnet der traditionsbewusste Manager hinterher: „Heynckes ist ein Trainer der alten Schule, wir aber haben das Jahr 2004.“ Nun, acht Jahre später, repräsentiert Heynckes wieder die Gegenwart des deutschen Fußballs auf höchster europäische Ebene. Natürlich, Jürgen Klopp hat ihm gerade den Rang abgelaufen, der BVB steht für leidenschaftlichen, aber eben hoch disziplinierten Unterhaltungsfußball der Zukunft, gegen den Heynckes’ Stil naturgemäß blässlich wirkt. Doch nun geht es um die Krone; und in diesem Moment ist Dortmund sehr weit weg.

Partie ist für Heynckes "ein Kampf der Giganten"

Die Partie Real gegen Bayern sei ein „Spiel auf Augenhöhe“, sagt Heynckes, „ein Kampf der Giganten“. Für die Bayern bietet dieses Spiel die Chance, das Gefühl der eigenen Stärke wiederzubeleben, sich zu vergewissern, dass der eigene Weg doch der richtige ist. Vielleicht ist das ein Trugschluss. Doch Heynckes, dessen Vertrag bis 2013 läuft, soll den Übergang moderieren, nicht die Zukunft des Klubs erfinden. Dabei könnten diese 90 oder mehr Minuten im Estadio Santiago Bernabeu den Weg für das eigene Selbstverständnis weisen. Noch trägt das Selbstbewusstsein. Heynckes sagt: „Wir sind jederzeit in der Lage, auch hier in Madrid zu gewinnen.“ José Mourinho hätte es nicht schöner ausdrücken können.