Düsseldorf. . Fußball-Nationalspielerin Inka Grings hat Probleme mit ihrer bisherigen Reservistenrolle bei der Frauen-WM eingeräumt. Die Duisburger Stürmerin glaubt auch zu wissen, warum es im deutschen Spiel bisher klemmt.

Manchmal reicht ja ein Blick, eine Geste. Und man ahnt, wie es in einem Menschen aussieht, auch wenn er sich öffentlich zurückhält, zurück halten muss. Es brodelt in Inka Grings, auch wenn sie das so nicht sagen darf. Die Nationalstürmerin des FCR Duisburg über einen WM-Auftakt auf der Bank, den Druck von außen und das Spiel gegen Frankreich.

Sie sind Düsseldorferin und schlafen vor dem Spiel gegen Frankreich in Ihrer Heimatstadt jeden Abend im Hotel. Ein komisches Gefühl?

Inka Grings: Ach, das kennt man ja von vielen Länderspielen. Ich bin froh, dass wir jetzt ein paar Tage hier sind. Meine Mama hat mich im Hotel besucht und meinen Hund Chico mitgebracht, das war toll.

Die Vormittage sind in der Regel trainingsfrei. Zeit genug, um kurz in die eigene Wohnung zu fahren?

Grings: Ja, klar. Klamotten wechseln, einfach mal eine andere Umgebung sehen, in der man auf andere Gedanken kommt.

Das klingt ja fast nach Lagerkoller...

Grings: Nein, ganz falsch. Die lange Vorbereitung kennen wir von früheren Turnieren, und sie hat sich immer bewährt. Ich weiß ja, was jetzt kommt, aber dass es spielerisch im Augenblick nicht so läuft, liegt ganz bestimmt nicht daran, dass wir uns nicht mehr sehen könnten, weil wir lange zusammen sind. Da gibt es andere Faktoren, die wir jetzt auszuschalten versuchen.

Welche?

Grings: Wir haben vorher über den Druck einer WM im eigenen Land gesprochen. Der ist schon enorm. Das sind wir alle nicht gewohnt. Das soll keine Entschuldigung sein, in die Zweikämpfe kann man ja trotzdem gehen. Fakt ist ja, dass wir eigentlich hervorragend Fußball spielen können.

Was genau funktioniert denn nicht, wie es soll?

Grings: Hinten stehen wir eigentlich recht sicher, aber dann verlieren wir den Fluss. Vorne fehlt uns die Kreativität. Wir haben tolle Einzelspielerinnen, jede für sich kann den entscheidenden Akzent setzen, aber es fehlt vielleicht der Mut zu sagen: So, ich riskier’ jetzt was, ich mach’ es jetzt.

Alles reine Kopfsache?

Grings: Es kann eigentlich nur der Kopf sein. Ich glaube schon, dass es an der großen Erwartungshaltung liegt. Wir haben für diese große Aufmerksamkeit gearbeitet, aber das ist für manche Spielerin eine ungewohnte Situation.

Deutschland steht nach zwei Siegen im Viertelfinale, trotzdem wird das Team erstmals seit Jahren kritisiert. Empfinden sie das als ungerecht?

Grings: Kritik an unserer Leistung ist völlig in Ordnung, das gehört dazu. Fakt ist, dass wir als Mannschaft und individuell bis jetzt noch nicht geglänzt haben. Das ist man von uns einfach nicht gewohnt. Aber ein anderer Teil des Problems sind die hohen Erwartungen. Wir müssen jedes Spiel glänzend gewinnen, am besten 5:0. Wir haben immer gesagt, dass es nicht so kommen wird, aber das war kaum noch zu vermitteln, weil wir in der Vergangenheit so viele Titel gewonnen haben.

Für Sie persönlich läuft’s auch nicht so toll, Bundestrainerin Silvia Neid hat Sie vor dem Auftaktspiel überraschend aus der Startelf genommen. Ein Schock?

Grings: Sagen wir so: Das war für mich natürlich nicht einfach. Man ist jahrelang Stammspielerin und sitzt im ersten Spiel der WM im eigenen Land auf der Bank.

Hat sich denn da nichts angedeutet?

Grings: Doch, schon. Im Training erkennt man ein, zwei Tage vor dem Spiel einiges. Ich kann ja auch gucken und denken.

Bundestrainerin Silvia Neid hat Ihnen einen Tag vor dem Spiel mitgeteilt, dass Sie draußen sind. Wie läuft so etwas ab? Ein Satz im Vorübergehen?

Grings: Nein, ganz anders. Die Bundestrainerin geht absolut fair mit uns um, das muss man sagen. Wir haben auf meinem Zimmer miteinander gesprochen, und als sie in der Tür stand, war mir klar, was kommen würde, ganz blöd bin ich ja auch nicht. Wir haben dann sehr ruhig und sehr sachlich miteinander gesprochen. Am Ende wollen wir beide ja das gleiche: den Titel.

Das klingt sehr abgeklärt, aber Sie waren bei der WM 2003 verletzt und 2007 wegen einer Auseinandersetzung mit der Trainerin nicht dabei. Das ist Ihre letzte WM, dazu noch vor eigenem Publikum. Und man ist erstmal draußen…

Grings: Natürlich tut das weh. Ich war schon froh, dass ich danach alleine auf dem Zimmer war, um das verarbeiten zu können.

Wie?

Grings: Ich habe ein paar Menschen angerufen, die mir nahe stehen.

Und? Besser?

Grings: Das liegt mir noch schwer im Magen. Ich bin älter und reifer geworden, und am Ende geht es hier nicht um mich, sondern nur um den Erfolg der Mannschaft. Aber natürlich will ich spielen, daraus mache ich auch keinen Hehl. Ich kann nur Leistung anbieten.

Die Chancen stehen ja nicht schlecht. Nach dem 1:0 über die Nigerianerinnen hat es Kritik gehagelt.

Grings: Nach dem Sieg über Kanada gab es keinen Grund, zu wechseln. Aber ich kann mir vorstellen, dass jetzt über Wechsel auf der einen oder anderen Position nachgedacht wird.

Betrifft das auch die Position von Birgit Prinz?

Grings: Sie steckt in einer schwierigen Situation. Sie weiß, dass sie nicht gut gespielt hat, sie ist ein sehr realistischer und selbstkritischer Mensch. Birgit ist die deutsche Spielerin schlechthin, wenn es nicht läuft, schießen sich leider alle auf sie ein.

Ihr Verhalten nach der frühen Auswechslung gegen Nigeria hat das Problem noch verschärft…

Grings: Vielleicht konnte sie sich in dem Moment nicht kontrollieren. Sie weiß aber, dass sie sich nicht nicht zu sehr gehen lassen darf. Aber sie ist ein Mensch, keine Maschine. Mir tut das sehr leid. Sie hat einen tollen Abschluss ihrer Karriere verdient, dazu müssen wir alle beitragen. Sie selbst in erster Linie, aber auch wir als Team.