Düsseldorf. . Lira Bajramaj sollte ein Star der WM werden. Bisher ist sie aber nur die auffälligste Bankerin des deutschen Teams. Deshalb gehört es nach 22 Einsatzminuten in zwei Spielen ein wenig dazu, sich ihren aktuellen sportlichen Stellenwert auszurechnen.

Auf einmal steht diese Zahl im Raum. Zweiundzwanzig. Es geht jetzt auch um diese 22 Minuten und wie viel sich in einer so kurzen Zeitspanne verändern kann. Lira Bajramaj hat bei dieser Frauenfußball-Weltmeisterschaft in zwei Partien genau 22 Minuten gespielt, und es gehört deshalb wenig dazu, sich ihren aktuellen sportlichen Stellenwert auszurechnen. Man weiß: Es ist nicht viel geblieben vom Ballyhoo um eine junge Frau, die nichts weniger als ein wandelnder Superlativ werden sollte. Bestimmt die schönste, vielleicht die beste, garantiert die am besten integrierte Spielerin dieser WM. Und nun sitzt Lira Bajramaj in Düsseldorf und man darf sagen: sie zickt ein bisschen.

Zweiundzwanzig Minuten in zwei Spielen sind für eine ambitionierte Fußballerin nichts, kaum mehr als ein Almosen. Vor zwei Wochen noch schien Bajramaj die Welt offen zu stehen, sie brachte ja alles mit, was jemand, der dem Frauenfußball zum Durchbruch verhelfen möchte, sich wünschen kann. Dabei kommt es auf den Sport alleine schon längst nicht mehr an. Bajramajs Vita kann sich sehen lassen, das ist es nicht: Welt- und Europameisterin ist sie, 2010 hat sie es bei der Wahl zur Weltfußballerin des Jahres unter die letzten drei geschafft.

Aber der Sport ist im Frauenfußball in diesen Tagen nur die eine Seite. Auf der anderen geht es um Aussehen, um Auftreten. Um Emanzipation und Sexappeal, am besten schön gemischt. Um den Look, um die Vita. Bajramaj hat alles bedient, bestens bedient.

Man hetzt durch ihre Biografie und staunt sich an den Stichworten entlang: In Gjurakov im Kosovo geboren, mit vier Jahren nach Deutschland ausgewandert, heimlich auf den Fußballplatz gegangen, vom Vater erwischt und anschließend doch nach besten Kräften gefördert, eine moderne Muslima, die Klamotten und Kosmetik liebt, sich durchstylt, die Fingernägel auch mal in Schwarz-Rot-Gold lackiert. Eine, die im Sportstudio an die Torwand stöckelt und trifft, es gibt ja diese Menschen, denen alles zu gelingen scheint. Ein bisschen Vamp, ein bisschen Mädchen, das Engelsfiguren sammelt und von sich sagt, sie wolle später mal drei Kinder haben.

Schröder ist das Gegenteil

Irgendwann, das ist der Eindruck, hat sich Lira Bajramaj auf dem Weg in diese WM verheddert. Einer, der das früh ausgesprochen hat, ist ihr ehemaliger Trainer Bernd Schröder von Turbine Potsdam. Schröder ist ungefähr das Gegenteil von Bajramaj, ein Typ knorrige Eiche, glamourös wie ein Trabant.

Ein Meckerer, ein Polterer, einer, der die Skepsis dem Geld gegenüber pflegt, vielleicht, weil er so oft betonen muss, dass er Turbine Potsdam 40 Jahre lang ehrenamtlich zu einem Spitzenklub geformt hat. „Sie hat sich nicht so auf Fußball konzentrieren können“, hat Schröder zuletzt noch über Bajramaj gesagt, „dieses ganze Brimborium – fünfmal auf jeder Zeitung gedruckt – das kann sie nicht verkraften.“

Man kann das als Nachtreten abtun. Bajramaj ist kurz vor dieser WM von Potsdam zum großen Konkurrenten Frankfurt gewechselt. Schröder ist dem FFC und dessen Manager Siggi Dietrich in tiefer Abneigung verbunden. Dann aber kam die Bundestrainerin: Lira Bajramaj, sagte Silvia Neid, habe ihre Leichtigkeit verloren.

Bajramaj ist mit der Welt im Unreinen

Nun stehen da nach einer Woche mit zwei Spielen diese zweiundzwanzig Minuten in den Büchern. Das füllt nicht einmal einen Absatz. Aber es ist wenig genug, um die Geschichte einer jungen Frau umzuschreiben, die man wie keine andere zum Star dieser WM aufbauen wollte. Und die jetzt, wo ihr Team vor Beginn der Alles-oder-nichts-Spiele einen frischen Impuls braucht, mit der Welt im Unreinen ist.

Man sollte nicht vergessen: Lira Bajramaj ist gerade 23 Jahre alt, da bricht sich die Unsicherheit auf tausend Wegen ihre Bahn. In Düsseldorf hat sie sich als Diva verkleidet. Als eine, die neben der Bühne betont lässig mit dem Handy spielt, die vor dem Schritt aufs Podium die Frisur prüft. Die dann kurz ab ist, nichts an sich heran lassen will, keine Fragen nach Bank und Perspektive, nach Gedanken und Gefühlen. „Was fehlt denn noch?“, schnappt sie einmal zurück. Und Bernd Schröder mit seiner Kritik? „Darüber lachen wir, vor allem ich.“ Einmal rutscht sie aus der Rolle. Wie sie entspannt? „Das ist ein Geheimnis“, sagt sie. Sie hat den Ton nicht getroffen, sie klingt abweisend, niemand fragt nach. „Nix besonderes“, fügt sie dann an. „Ich telefoniere, höre Musik, keine Ahnung.“Dann geht sie. Das ganze hat nicht mal zweiundzwanzig Minuten gedauert.