Zürich. Die angekündigte Enthüllung über die gekaufte WM-Vergabe 2022 fällt aus. Fifa-Boss Blatter wird Mittwoch wiedergewählt. Einige Fifa-Sponsoren äußerten sich besorgt. Zaghafter Widerstand von FA-Präsident David Bernstein.
Die Eröffnung des 61. Fifa-Kongresses im Züricher Hallenstadion, bot keine großen Enthüllungen. Die Fußballfamilie feierte, sang und klatschte. Wie hatte Clan-Chef Joseph Blatter noch tags zuvor erklärt: „Krise? Wir haben keine Krise, nur einige Schwierigkeiten. Und die lösen wir in der Familie.“
Kaum jemand störte die Feierlichkeiten zum Kongress, der am Mittwoch tagt und die Wiederwahl des Skandal-Blatters bringen soll, auch wenn sich einige halbwegs Aufrechte, wie die Verbände von England und Schottland, dagegen aussprechen. Auch IOC-Präsident Jacques Rogge benutzte das K-Wort nicht, die böse Vokabel Korruption, die in der Olympischen Charta des IOC nicht einmal benutzt wird. Nein, Rogge erwähnte nur die Bestechungskrise seiner Organisation, die Salt-Lake-City-Krise 1998/99, und sagte: „Ich werde nicht mit dem Finger auf sie zeigen und sie belehren. Ich denke, dass auch die Fifa aus ihrer Krise gestärkt hervor gehen kann.“ Hat er überhaupt Krise gesagt? Welche Krise?
Es liegt vielleicht daran, dass Rogge sich als Fußball-Liebhaber outete und als solcher zu den Delegierten sprach. Während die Schweizer Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey einige Minuten später bekannte, mit Sport nicht viel am Hut zu haben, und Klartext redete, als einzige an diesem Abend. Sie forderte „eine mutige Offensive auf dem Spielfeld der Transparenz“, es sollten „alle Maßnahmen ergriffen werden, um das Vertrauen wieder herzustellen“. Und, ja, Calmy-Rey sprach von Korruption. Kurz darauf rief Grace Jones: „Have a good time!“ Dann ging es zum Gala-Dinner unter Kameraden. Journalisten waren ausgeschlossen.
Was war das für ein irrer Tag in Zürich. Die bizarren Wendungen dieser Stunden aufzuzählen, würde Bücher füllen.
Der suspendierte Fifa-Vizepräsident Jack Warner zum Beispiel, Chef der nordamerikanischen Konföderation, der tags zuvor gefordert hatte, Blatter müsse gestoppt werden, der einen Tsunami ankündigte, der die Fifa hinwegspülen werde, rief seine Verbände dazu auf, am Mittwoch Blatter zu wählen. Einige asiatische Verbände offerierten noch einen Gegenkandidaten: Den Chinesen Zhang Jilong, der nach der Suspendierung von Mohamed Bin Hammam (Katar) die Geschäfte der asiatischen Konföderation führt. Indes mussten Herausforderer Ende März benannt werden. Da hatte sich allein Bin Hammam gemeldet, der am Sonntag wieder zurückziehen musste.
Spezialdemokratie
Es hat keinen Sinn, jede Äußerung, jede Schlagzeile und jede Wendung dieser aufgeregten Spezialdemokratie zu interpretieren. So lange nicht Beweise vorgelegt werden, die weitere Korruptionsvergehen etwa bei der Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 (an Russland) und 2022 (an Katar) belegen, wird diese Fifa der Großganoven und Opportunisten, Geschäftemacher, Feiglinge und Duckmäuser nicht auseinanderfallen.
Eine Ankündigung, Bestechungszahlungen in Höhe von 20 Millionen Euro zu belegen, hatte es am Montagabend gegeben. Nun, es handelte sich um eine vorschnelle Meldung einer deutschen Nachrichtenagentur, basierend auf nicht top-seriöser Quelle, zahlreichen einleuchtenden Indizien, etlichen detaillierten Schilderungen von Vergehen – aber keinerlei Dokumentation. Der mutmaßliche Informant, „Walter Petersen“ genannt, garnierte seine angekündigte Präsentation mit Lügen und anderen Unstimmigkeiten: Zum Beispiel bastelte er eine Email zusammen, in der behauptet wurde, das Schweizer Bundesamt für Justiz habe seine groß angekündigte Pressekonferenz im Grand Hotel Dolder verboten. AmDolder, eines der beliebten Fifa-Luxushotels, lauerte am Nachmittag eine Hundertschaft von Journalisten. Vergeblich. Später hieß es, „Petersen“ wolle abends andernorts noch Stellung beziehen. Fortsetzung folgt.
Was bleibt am Tag vor Blatters Krönungsmesse? Jeder Beweis von Groß-Korruption wäre das Ende, wann immer derlei Dokumente auch auftauchen, ob am 2. Juni oder am 31. August.
Tapferer Widerstand
Blatter hat wohl seine Macht gerettet und schlingert weiter schwer verwirrt durch die Untiefen seines mafiosen Systems. Zaghaften, tapferen Widerstand liefert FA-Präsident David Bernstein, der auf dem Kongress nun weiter kämpfen muss, um die Wahl im letzten Moment zu verschieben, was kaum passieren wird. Einige Fifa-Sponsoren äußern sich besorgt – mehr nicht. Ein Aufstand ist nicht zu erwarten. „Die Fifa-Pyramide“ schwanke, flötete Blatter. „Es ist Gefahr in Verzug.“ Das war, immerhin, nicht gelogen.